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Creatokia – Publishing im Web3

„Neue Technologie braucht einen einfachen Einstieg“

von Chris Schinke, 19.10.2023

Ziel von Creatokia ist es, die Vorteile von Web3 für die Medienbranche verfügbar zu machen. Die Gründer der Bookwire-Plattform verraten, was sie knapp zwei Jahre nach dem Launch gelernt haben und wie es mit der Plattform weitergeht.            

Gedruckte Bücher und Blockchain, klassische Verlagsarbeit und NFTs – wie lassen sich diese Themen aus eurer Perspektive sinnvoll verbinden?

Eric Bartoletti: Unsere Vision für Creatokia ist es, der Publishing-Industrie zu ermöglichen, ein völlig neues Medien- und Produktformat zu nutzen. Mit NFTs lassen sich digitale Inhalte extrem gut bündeln und gestalten. Neben den Bereichen Print, Hörbuch und E-Book ist das ein neues Format. Für uns steht auch der Community-Gedanke im Vordergrund. Wir wollen die Beziehungen zwischen Autor und Verlag stärken, auf der anderen Seite auch die zwischen Nutzern und Lesern. Es geht uns darum, eine interaktive Verbindung zu schaffen, die über das klassische Verhältnis hinausgeht. Das sah immer so aus, dass man als Leser das Buch eines Autors las und wenn man damit fertig war, wartete man, bis das nächste erschien. Zwischendrin passierte nicht viel. Uns ist daran gelegen, diese Verbindung langfristiger, intensiver und spannender zu gestalten. 

Könnt ihr ein Beispiel geben, wie diese Verbindung im konkreten Fall aussieht?

Carsten Lambrecht: Ein Beispiel, das gerade online ist, ist das neue Buch des hawaiianischen Autors CD Damitio. Er hat ein Buch über einen Protagonisten geschrieben, der eines Morgens aufwacht und sich 300 Jahre in der Zukunft wiederfindet. Dieses Buch gibt es in einem Bundle mit sammelbaren, digitalen Gütern und ist in dieser Form nur bei Creatokia zu finden. Dafür hat der Autor das Buch auch eingelesen. Außerdem ist das Buch von einer hawaiianischen Künstlerin illustriert worden. 

Die Geschichte „Notes From Nowhere“ erscheint in einzelnen Kapiteln bei Creatokia.
Die Geschichte „Notes From Nowhere“ erscheint in einzelnen Kapiteln bei Creatokia. | Bild: Creatokia.com

Die Geschichte „Notes From Nowhere“ erscheint in einzelnen Kapiteln bei uns. Man kann sich das als ein NFT vorstellen, das ähnlich funktioniert wie ein Season Pass bei einer TV-Serie. Nach den verheerenden Bränden auf Maui hat CD Damitio die Veröffentlichung  noch einmal ergänzt. Es ist jetzt eine Special Edition erschienen, deren Erlöse den Opfern der Katastrophe zugutekommen.

Blockchain bringt das große Versprechen der Dezentralität mit sich.

Eric Bartoletti

Die NFT-Plattform Creatokia stammt aus dem Hause Bookwire – ein Unternehmen für Verlagsauslieferungen von E-Books und Audiobooks. Was ist eigentlich eure Geschichte, die schließlich zu Creatokia geführt hat?

Eric Bartoletti: Ich bin seit etwas über fünf Jahren bei Bookwire und eines der ersten Dinge, die ich dort gemacht habe, war es, mich mit dem Thema Blockchain auseinanderzusetzen. Anfangs haben wir die Blockchain-Technologie vor allem als Möglichkeit gesehen, digitale Transaktionen hochgradig automatisiert abzuwickeln. Wir wollten aber auch insgesamt besser verstehen, was hinter der Technologie steht, und wir wollten ausloten, inwiefern die Entwicklung auch eine Gefahr für das Kerngeschäft von Bookwire darstellt. Wir sind tief ins Thema eingetaucht, haben Workshops gemacht, uns Experten dazu geholt. Schnell haben wir gesehen, dass Blockchain das große Versprechen der Dezentralität mitbringt. Unser Kerngeschäft auf die Blockchain zu bringen, schien zu dem Zeitpunkt im Hinblick auf die Realität in der Branche noch utopisch. Wir fragten uns aber: wie könnten konkrete Use Cases aussehen? 

Als 2020/21 NFTs plötzlich sehr populär wurden, hat es bei uns Klick gemacht. Und wir haben gesagt, hey, das ist eine völlig neue Weise ein Produkt zu veröffentlichen, zu vertreiben und mit der Community zu interagieren. Und im Grunde genau das, was sich viele unserer Verlage wünschen. Für uns, die wir uns als Enabler für die Publishing-Branche verstehen, erschien es sinnvoll, diese neue Technologie und ihre Möglichkeiten in einem Angebot zusammen zu packen, so dass sie für die Buchverlage zugänglich wird. Möglichst simpel und mit niedrigen Einstiegshürden – das war die Initialzündung, um mit Creatokia zu starten. 

