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Digital Publishing: content is king, but distribution is queen

von Katja Schwengler, 09.12.2022

„Die Verlage stehen an einem historischen Punkt.“ Mit diesem Satz eröffnete Barbara Zinecker, stellvertretende Chefredakteurin der Nürnberger Nachrichten, das Media Date zum Thema „Next Level Digital Publishing“ und setzte damit ein Zeichen für den Tenor der Veranstaltung. Vor ein paar Jahren war die Zukunft von (Zeitungs-)Verlagen noch ungewiss. Dank vieler Innovationen ist jedoch Fortschritt deutlich erkennbar und die Aussichten dadurch positiver und klarer. 

Wird über die Zukunft der Verlage gesprochen, so wird auch über die Zukunft von Journalismus gesprochen. Vor allem in digitalen Bezahlmodellen sehen viele die Lösung, ermöglicht dieses Vorgehen doch die Entfernung von der Dominanz der Werbemärkte und mehr Autonomie für Verlagshäuser. In ihrer Begrüßungsrede zeichnete Barbara Zinecker daher ein optimistisches Bild und erwähnte den Trend in Richtung kundenzentrierter Abomodelle. Beim Verlag Nürnberger Presse haben sich dabei zwei Projekte herauskristallisiert: nordbayern.de wurde weiterentwickelt zur Plattform nn.de. Die Website nordbayern.de konzentriert sich vor allem Nachrichten aus der Region, wohingegen bei nn.de exklusive Geschichten veröffentlicht werden; hier setzt das Verlagshaus auch auf ein Abo-Bezahlmodell. Zusätzlich wurde eine Lifestyle-App für die jüngere Zielgruppe entwickelt. Im Zentrum aller Plattformen steht jedoch immer Top Content, also gute Inhalte. 

„Die Verlage stehen an einem historischen Punkt.“

Barbara Zinecker, stellvertretende Chefredakteurin der Nürnberger Nachrichten

Abo-Modelle der Zukunft: Personalisierung und Preisgestaltung von den Besten lernen

Wie ein kundenzentriertes Abomodell aussehen kann, stellte André Lutz vor, CEO von DEFACTO BE/ONE, einer Full-Thinking-Agentur aus München. Kern hierbei ist die Personalisierung: Wer braucht was genau und wann? Aktuell gestaltet sich die digitale Abo-Vermarktung als Price + Promotion. Kund:innen erhalten rabattierte Angebote für dauerhafte Bindung und zusätzlich ein Geschenk. Und morgen? Wird dieses Modell laut André Lutz kaum mehr Abnehmer:innen finden. Denn bereits heute haben Verbraucher:innen immer weniger privates „nice to have“ Budget, zudem steht viel frei zugänglicher Content auf den unterschiedlichsten Plattformen zur Verfügung. Auch der Trend in Richtung Bewegtbild und mobilem Konsum spricht für eine Weiterentwicklung der aktuellen Situation. Die Lösung für André Lutz besteht darin, von den Besten wie Netflix, Spotify, TikTok oder Instagram zu lernen und Bestehendes zu adaptieren. Vor allem die Vermeidung der „Abo-Falle“ durch monatlich kündbare Angebote und verschiedene Preismodelle, einen personalisierten Top Content und eine nahtlose Customer Journey sieht er dabei als essentiell an. Konkret könnte ein Lösungsweg für ihn so aussehen: den Politikteil aus der WELT, den Sportteil aus der BILD, Lokales von der B.Z. und Musik von Metal Hammer. Dabei sollten die Angebote so aufbereitet sein, dass sie überall konsumierbar sind – als Podcast, Video, Print, Digital Paper, Mobile App oder Smart TV App. Digitale Verlängerungen und Vertiefungen von Printartikeln optimieren dabei die Experience der User. Auch der Preis müsste sich individuell, sozusagen „nach Verbrauch“, anpassen: beispielsweise drei Euro für den digitalen Lokalteil und zwei Euro für den digitalen Sportteil würde monatlich ein fünf-Euro-Abo ergeben. Man müsste somit nicht eine oder mehrere ganze Ausgaben für jeweils 30 Euro abonnieren, obwohl man nur bestimmte Interessen hat. Für Verlagshäuser heißt das konkret, ihre Leser:innen zu verstehen, die Daten effektiv zu nutzen und zu kommunizieren. Durch eine digitale Reichweite lassen sich Nutzer:innendaten generieren, die man analysieren kann, um relevante Angebote für Leser:innen abzuleiten. Oder, wie André Lutz sagen würde: „Mehr Fakt, weniger Gefühl“.

