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Warum der deutsche TV- und Streamingmarkt auf Eigenproduktionen setzt

Lokale Geschichten, mitten aus dem Leben gegriffen, oder das Große, nie zuvor Gesehene. Das Media Date „Think global – produce local. Eigenproduktionen im deutschen TV- und Streamingmarkt“ gab Einblicke in die Content Strategien von RTLZWEI, Joyn und Sky.

Thomas Münzner, Director Content Acquisition bei Joyn, Dr. Malte Probst, Senior Vice President Film und Entertainment Portfolio bei Sky Deutschland, und Tom Zwiessler, Bereichsleiter Programm RTLZWEI, erklärten, mit welch unterschiedlichen Schwerpunkten sie gegen internationale Streaming-Riesen antreten.

„Nutzerverhalten lässt sich nicht manipulieren“

„Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, den Massenmarkt zu erreichen“, so Zwiessler über das TV Experimentierfeld Young Fiction des Senders. Die Serie „Wir sind jetzt“, die persönliche Einblicke in das Leben von Protagonistin Laura gibt und sich an ein junges Publikum zwischen 14 und 29 Jahren richtet, war das erste Angebot, das RTLZWEI nach dem Prinzip „Online First“ vorab exklusiv auf der Streamingplattform TV Now ausstrahlte. Über lineares TV ließe sich dieses Publikum nicht mehr erreichen. Die Lösung für RTLZWEI ist eine Multichannel Strategie: „Wir nutzen Social Media als Chance und holen die jungen Zuschauer da ab, wo sie sind.“ Wie groß die Bedeutung neuer Distributionskanäle tatsächlich ist, zeigt der Erfolg von „Love Island“. 30 Millionen Aufrufe und ein Publikum durch alle Bildungsschichten und Altersklassen erreichte das Format on demand.

Ähnlich sieht die Zielgruppe bei einem weiteren Schwerpunkt aus, den RTLZWEI setzt. Über Sozialdokus möchte der Sender einen eigenen USP bieten, der auch ohne große Budgets funktioniert. Im Gegensatz zu internationalen Sendern haben lokale Sender die Möglichkeit, sich auf die kleinen, jedoch nicht weniger spannenden Geschichten zu konzentrieren. „Wir decken das ab, was das Globale nicht kann, zeigen deutsche Lebenswirklichkeit am Rande der Gesellschaft.“ Die Eigenproduktionen von RTLZWEI machen bereits 70 Prozent des Programms aus.

Eigenproduktionen geben Kontrolle

Einen anderen Weg geht Sky. „Wir nehmen unsere Geschichten nicht aus dem Leben, sondern wollen mit Tiefe und Radikalität erzählen“, erklärte Probst. Das Zielgruppentargeting spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Viel mehr gehe es darum, etwas zu erzählen, was kein anderer auf dem Markt erzählen kann. Das koste sowohl Zeit als auch Geld und sei durchaus riskant. Der Hintergrund für die Entscheidung, auf mehr Eigenproduktionen zu setzen, ist ein strategischer: „So haben wir die Kontrolle.“ Zum einen, was Rechte und Lizenzen angeht, zum anderen, was den Markenauftritt betrifft: „Zeigen wir Fremdinhalte, identifiziert das niemand mit uns“, so Probst.

Nicht zuletzt durch Koproduktionen etabliert sich Sky, bisher eher mit Sportberichterstattung in Verbindung gebracht, auch international mehr und mehr als Medienhaus. Serien wie „Chernobyl“ mit HBO, „Babylon Berlin“ mit ARD oder das „Das Boot“ mit Bavaria Fiction und Sonar Entertainment zeugen davon.

Um der finanziellen und zeitlichen Belastung von Eigenproduktionen entgegenzutreten, gründete Sky die Sky Studios, die alle lokalen Produktionen der internationalen Sky Standorte vereint: „Jedes Land produziert für sich, aber alle sprechen eine ganz eigene Pay-TV-Sprache. Durch die Brückenfinanzierung geht alles schneller voran.“

Comedy und lokale Talente

Auf der Plattform Joyn stehen ebenfalls gute Storys im Fokus, die sonst keiner erzählt. Doch auch das neue Angebot von ProSiebenSat.1 grenzt sich in seiner Strategie ab: „Joyn kombiniert die Stärke der Wettbewerber in einem Produkt“, so Münzner. Die bisherige Gratisplattform, die sich an eine junge Zielgruppe richtet, launcht voraussichtlich Ende 2019 ihr Freemium-Modell. Ist der freie Content vor allem short, snackable und digital, konzentriert sich der Premium Bereich auf fiktionale und non-fiktionale Originals. Für 2020 plant Joyn insgesamt 12 Eigenproduktionen und setzt dabei unter anderem auf Comedy und lokale Talente wie Katrin Bauernfeind mit „Frau Jordan stellt gleich“ oder Klaas Heufer-Umlauf mit „Check Check“. „Comedy ist ein Genre, das auf Streaming Plattformen unterrepräsentiert ist“, glaubt Münzner.

Um die großen, auch internationalen Geschichten zu erzählen, wird bei Joyn wie bei Sky auf Partnerschaften gesetzt: So etwa die Koproduktion mit RBB für die Sadcom „MaPa“ oder die deutsch-chilenische Koproduktion „Dignidad“. Gemeinsam mit ProSiebenSat.1 entsteht die Serie „Jerks“. Ein Erfolg, der Münzner besonders freut. „Da wir unterschiedliche Kunden haben, kannibalisiert sich das nicht, sondern hat einen positiven Effekt.“

Impressionen vom Media Date

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