José Redondo-Vega: „Das Thema Print ist wertiger denn je“
Von Ann-Cathrin Schürholz, 12. Februar 2024
José Redondo-Vega ist Gründer der Münchner Agentur TAOS – the art of storytelling und steht als Kopf und Macher hinter Zeitungsbeilagen wie dem Stuttgarter Zeitung Magazin, Triple A und Lifetime. Keine leichte Aufgabe in Zeiten von Kostenexplosion, Erlösverfall und KI im Printbereich. Wie gelingt es, dass Printmedien heute und morgen relevant bleiben?
José, kannst du uns kurz erzählen, was eure Agentur TAOS auszeichnet?
José Redondo-Vega: TAOS zeichnet sich dadurch aus, für bestimmte Zielgruppen und Marken die passenden Geschichten zu finden und umzusetzen. Um individuelle Kommunikationsstrategien zu entwickeln, orientieren wir uns nicht nur an Print oder Digital, sondern gehen von den Bedürfnissen dieser Zielgruppen und Marken aus. Das können Magazine, digitale Plattformen oder eine individuelle Beratung des CEOs sein, aber auch Social-Media-Strategien oder Events.
Immer wieder hört man „Print ist tot“ – stimmt das?
José: Print ist überhaupt nicht tot, im Gegenteil. Leider hat unsere Branche in den letzten Jahren sehr viel dafür getan, es tot zu reden. Bei vielen Verlagen herrscht immer noch „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“, wenn es um das Thema Digital im Printbereich geht, anstatt zu sehen, was Print leisten kann. Es wurde viel auf Digital gesetzt, was prinzipiell völlig richtig ist. Aber auf der Erlösseite ist es immer noch so, dass Printmarken die größeren Umsätze bringen. Digitale Abonnements werden teilweise so verschleudert, dass sie im Grunde nichts anderes sind als gut orchestrierte Marketingmaßnahmen. Gut, um Leser mobil abzuholen und an sich zu binden, aber noch lange kein Ersatz für ein Printprodukt mit Werbe- und Vertriebsumsätzen, auch, wenn diese rückläufig sind. Wenn eine Zeitung oder Magazin die Wirbelsäule einer Printmarke ist, dann könnte man daraus immer noch viel entwickeln.
Warum ist Print immer noch relevant?
José: Das Thema Print ist wertiger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der wir mit vielen unterschiedlichen Informationen konfrontiert werden, die sich teilweise schwer einordnen lassen. Dazu die immer knapper werdenden Zeitressourcen. Wenn wir uns also für Print entscheiden, geschieht das im Bewusstsein, uns Zeit nehmen zu wollen für Inhalte, die uns interessieren. Wir wollen uns etwas Gutes tun, was auch bedeutet: Der Leser darf auf keiner Ebene enttäuscht werden.
Wenn wir uns für Print entscheiden, geschieht das im Bewusstsein, uns Zeit nehmen zu wollen für Inhalte, die uns interessieren.
José Redondo-Vega, TAOS
Die geringe Aufmerksamkeitsspanne ist eine Herausforderung. Wie kann Print trotzdem Leser:innen binden?
José: Wir greifen zu Print, weil es unseren Lebensumständen entspricht und weil wir informiert oder unterhalten werden wollen. Das Produkt muss daher in den ersten Sekunden überzeugen, das beginnt schon bei der Haptik, sonst ist man raus. Es sollte so hochwertig wie möglich konzipiert sein. Damit ist nicht Hochglanz als Selbstzweck gemeint, sondern die gute Idee, die relevanten Inhalte, die wertige Grafik und Fotosprache. Das animiert dazu, sich mehrfach mit dem Produkt auseinanderzusetzen und sich abgeholt zu fühlen.
Wie siehst du die zukünftige Rolle von Print angesichts der wachsenden Bedeutung digitaler Plattformen?
José: Print wird im Massenmarkt immer weiter abnehmen. Denn auf der Informationsebene haben die digitalen Kanäle starke Vorteile. Da kann man mit Print nur hinterherhinken. Umso wichtiger: Die Rolle von Print muss eine qualitativ hochwertigere werden. Und sie muss sich stärker in die Richtung entwickeln, Lesergruppen und Zielgruppen genauer zu definieren und einen echten Mehrwert zu bieten. Ich glaube, da ist noch wirklich viel zu holen.
Kannst du Beispiele für erfolgreiche Printprojekte nennen?
