Die unbändige Lust, Dinge einfach zu tun
Von Benjamin Heinz
Das Münchner Stadtmagazin MUCBOOK feiert seine zehnte gedruckte Ausgabe. Als Online-Medium gibt es das Magazin bereits seit 2009. Gründer Marco Eisenack erzählt im Interview, wie damals alles angefangen hat, warum nichts über die Relevanz geht und weshalb es für Medienhäuser in Zukunft wichtig ist, sich breit aufzustellen und groß zu denken.
Marco, wie würdest du deiner Oma deinen Job erklären?
Marco Eisenack: Ich sorge für den Raum, der es Journalismus ermöglicht, in Zukunft zu überleben. Positiver formuliert: Ich arbeite daran, wie der Journalismus in Zukunft besser werden kann. Ich möchte, dass Journalismus in Zukunft noch spannender erzählt, mit interessanteren Darstellungsformen und -formaten. Mir dafür Konzepte zu überlegen, ist meine Aufgabe, liebe Oma.
Angefangen hat alles mit MUCBOOK. Wie ist MUCBOOK entstanden?
Eisenack: Als wir uns entschieden haben, MUCBOOK zu gründen, gab es kein Online-Magazin in München, das unseren journalistischen Ansprüchen genügte, in die Tiefe blickte und München mal anders darstellte. Deshalb habe ich mich mit Kollegen von der SZ zusammengetan und wir haben in unserer Freizeit mit dem MUCBOOK begonnen. Daraus ist schließlich ein Netzwerk aus Bloggern entstanden, eine Art Schaufenster für Münchner Blogs. Mit der Zeit stellten wir fest, dass wir viele Fans und Leser haben. Das hat dazu geführt, dass wir zusätzlich zum Online-Magazin ein Printmagazin publizierten. Es erscheint inzwischen zweimal pro Jahr.
Die Themen, die wir auf Papier drucken, sind besonders schön anzuschauen und hochwertig gestaltet. Außerdem sind sie thematisch langfristig, Papier ist ja geduldig. Online liefern wir tagesaktuelle Themen: Termine, Veranstaltungstipps und aktuelle News.
Was ist der Unterschied zwischen MUCBOOK und einem Angebot wie dem Stadtmagazin ‚Mit Vergnügen’?
Eisenack: Wir unterscheiden uns thematisch und haben eine andere Zielgruppe. ‚Mit Vergnügen’ ist gut dafür geeignet, um kurz, knapp und unterhaltsam interessante Tipps und Inspiration für eine Stadt zu finden. Wir greifen eher politische und auch stadtübergreifende Themen auf und haben uns eher einen journalistischen Auftrag auferlegt.
Könnte man MUCBOOK auch erfolgreich in andere Städte bringen?
Eisenack: Dafür müsste man ein Bloggernetzwerk und eine Redaktion in der betreffenden Stadt aufbauen. Dieses Modell braucht aber sehr viel persönliche Betreuung, da müsste man viel Energie und Zeit reinstecken. Das wären unzählige Meetings und Reisen, sodass wir uns lieber auf München mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern und die Metropolregion mit bald vier Millionen Einwohnern konzentrieren.
Wie finanziert sich MUCBOOK?
Eisenack: Wir haben einen langen Atem bewiesen. Die ersten fünf Jahre haben wir das MUCBOOK ehrenamtlich und ohne richtiges Geschäftsmodell gemacht. Inzwischen bieten wir zum Beispiel eine Art „Blog in Blog“ für Unternehmen an. Das heißt, sie können bei uns Artikel platzieren. Dieses Modell funktioniert sehr gut, da die Unternehmen nicht selbst einen Blog aufbauen müssen und von unserer Reichweite profitieren können.
Seit kurzem gibt es eine Kooperation mit der Münchner Abendzeitung, was versprecht ihr euch davon?
Eisenack: Unser MUCBOOK-Magazin liegt als 16-seitige Leseprobe der Abendzeitung bei. Diese Kooperation hat unser Magazin auf Augenhöhe mit den Münchener Leitmedien geholt und war für uns ein wichtiger Schritt in den Mainstream. Dadurch haben ganz neue Zielgruppen erschlossen.