Carsten Lambrecht: Ich kam im Januar 2022 mit der Motivation dazu, meine Erfahrung aus dem klassischen Marketing, dem Aufbau komplexer digitaler Markenplattformen und einem guten Nutzererlebnis zu verbinden. Neue Technologie braucht einen einfachen Einstieg, den haben wir hergestellt.

Carsten Lambrecht von Creatokia

Welche Cases haben euch in dieser Zeit beschäftigt?

Carsten Lambrecht: Der erste große Case kam mit Planeta, dem spanischen Verlagsriesen. Die haben uns mit Juan Ramón Rallo einen Autor mitgebracht, dessen neues Buch „Anti-Marx“ sich in einem Doppelband mit den ökonomischen Theorien Marx‘ beschäftigt und kritisch beleuchtet. Wir haben uns überlegt, was wir anlässlich der Veröffentlichung machen können, und hatten die Idee, das NFT als eine Art Vorverkauf zu betrachten – vor dem eigentlichen Release. Zum Verkaufsstart gab ein öffentliches Live-Event mit dem Autor, zu dem er über Social Media aufgerufen hat. Das NFT umfasst ein einzigartiges Pop-Art-Cover, exklusiven Zugang zur Online-Version des Buchs und die Teilnahme an einer weiteren Live-Session mit dem Autor. Rallo hat viele Follower und das Event war ein großer Erfolg. Während des Events am Abend waren wir schnell ausverkauft. Das bedeutete eine fünfstellige Summe Umsatz innerhalb von eineinhalb Stunden.

Eric Bartoletti: Das Beispiel Planeta ist deshalb schön, weil es zeigt, worauf es aus unserer Sicht ankommt, wenn man ein erfolgreiches Produkt im NFT-Space umsetzen will. Allein einen Text anzubieten, den es ohnehin als Print und E-Book gibt, das würde keinen Mehrwert für die angedachte Zielgruppe liefern. Im konkreten Fall aber haben wir es geschafft, zusammen mit dem Verlag und dem Autor ein sehr schönes Fan-Package zusammenzustellen. Das Zusammenspiel von Promotion durch den Autor und die Abwicklung durch uns macht es zum idealen Beispiel-Case dafür, wie wir uns das bei Creatokia vorstellen. 

Nicht nur in der Buchbranche wird über die vermeintlich hohe Zugangsschwelle bei den Themen NFTs, Krypto und Web3 gestöhnt. Halten sich aus eurer Perspektive bestimmte Vorurteile beim Thema? Und handelt es sich dabei auch um ein sehr deutsches Phänomen?

Eric Bartoletti: Ja, das muss man ganz klar sagen. Unserer Erfahrung nach ist diese Haltung auch gar nicht nur auf die genannten Themen beschränkt. Wir sehen es aktuell vor allem auch in der medialen Darstellung beim Thema generative AI, das für uns ein sehr wichtiges ist. Natürlich gibt es gerade in diesem Bereich noch viele unbeantwortete Fragen. Vor allem hinsichtlich von Urheberrechten und Rechtssicherheit. Im deutschsprachigen Raum nehmen wir aber eine Skepsis wahr, die sich auf Vorurteile und negative Aspekte von neuen Technologien stützt. Daraus resultiert auf dem Markt eine sehr abwartende Haltung. Dementsprechend sprechen wir sehr viel mit Verlagen im internationalen Raum.  Von unseren ausländischen Kolleginnen und Kollegen kommt tendenziell eher positives Feedback.

Sind die Einstiegshürden tatsächlich zu hoch?  

Eric Bartoletti: Beim Thema Einstiegshürden haben wir uns viele Gedanken gemacht. Die Publishing-Branche ist allgemein nicht so tech-affin wie andere Branchen. Dementsprechend einfach und verständlich muss unsere Plattform sein. Verlage und potenzielle Kunden nehmen wir dabei sehr eng an die Hand. Wir haben versucht, unseren Auftritt als Standard-Webshop erscheinen zu lassen und wollten dabei bewusst nicht mit Begriffen wie Blockchain, Ethereum und Wallet herumwerfen. Wir haben die Plattform so gebaut, dass man alle Produkte auch per Paypal oder Kreditkarte bezahlen kann. Die Transaktionen existieren dann als Datenbankeintrag bei uns und lassen sich im Nachhinein auf der Blockchain eintragen. So kann sich jeder in seinem eigenen Tempo in diese neue Welt hineinbegeben. 

Carsten Lambrecht: Ein wichtiger Punkt ist immer die Frage: Was bekommen die Kunden eigentlich? Die Blockchain betrachten wir hierbei als ein Vehikel, es geht nicht in erster Linie um ein NFT sondern um ein „Digitales Original“ welches bei uns auch in einem ganz klassischen Checkout zu bekommen ist.  

Die Web3-Technologie ist sehr disruptiv und wird von den Zielgruppen noch nicht so schnell adaptiert.