José: Auf jeden Fall die ZEIT. Sie hat ihr Kernprodukt kontinuierlich gestärkt – mit gutem Personal, guten Kolumnisten und mit sehr guten Geschichten. Sie hat inhaltliche Debatten vorangetrieben mit einem Chefredakteur, der mittlerweile seit Jahren ein kongeniales Duo mit seinem Geschäftsführer Rainer Esser bildet. Auch das hat ZEIT online sehr erfolgreich gemacht, auch inhaltlich. Zudem schafft es das ZEITmagazin sich immer wieder zu erneuern. Es sind neue Podcasts und Ressorts dazugekommen, auch im Event-Bereich ist die ZEIT erfolgreich, mit unzähligen Veranstaltungen im Jahr. Dieses ständige Nachjustieren ist wirklich bemerkenswert. So wird aus einer inhaltlichen Relevanz auch eine Vermarktungsrelevanz, die sich in den Erlösen auf unterschiedlichen Kanälen niederschlägt.
Die Veranstaltung „Media Insights“ beleuchtet die Notwendigkeit einer „Ambidextrie“, also dem Spagat zwischen Pflege des Vorhandenen und dem Investment in Zukunftsfähiges. Wie können Verlage diesen Balanceakt erfolgreich meistern?
José: Das hängt von ihrer Historie und ihrem Mut ab. Man sieht, dass trotz geringerer Rendite immer noch gut Geld verdient wird und der Innovationswille deswegen gebremst wird. Viele treiben die Digitalisierung voran, vernachlässigen aber das Kerngeschäft Print. Wer diesen Weg weiter verfolgt, wird letztendlich bestraft werden. Viele Beispiele zeigen, dass nur mit Kosteneinsparungen – weniger Personal und Struktur – der Erosion entgegengewirkt wird, aber nur zu Sparen ist noch keine Strategie. Die entscheidende Frage lautet: Was braucht meine Zielgruppe? Und welche Inhalte und Printprodukte muss ich auf welchen Kanälen anbieten?
Welchen Rat würdest du Verlagen geben, die sich inmitten diesem Umbruch befinden?
José: Es geht darum, etwas Eigenes zu schaffen und daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln bzw. Bestehendes zu ergänzen und zu erweitern. Nur die eigenen Inhalte hat man in der Hand und kann sie steuern. Grundlage dafür bleibt immer noch eine inhaltliche und journalistische Relevanz.
Ebenfalls wichtig: Im Dialog mit Lesern und Zielgruppen zu bleiben, rauszugehen, am Puls der Zeit zu sein. Und dabei sein Team motivieren, klare Zuständigkeiten und eine transparente Infrastruktur schaffen. Und natürlich geleistete Arbeit wertschätzen.
Printmarken müssen relevant und zugänglich sein, nur so werden sie auch wirtschaftlich Erfolg haben.
José Redondo-Vega
Wie können Verlage effektiv mit ihrem Publikum interagieren und welche Rolle spielen digitale Medien und soziale Plattformen dabei?
José: Printmarken müssen relevant und zugänglich sein, nur so werden sie auch wirtschaftlich Erfolg haben. Das bedeutet einen permanenten Dialog auf allen Ebenen. Diese „Community“-Pflege beginnt bei den klassischen Leserbriefen, setzt sich fort in Interaktion auf den eigenen Online- und Social-Media-Kanälen und mündet in einem breiten Angebot an Events, wie etwa Podiumsdiskussionen, Workshops oder Messen. Es ist dabei für Vermarkter wie für Journalisten extrem wichtig, sich auch außerhalb der eigenen Blase zu bewegen, um die richtigen Themen zu finden.
Den eigenen Social-Media-Kanälen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil sie originäre Ansätze finden müssen, eine eigene Stimme, die User anzieht und vor allem hält. Für jüngere Zielgruppen ist das eventuell der erste Kontakt zur Printmarke, hier geht es also um potentielle Print- oder Online-Leser. Das erfordert eine eigene Logistik, gute Redakteure, was nicht selten mit dem Hinweis auf Personalknappheit abmoderiert wird. Dabei kann Social Media auch eine dankbare Spielweise sein, um ambulant unterschiedliche Formate zu testen.
Denn egal, von welchem Kanal die Rede ist: Die wichtigste Anforderung wird bleiben – Was ist die beste Geschichte und wie erreiche ich damit meine Leser/User?
Print lebt – nur anders!
Bei unserem einstündigen Digital-Event „Media Insights“ am 22. Februar ist José Redondo-Vega als Speaker dabei. Gemeinsam mit Stephanie Neureuter, Premium Quarterly GmbH, und unserer Vernetzerin Petra Schwegler wird er sich zu innovativen Printprojekten austauschen.