Gregor Schmalzried: „Menschlichkeit ist das, was uns auszeichnet”
Von Pauline Herrle, 6. März 2024
Wie beweisen wir, dass wir menschlich sind? Und wieso ist das überhaupt wichtig? Mit dieser Frage beschäftigte sich Gregor Schmalzried, freier Tech-Journalist, Autor und Podcast-Host, in seinem Impulsvortrag „Medienrezeption in einer KI-geprägten Zukunft“ zur Eröffnung der Chiemgauer Medienwochen.
Mit der rasanten Entwicklung neuer Technologien wie KI haben viele Menschen das Gefühl, den Anschluss zu verlieren. Das zeigt sich vor allem in Skepsis und Angst vor der Anwendung von künstlicher Intelligenz. Doch laut Gregor Schmalzried ist es unausweichlich, dass KI eine Gegenwartstechnologie ist, die ihren Fortbestand in der Gesellschaft haben wird.
Fake oder echt?
„Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Jahr 2070 in einem Gerichtssaal und müssen dort ihre Menschlichkeit im Vergleich zu Robotern beweisen“, begann der Tech-Journalist seinen Vortrag. Ein Blick in die heutige Medienwelt zeigt, dass wir Menschen schon oft mit diesem Umstand – ob unbewusst oder bewusst – konfrontiert wurden. Viele kennen wahrscheinlich die Abfragen auf Google, bei denen entweder die Aussage „I’m not a robot“ angeklickt werden muss oder alle Ampelbilder identifiziert werden müssen. Aber wie beweisen wir wirklich, dass wir menschlich sind?
KI durchdringt derzeit alle Medienformen. Auf der Plattform TikTok lassen sich viele Beispiele für die Anwendung von KI in audiovisueller Form finden. Da wäre zum einen ein neuer Song von Drake, der viral geht. Nur ist das nicht der echte Drake. Durch den Einsatz von KI konnten Gesangsparts mit der Stimme von Drake synchronisiert werden. Außerdem können die Stilrichtungen von Songs verändert werden. So findet man auf TikTok nicht nur Songs, die augenscheinlich von der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel gesungen werden, sondern auch Songs von bekannten Künstler:innen in anderen Stilrichtungen. Doch was sich als vermeintlicher KI-Fake ausgibt, kann auch echt sein. „KI hat unsere Anschauungsweise von medialen Inhalten verändert“, sagte Schmalzried, „wir halten falsche Sachen für echt und echte Sachen für falsch. Und das alles passiert nur, weil die synthetischen Ergebnisse so gut sind.”
KI hat unsere Anschauungsweise von medialen Inhalten verändert.
Gregor Schmalzried
KI-generierte Inhalte sind kaum noch zu erkennen
Vor zwei Jahren sahen die Möglichkeiten von KI noch ganz anders aus – sie waren eben nicht so ausgereift. „Damals konnte man noch gut zwischen KI-generiert und echt unterscheiden“, so Schmalzried. Der Fortschritt sei enorm. So sah ein Bild von Papst Franziskus in Pufferjacke Anfang 2022, mit dem Start vom KI-Tool MidJourney, noch verschoben und unecht aus. Ein Jahr später fallen die kleinen Unsauberkeiten im KI-Bild nur echten KI-Profis auf. „Da fragt man sich, was als nächstes kommt“, sagte der Tech-Journalist. Heute kann eine KI sogar komplexe Workflows übernehmen, indem sie verschiedene Dinge miteinander kombiniert. So können Filme von KI synchronisiert werden oder eigene Lieder durch das KI-Tool SummonAI komponieren. Ein Beispiel zeigt: Ein Song über die Chiemgauer Medienwochen im Stil des Titelsongs der Gummibären-Bande ist ein echter Publikums-Hit.
KI befindet sich derzeit im mittleren Zukunftsstadium
KI wird bereits vielfältig eingesetzt. Sollte man da Angst haben, dass KI unsere menschlichen Fähigkeiten in den Schatten stellt? Gregor Schmalzried meint: „Die Technologie ist da, auch wenn wir sagen, dass wir vorsichtig sein müssen“. Innovationen haben immer einen ähnlichen Kurvenverlauf hinsichtlich ihres Fortschritts. Zunächst sei die Innovation ein Spielzeug, dann werde sie als die Zukunft angesehen und irgendwann stagniere der Fortschritt. „Die Innovation wird dann keineswegs irrelevant, aber sie hat einen gewissen gesellschaftlichen Status“, so Schmalzried. KI befinde sich derzeit noch im mittleren Zukunftsstadium, in welchem sie einen stetigen Fortschritt durchlebt und deshalb auch immer wieder auf Skepsis in der Gesellschaft treffe. „Wichtig ist, dass KI dort eingesetzt wird, wo es Sinn ergibt und nicht einfach versucht wird, sie überall einzusetzen“, empfiehlt der KI-Experte. Ein gutes Beispiel sei das Unternehmen Klarna, das eine KI-Assistenz im Kundendienst einsetzt, die einen Job von sonst 700 Mitarbeitenden übernimmt.
Wir sollten keine Angst vor KI haben, sondern nur Respekt. Dabei können wir uns immer klar sein, dass es die Menschlichkeit ist, die uns abhebt.
Gregor Schmalzried
Aber wann hat KI die Reife, um einfach eingesetzt zu werden, ohne Debatten und Skepsis auszulösen? „Das wird sich noch zeigen“, sagt Schmalzried. Sicher sei jedoch, dass KI heute vor allem eingesetzt werden könne, um mit Fähigkeiten zu unterstützen, in denen das Individuum weniger versiert ist. Durch den Einsatz von KI können somit langweilige Anwendungen einfach gemacht und dabei Zeit und Aufwand gespart werden.
KI und die Relevanz von Menschlichkeit
Wenn KI komplexe Workflows und Aufgaben übernehmen kann, wie wichtig ist es dann noch, zu beweisen, dass man menschlich ist? Und warum ist es sinnvoll, dass wir keine Maschinen sind? Der Tech-Journalist hat dazu verschiedene Learnings gesammelt:
- History: Alles, was vor der Entwicklung von KI produziert wurde, hat etwas Besonderes, denn da hat man die Gewissheit, dass noch eigene Kreativität und Arbeit drin stecken.
- Verifikation von medialen Inhalten: „Das könnte eine Art Beipackzettel sein, wo festgeschrieben wird, wie der Inhalt erstellt wurde“, so Schmalzried. Deshalb werde auch die face-to-face-Kommunikation immer besonderer, denn hier bekommt man authentisch echte Fakten.
- „Das Backend ist das neue Frontend“: Die Geschichte um den Inhalt wird wichtiger als der Inhalt selbst. „So geht man beispielsweise nur in einen Kinofilm, weil vorher publiziert wurde, dass Tom Cruise in einem Stunt wirklich von der Klippe springt“, sagte Schmalzried.
- Weirdness: Weirdness ist die Antwort auf die Frage, was uns menschlich macht. „Wenn wir menschlich sind, dann können wir das auch zeigen“, so Schmalzried. KI arbeite nach klaren Mustern, Menschen können hingegen auch mal etwas Verrücktes tun und außerhalb der vorgegebenen Muster agieren.
Eines sollte laut Gregor Schmalzried aber allen Menschen in der heutigen Gesellschaft klar sein: „Wir sollten keine Angst vor KI haben, sondern nur Respekt. Dabei können wir uns immer klar sein, dass es die Menschlichkeit ist, die uns abhebt.“