Bürger:innenbeteiligung für spannenden Lokaljournalismus

Auch im Vortrag von Maike Körner ging es um Daten und Fakten. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit Schwerpunkt Innovation und Transformation forscht sie in einem internationalen Team aus 20 Kommunikationswissenschaftler:innen zum Thema „Journalistische Innovationen in demokratischen Gesellschaften: Learnings aus westeuropäischen Redaktionen für den deutschen Lokaljournalismus.“ Zentrale Fragen des sogenannten „JoIn-DemoS“-Projekts (Journalism Innovations in Democratic Societies) waren dabei unter anderem: Was sind die wichtigsten Innovationen im Journalismus im Zeitraum von 2010 bis 2020? Welchen Einfluss haben die Innovationen auf die Qualität der Berichterstattung? Ausgangslage war dabei das gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in den Journalismus sowie die News Avoidance und Abkopplung des Publikums. Am Beispiel von regionalen Medien hat das Projekt vor allem den Aspekt der Bürger:innenbeteiligung näher betrachtet, um daraus nützliche Erkenntnisse für die Themen Vertrauen und Nachrichtenmüdigkeit abzuleiten. So erstellen und veröffentlichen registrierte User der „Regionauten“, ein Projekt von RegionalMedien Austria, lokale und regionale Inhalte. Bristol Cable, ein Projekt aus dem Vereinigten Königreich, setzt auf Membership-Modelle und Diskussionsräume für Mitglieder, die an der Themenfindung mitwirken können – da die Mitglieder Shareholder sind müssen diese sogar bei Entscheidungsfindungen im Haus konsultiert werden. Als nachteilig empfindet die Community hierbei fehlende Ressourcen und die Annahme, dass Lokaljournalismus langweilig sei. Das deutsche Projekt der Westfalenpost bindet die Leser:innen über Umfragen ein oder organisiert Radtouren, um die Kundenbindung zu stärken. Durch die gestiegenen Datenmenge, die sich über die Umfragen generieren lassen, wurden sogar Statistiker:innen eingestellt, um valide und nützliche Inhalte aus den Daten abzuleiten.

„Es geht nicht mehr nur um digitale Transformation, sondern vor allem um Content-Transformation.“

Maike Körner, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

So kommt Maike Körner mit ihren Mitforschenden auch zu der Erkenntnis, dass für den Journalismus weniger das Metaverse relevant sein wird, als Künstliche Intelligenz. Ein Beispiel aus Spanien untermauert diese Aussage. Newtral.es nutzt Künstliche Intelligenz für Workflow, Publikation und Fact Checking, um beispielsweise Aussagen von Politiker:innen zu verifizieren.

Die Erkenntnisse ihrer Studie belegen also, dass auch Lokaljournalismus innovativ ist und der USP, also das Herausstellungsmerkmal, hierbei vor allem die Einbeziehung des Publikums ist. Das wird auf verschiedenen Ebenen gestaltet: User Generated Content, Mitgliedschaftsmodelle, Diskussionsforen und Umfragen unter Usern. Wichtig dabei ist: Das Medienunternehmen muss dahinterstehen, Ressourcen müssen zur Verfügung gestellt, motivierte Teams gefördert und Künstliche Intelligenz einbezogen werden. Es geht nicht mehr nur um digitale Transformation, sondern vor allem um Content Transformation.

In der anschließenden, regen Diskussion betonte André Lutz, dass es künftig wichtig sei, den gleichen Leser auf verschiedenen Kanälen zu erreichen, um ihn nicht zu verlieren. Maike Körner, die den Ausspielwegen ebenfalls eine große Bedeutung beimisst, betonte auch die immer wichtigere Rolle des Storytellings. Laut Barbara Zinecker wird in ihrer Redaktion nun neben Print und Online verstärkt Videocontent eingesetzt. Ein Zitat, das sie seit einem Praktikum in den USA begleitet, ist: Content is king, but contribution is queen and she wears the pants – auch darauf konnten sich alle einigen.

„Mehr Fakt, weniger Gefühl.“

André Lutz, CEO von DEFACTO BE/ONE

Die vom Publikum gestellte Frage, ob allzu kuratierter Content eine Gefahr für eine einseitige „Content-Blase“ darstellen kann, die die eigene Weltanschauung bestärkt, wurde von den Vortragenden kritisch, aber auch optimistisch aufgegriffen. So gäbe es vor allem mittels Künstlicher Intelligenz weniger Möglichkeiten, Fake News zu verbreiten und so der „Bubble-Bildung“ entgegenzuwirken.

Impressionen des gelungenen Abends (Fotos: © Stefan Hippel):

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