
Maschine statt Mensch? Wie beeinflusst KI die Audiobranche?
von Manon Harenberg, 21.09.2023
Schon mehrfach wurde das Radio für tot erklärt, doch immer wieder zeigt sich: Radio ist und bleibt zukunftsfähig, denn es probiert sich an neuen Technologien – erste Sender nutzen bereits Künstliche Intelligenz für ihr Programm. Wohin die Reise geht, ist noch unklar. Sicher ist aber: Das Radio, wie wir es kennen, wird sich in Zukunft nachhaltig verändern.
Nachdem das US-Unternehmen Futuri mit RadioGPT vor einigen Monaten das erste vollautomatisierte KI-Radioprogramm vorgestellt hat, ziehen auch deutsche Anbieter nach. Im Juli 2023 machte Antenne Deutschland den Anfang mit dem ersten ausschließlich KI-moderierten deutschen Radio-Stream „Absolut Radio AI“. Die Technologie dafür liefert der Anbieter Radio.Cloud. Seither experimentieren immer mehr Sender mit Künstlicher Intelligenz, darunter SWR3 und bigFM.
In unserem Media Insights „Synthetisch, praktisch, gut? Wie KI die Audio-Branche prägt“ sprach Lukas Schöne, Audio-Experte beim MedienNetzwerk Bayern, mit Tina Zacher, Programmdirektorin bei Antenne Deutschland, und Christian Brenner, Geschäftsführer von Radio.Cloud, über die neuesten Entwicklungen im Audio-Bereich. Dazu wurden Best Cases und Learnings aus der Praxis vorgestellt. Im Mittelpunkt stand die Frage: Ist Künstliche Intelligenz eine Bedrohung oder Chance? Schaffen sich Menschen, die in der Audio-Branche arbeiten, gerade selbst ab?
Radiosender werden jetzt künstlich
„Wir haben uns nicht gefragt, ob wir einen vollautomatisierten Sender wollen oder nicht – für uns war nur eines wichtig: Wie kriegen wir den Sender so schnell wie möglich umgesetzt?“, sagt Programmdirektorin Tina Zacher, zuständig für digitale Entwicklungen bei Antenne Deutschland. Anfang des Jahres sei die Idee entstanden, von da an ging es dann ganz schnell. Seit Juli 2023 steht der erste vollautomatisierte KI-Radiosender Deutschlands: der ausschließlich AI moderierte Stream „Absolut Radio AI“ der Sendergruppe Absolut Radio.
Wir behandeln kAI wie einen echten Kollegen, nicht wie eine Künstliche Intelligenz
Tina Zacher, Programmdirektorin bei Antenne Deutschland
KI-Software übernimmt Moderatorenjob
Der Moderator: „kAI“ – eine Künstliche Intelligenz, der die Hörer:innen nicht nur mit dem ein oder anderen Scherz durch die Sendung führt, wie Zacher berichtet. Außerdem klärt kAI auf, wie vielseitig eine AI eingesetzt werden kann, wie sie funktioniert und wo ihre Grenzen sind. „Wir behandeln kAI wie einen echten Kollegen, nicht wie eine künstliche Intelligenz“, sagt Zacher. Den ein oder anderen Fehler mache er zwar noch, kAI werde aber stetig optimiert und lerne immer mehr Fähigkeiten. Nur noch selten müsse in seine Arbeit eingegriffen werden – dennoch werde er noch zur Sicherheit überwacht. „Und wenn ihm doch mal ein Fehler unterläuft, haben wir eine AI-Task Force im Haus“, sagt Zacher. Die KI-Beauftragten stehen dabei im stetigen Austausch mit den Kolleg:innen des technischen Dienstleisters Radio.Cloud. Ziel sei, „dass die Sendung vollautomatisiert läuft, ohne dass jemand korrigieren muss“, sagt Christian Brenner von Radio.Cloud.