Mittlerweile ist MUCBOOK nicht mehr dein einziges Baby, du hast einen ganzen Verlag gegründet – das Medienhaus München, in dem mehrere Print-Magazine entstehen. Print schlägt online?
Mittlerweile ist MUCBOOK nicht mehr dein einziges Baby, du hast einen ganzen Verlag gegründet – das Medienhaus München, in dem mehrere Print-Magazine entstehen. Print schlägt online?
Eisenack: Nach dem Erfolg von MUCBOOK habe ich Blut geleckt und zum Beispiel für den Münchner Klimaherbst erfolgreich ein Magazin herausgebracht. Da habe ich gemerkt, dass Print und der Anzeigenverkauf immer noch gut funktionieren. Ich wurde vom Autor immer mehr zum Verleger. Dem Münchener Klimaherbstmagazin folgte ‚Grün und Gloria’, ein Magazin, das sich mit Nachhaltigkeit, DIYund Umweltschutz beschäftigt. Später kamen noch die Magazine Slow Down und ‚Himbeer – München mit Kind’ dazu. Slow Down befasst sich mit Nachhaltigkeit in München, denn nirgends kann man diese Geschichten so schön erzählen wie im Lokaljournalismus.
Was hebt eure Arbeit von anderen Medienhäusern ab?
Eisenack: Wir verstehen uns als dreidimensionales Medienhaus: Neben unserem Online-Magazin und der Printausgabe bieten wir auch Offline-Events an, sodass man unsere Journalisten nicht nur lesen, hören und sehen, sondern auch mit ihnen in Kontakt kommen kann. Zudem arbeiten wir in agilen Teams. Feste Strukturen, wie ich sie damals noch bei der Süddeutschen erlebt habe, sind für die Medienhäuser der Zukunft nicht mehr denkbar.
Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für Workflows und Prozesse bietet, machen wir uns zu Nutze. Dementsprechend ist aber auch das Erlösmodell nicht mehr so eindimensional wie früher durch Abo- und Anzeigenverkauf. Man muss sich immer wieder neue Ideen und Konzepte überlegen. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem Membership-Modell. Die Mitgliedschaft ist limitiert, es gibt nur ein Kontingent von 500.
Medienhäuser müssen sich heute als Marke verstehen, die man gerne in sein Leben mit einbezieht und nicht nur konsumiert. Eine Marke, mit der ich vernetzt bin und eine persönliche Bindung aufbaue. Darum ist auch so wichtig, dass wir ein Lebensgefühl in den Vordergrund stellen. Es geht nicht nur darum, News zu verbreiten. Die gibt es im Internet mehr als genug.
Was sind deine drei größten Learnings?
Eisenack: Geduld ist wichtig. Wir hatten über Jahre kein Geschäftsmodell und ich habe trotzdem gesagt, ich mache da weiter, weil ich es aus Leidenschaft gemacht habe. Ich glaube, dass du nur dann wirklich etwas gründen solltest, wenn du die unbändige Lust verspürst, Dinge einfach zu tun.
Das zweite Learning ist, sich nicht reinreden zu lassen. Du solltest bei deinen Entscheidungen auf dein inneres Bauchgefühl hören, dir treu bleiben und Durchhaltevermögen beweisen.
Der dritte Punkt wäre das Thema Fremdkapital. Ich finde, man sollte sich nicht zu schnell in Abhängigkeiten von Geldgebern locken lassen. Häufig wollen die Kapitalgeber dann früh mitreden und schnell Zahlen sehen.
Wo siehst du euch in fünf Jahren?
Eisenack: Wir wollen langfristig in München das relevanteste Lokalmedium sein. So haben wir es hier mal ein bisschen überzogen formuliert, damit wir wissen, wofür wir kämpfen. Es geht uns nicht darum, das reichste, größte oder schönste Medium zu sein, sondern das relevanteste. Wir wollen die Geschichten erzählen, die Bedeutung für das Leben der Menschen haben und sie weiterbringen. Und das geht nur unabhängig und nachhaltig produziert.