Carsten Lambrecht

Welche zukünftigen Anwendungen seht ihr für Creatokia hinsichtlich Künstlicher Intelligenz?

Carsten Lambrecht: Vor der aktuellen Entwicklung verschließen wir nicht die Augen. Von Anfang an haben wir im Bereich Illustration mit KI gearbeitet und haben nach Möglichkeiten gesucht, so Content aufzuwerten. Wir probieren gerade weitere Tools aus. Besonders im Bereich Audioversionen denken wir Inhalte weiter. Beispielsweise haben wir die aktuelle Veröffentlichung von James Kahn um eine wirklich gute KI-Audio-Buch-Version ergänzt, bei der echter Mehrwert entsteht. Man kann die digitale Sonderausgabe hören und parallel mitlesen. So ist die KI ein Teil unseres Mottos „Next Level Storytelling“ und kann als Werkzeug in Produktion und Distribution dienen.

Creatokia hat die aktuelle Veröffentlichung von James Kahn um eine KI-Audio-Buch-Version ergänzt.
Creatokia hat die aktuelle Veröffentlichung von James Kahn um eine KI-Audio-Buch-Version ergänzt. | Bild: Creatokia.com
Eric Bartoletti von Creatokia

Eric Bartoletti: Im Audio-Bereich haben wir bei Bookwire umfassende Erfahrungen, besonders im Bereich Text-to-Speech Anwendungen. Aber auch die Erstellung von Texten durch KI-Tools ist denkbar. Nicht um den Autor zu ersetzen, sondern um die Möglichkeit zu bieten, die Community stärker miteinzubeziehen. So könnte etwa die Entwicklung von Fan-Fiction zu einem bestimmten Titel durch KI-Tools, die von Creatokia bereitgestellt werden, unterstützt werden. Wir sehen AI als großes Potenzial-Thema für Creatokia, befinden uns aber noch in einer Such- und Findungsphase. Man kann am Ende des Tages nicht alles gleichzeitig machen und die Gefahr ist groß, sich in den unendlichen Möglichkeiten, die das Thema bietet, zu verlieren. Wir wollen es richtig machen und nehmen uns die Zeit, herauszufinden, welches Anwendungsgebiet den größten Mehrwert für die Nutzer von Creatokia bringt.

Was war für euch die größte Überraschung seit eurem Start mit Creatokia?

Carsten Lambrecht: Die Zeitintervalle, mit dem Nutzer neue Technologien adaptiert haben, wurden in letzter Zeit eigentlich immer kürzer. Wenn wir etwa an die Durchsetzung des Smartphones und des Internets denken, den Sprung vom Web1, ins Web2 und die Sozialen Medien. Beim Web3 hatte ich mir das eigentlich ähnlich vorgestellt. Die Technologie ist sehr disruptiv und wird von den Zielgruppen noch nicht so schnell adaptiert. Das Zeitintervall ist viel größer, als ich dachte. Sicherlich sind Fragen bei den technologischen Hürden noch nicht perfekt beantwortet. Ich finde, in der Hinsicht kann man sich immer bei der Firma Apple etwas abschauen. Die sprechen nie über die Technologie an sich, sondern zeigen, was man mit ihr macht. Auf ähnliche Weise wollen wir zeigen, wie Web3-Technologien wirklich einfach genutzt werden können.      

Eric Bartoletti: Was mich am meisten überrascht hat, ist, wie komplex das ganze rechtliche Thema ist. Da sind wir auf dermaßen viele Hürden gestoßen. Auch auf sich widersprechende Regularien und unklare Sachverhalte. Auf Anwälte, die sich untereinander nicht einig waren, wie was zu verstehen und zu regeln ist. Das habe ich stark unterschätzt. Es hat uns viel Zeit und auch einiges an Geld gekostet.      

Wohin wollt ihr weiter mit Creatokia?

Eric Bartoletti: Wir arbeiten permanent weiter daran, die Plattform noch einfacher und zugänglicher zu gestalten. Es wird in nächster Zeit darum gehen, weitere Funktionen in die Plattform einzubauen, die das Angebot für Verlage noch attraktiver machen. Uns ist wichtig, dass potenzielle Kunden unser Angebot als Teil einer möglichen Marketingstrategie begreifen. Wir haben noch einiges auf der Roadmap, was zusätzliche Funktionalitäten angeht.      

Carsten Lambrecht: Darüber hinaus wollen wir unser wirklich umfangreiches Feature Set aus Web3-Anwendungen und Web2-Nutzererlebnis mit der Kombination klassischer Online-Marketing-Aktivitäten bis hin zur Marketing Automation in Verbindung mit der Blockchain weiter standardisieren und prüfen, in welchen anderen Bereichen diese Toolchain noch eingesetzt werden kann. Hierbei sind wir völlig offen, ob es um Musik, Fan-Services oder gar um B2B Lösungen geht. Wir haben in den letzten beiden Jahren viel dazu gelernt.

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