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„Globale Plattformen sind überflutet mit Content“

Von Katrin Reichwald

Tim Schmitz ist COO der hyperlokalen App Jodel und hält die Keynote auf der diesjährigen Local Web Conference. Dort spricht er unter anderem über das Erfolgsgeheimnis von Jodel und verrät, warum Lokalität gerade in einer globalisierten Welt immer mehr Relevanz gewinnt. Für das MedienNetzwerk Bayern hat er bereits im Vorfeld ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert.

Tim, wie erklärst du dir den Erfolg von Jodel?

Tim Schmitz: Die Lokalität ist der Kernpunkt unserer App. Jodel ist die einzige Plattform, die einen Austausch mit Gleichgesinnten in der Umgebung ermöglicht. Das ist ein riesiger Mehrwert, den keine andere Plattform bietet.

Wir glauben, dass es drei relevante Kommunikationsebenen für jeden Menschen gibt: Mit Freunden, mit der Welt und mit der Umgebung. Das Internet hat die Kommunikation mit der ganzen Welt erst ermöglicht – zu Lasten der Interaktion mit der direkten Umgebung. Heutzutage weiß ich, was meine Freunde gerade in Bali machen und ob Trump einen seiner Berater entlassen hat, aber oft nicht, dass meine Lieblingsband am Abend um die Ecke spielt. Diese Ebene der Kommunikation ermöglicht Jodel. Für Studenten in Europa kriegen wir das schon gut hin, in Zukunft wollen wir es aber auch global und für jeden anbieten.

Einfachen und direkten Austausch fördern

Anonymität und lokale Inhalte – was war der Gedanke hinter der Idee? 

Schmitz: Ich mag die Formulierung der „anonymen“ Plattform nicht besonders. Im Endeffekt ist man auf Jodel genauso anonym wie auch in anderen sozialen Netzwerken. Man ist nämlich nicht anonym. Natürlich könnte man mithilfe der IP-Adresse ausfindig machen, wer der Jodler ist. Der große Unterschied ist, dass es keine öffentlichen Profile gibt.

Während viele soziale Netzwerke eine Cocktail-Party darstellen, möchten wir einen echten und relevanten Austausch fördern. Das ist vergleichbar mit dem Format der verschwindenden Bilder bei Snapchat. Anfangs meinte jeder, das diene nur dazu, Nacktbilder auszutauschen, im Endeffekt ermöglicht es aber eine viel offenere, unkompliziertere und direktere Kommunikation zwischen Nutzern als andere Plattformen.

Wie finanziert sich Jodel?

Schmitz: Wir sind derzeit von externen Investoren finanziert, die an unsere Idee glauben. Vor kurzem haben wir erste Werbeformate integriert, um zumindest einen Teil unserer Kosten zu decken. Wir werden in naher Zukunft vermutlich noch mit dem ein oder anderen Format herumspielen. Vor allem hyperlokale Werbung bietet sich als Format an. Hauptfokus ist aber immer noch die Weiterentwicklung unseres Produktes, um noch mehr Nutzer zu erreichen.

„Lokale Anbieter müssen zusätzlich viel investieren“

Worauf kommt es beim digitalen Lokaljournalismus der Zukunft an und was können Medienhäuser von Jodel lernen?

Schmitz: Schwierige Frage. Wir haben nicht den Anspruch, mit Lokaljournalismus zu konkurrieren, sondern sehen uns eher als Ergänzung, die wegen der großen lokalen Reichweite auch vom Lokaljournalismus genutzt werden kann.

Ich könnte mir vorstellen, dass eine der größten Herausforderungen des Lokaljournalismus derzeit die Reichweite ist – vor allem in Bezug auf junge Leute. Radio höre ich nur im Auto, lokale Zeitungen sehe ich nur, wenn ich sie am Bahnhof in die Hand gedrückt kriege oder meine Eltern ein Abo haben. Und ich habe genug Apps auf meinem Handy, würde also keine weitere App meiner lokalen Lieblingszeitung installieren.

Globale Plattformen sind überflutet mit Content und hier konkurriert die Lokalzeitung mit sämtlichen Formaten im Newsfeed. Lokale Anbieter müssen zusätzlich erst einmal viel investieren, um überhaupt ein paar Follower zu bekommen. Ich glaube, da können sie am meisten von uns lernen. Auch für den Lokaljournalismus ist es wichtig, mehr Innovation in Kanäle mit Reichweite zu stecken, besonders um junge Leute zu erreichen.

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Mehr von Tim Schmitz können Sie am 4. Juli auf der Local Web Conference im Rahmen der Lokalrundfunktage hören.

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