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Daten statt Bauchgefühl

Ob der Veranstaltungs-Titel überhaupt noch passend sei, fragte Moderator Peter Schmid-Meil am Ende des eBook Camp 2020 im Münchner WERK1. Im Fokus standen weniger eBooks als Themen wie Data Driven Publishing, digitales Marketing oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Verlagen.

Der Begriff eBook umfasst längst nicht, was die digitale Transformation für die Buchbranche bedeutet. Die Digitalisierung wälzt die Verlage, den Buchhandel und die Bibliothekswelt um, sie kennt keine Abteilungs-Silos und meint weitaus mehr als das elektronische Publizieren von Titeln. Entsprechend ging es auf dem eBook Camp 2020, das der Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit Unterstützung des MedienNetzwerk Bayern, tolino media, des digital publishing award und junge verlags menschen durchführte, auch eher am Rande um die digitale Publikationsform.

Datengestütztes Publizieren

Auf dem Programm des eBook Camp 2020 standen Themen wie Print on Demand, der Einsatz künstlicher Intelligenz bei Verlagen, Open Access Publikationen, Self-Publishing Plattformen, zeitgemäße Zielgruppenanalysen, Online-Marketing oder Data Driven Publishing.

Gerade das Beispiel Data Driven Publishing, über das Schmid-Meil selbst referierte, stellt den Umfang der digitalen Entwicklung der Buchbranche exemplarisch dar. Dabei geht es um die Frage, welche Daten und Datenquellen Verlage für die Optimierung ihrer Marketing- und Vertriebsprozesse sowie ihrer Kommunikation und Programmplanung nutzen können. Daten zu Erlösen, Kosten und laufenden Werbe- und Sales-Kampagnen gehören hier genauso dazu wie Daten über das Kundenverhalten, Marktentwicklungen oder Verkaufstrends.

Die fortlaufende Analyse dieser internen und externen Daten über Abteilungen hinweg ersetzt zunehmend das Bauchgefühl und die Intuition der Verleger*innen. „Durch das Monitoring der Kampagnen können sich Verlage schrittweise Benchmarks erarbeiten, also datengestützte Richtwerte, die als Orientierung für kommenden Aktionen dienen“, so Schmid-Meil. Erfolge werden planbar.

Künstliche Intelligenz als Unterstützung für Verlage

Ebensowenig wie beim Data Driven Publishing handelt es sich beim Thema Künstliche Intelligenz um ein kurzlebiges Buzzword. Gesa Schöning, Co-Founder und Geschäftsführerin der QualiFiction GmbH, stellte in ihrer Session die Software LiSA vor. Mit dieser lassen sich belletristische Texte innerhalb von wenigen Minuten analysieren und im Hinblick auf ihre Verkaufschancen bewerten.

Die auf der Frankfurter Buchmesse 2019 ausgezeichnete Software visualisiert Textinhalte, Stimmungen, Themenkomplexe und sprachliche Besonderheiten; Metadaten und Genre-Klassifikationen werden automatisiert bereitgestellt und das Potenzial des Stoffes mit Blick auf den aktuellen Buchmarkt eingeschätzt.

Einer der Vorteile für Verlage: Die Masse an eingesendeten Manuskripten lässt sich mit der Software nach bestimmten Kriterien vorfiltern. Statt mit 300 Manuskripten müssen sich Verlage so beispielsweise nur noch mit 30 Manuskripten intensiv beschäftigen, bei denen sie dank der automatisierten Analyse davon ausgehen können, dass sie potenziell ins Verlagsprogramm passen.

„Der Mensch wird hier also nicht ersetzt, sondern unterstützt“, sagt Schöning. Hinzu kommt: Die Schreiber*innen können sich bei einer Absage seitens des Verlags wenigstens damit begnügen, dass ihnen statt gar keiner zumindest eine digitale Lektüre zuteil wurde.

Der Trend bei eBooks: Onleihe statt Kauf

Ganz kam man natürlich nicht vorbei am Zankapfel zwischen Verlagen, Bibliotheken sowie Autor*innen. Auch wenn die Publikationsform bei weitem nicht mehr neu ist, wühlt die Bereitstellung von eBooks die Gemüter der Buchbranche ordentlich auf. Aus Sicht der Verlage sowie der Autor*innen bietet die von den Bibliotheken geforderte Schrankenregelung, also die Ausnahme vom Urheberrecht für die Onleihe, keine faire Entlohnung für deren Leistungen.

Luise Schitteck und Gerald Wechsler von Libreka widmeten sich in zwei Sessions dem Thema „Büchereien und eBooks“. Denn: Seitdem es die eBook-Leihe gibt, sinkt die Kaufbereitschaft buchaffiner Zielgruppen. Ein Problem für Verlage.

Eine Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Gesellschaft für Konsumforschung aus dem Jahr 2019 ergab, dass Online-Entleihende zwar zu den stärksten Käufer*innen am Buchmarkt gehören, doch knapp die Hälfte von ihnen weniger oder gar keine eBooks beziehungsweise Bücher mehr kauft, seitdem es das Onleihe-Angebot gibt. Während der eBook-Verkauf aus Verlagssicht stagniert, wächst die Onleihe bei den Bibliotheken jährlich um rund zehn Prozent.

Mögliche Auswege, so Schitteck und Wechsler, stellen die Anpassung des Lizenzmodells dar, beispielsweise durch das exklusive, zeitlich befristete Anbieten der eBooks durch die Verlage, sowie die Festlegung neuer Lizenzpreise. Generell müsse aber ein Umdenken stattfinden: „Verlage und Bibliotheken sollten über neue Möglichkeiten der Kooperation nachdenken. Die gemeinsame Nutzung von Marketingkanälen und eine intensivere Zusammenarbeit bei Veranstaltungen könnten das Geschäftsmodell positiv beeinflussen“, glaubt Wechsler.

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