Doch was genau steckt hinter „kAI“ und befähigt ihn zu seinem Moderatorenjob? Dafür gab Christian Brenner dem Publikum einen technischen Einblick in das System von Radio.Cloud. Die KI trifft die Musikauswahl, spricht Nachrichten aus dem dpa-Newskanal ein und erinnert dabei immer wieder daran, dass es sich um einen KI-Sender handelt, denn das kann schnell in Vergessenheit geraten. Obwohl kAI künstlich ist, kann er beispielsweise von seinen „Erlebnissen“ vom Wochenende berichten. Schon Tage vor Ausstrahlung werden die Moderationen von der KI verfasst – nur das Wetter und die aktuellen Charts werden kurzfristig angepasst. Alles vollautomatisiert versteht sich. Damit das alles funktionieren kann und kAI möglichst menschlich klingt, hat das Team von Radio.Cloud vor Start des Radiosenders knapp 4.000 Prompts geschrieben – und passt sie stetig an.
Diese Prompts sagen der KI, was sie tun soll. Oberste Prämisse: Ein Radioprogramm zu schaffen, das dem ähnelt, das ein Mensch konzipieren würde. „Ganz so kann es die KI aber nicht und wird es nicht können, dafür fehlt schlichtweg die menschliche Kreativität“, sagt Christian Brenner. Trotzdem sei eine „echt ganz ordentliche Sendung“ dabei rumgekommen. Und fällt ein Moderator bei einem anderen Sender von Antenne Deutschland mal aus, ist die KI auch schon kurzfristig eingesprungen – auf kAI ist nun mal Verlass.

KI-Tools können im Audio-Bereich unterstützen
Welchen Platz wird KI also im Audiobereich einnehmen? Eine Frage in die Runde ergibt: 70 Prozent des Publikums sind der Auffassung, KI werde sich zukünftig als eine große Unterstützung im Audio-Bereich etablieren, indem sie Arbeit abnimmt und Zeit für tiefere Recherche ermöglicht. 19 Prozent sind sogar der Meinung, dass Vollautomatisierung der Weg der Zukunft sein wird. Dennoch: Elf Prozent der Teilnehmer:innen setzen nach wie vor rein auf menschliche Mitarbeiter:innen.

Lukas Schöne vom MedienNetzwerk Bayern hat sich durch diverse KI-Tools probiert – einige haben ihn überzeugt. Dabei rät er dem Publikum zu einer Kombination aus verschiedenen Modellen als den „gewinnbringenden Weg“:
- Transkription mit „AudioIndex“: Audios und Videos verschriftlicht das Tool innerhalb von Minuten. Das dauert sonst Stunden.
- Transkription mit „SwellAI“: Das Tool transkribiert Audiodateien und kann dabei die verschiedenen Sprechstimmen separieren. Ein großer Vorteil: Die KI könne trainiert werden und dadurch passgenaue Ergebnisse ausspucken, sagt Lukas Schöne.
- Sprachsynthese mit „ElevenLabs“: Der KI-Sprachgenerator für Text-to-Speech (TTS) bietet das Klonen der eigenen Stimme an. „Beeindruckend realistisch“ bewertet Lukas Schöne das Ergebnis.
- Radiospots mit „Radio Ad Maker“: Die Plattform textet und produziert mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz neue Werbespots – die Werbebotschaft vermittelt eine synthetische Stimme.
Wir müssen jetzt unser Alleinstellungsmerkmal finden: Wie machen wir uns unersetzbar?
Tina Zacher, Programmdirektorin bei Antenne Deutschland
Tina Zacher ist sich sicher, dass KI in Zukunft eine immer größere Rolle für die Radiobranche einnehmen wird. „KI ist der Weg ist, wo die Reise hingeht. Wir müssen uns schnellstmöglich darauf einstellen, um zukunftsfähig zu bleiben“, rät sie. Einige Fragen bleiben offen: Hören wir bald nur noch synthetische Stimmen im Radio, die automatisiert recherchierte und geschriebene Moderationen vorlesen, umrahmt von einem von der KI kuratierten Musikprogramm? Oder wird das Menschliche, Unmittelbare und Spontane – seit jeher das Alleinstellungsmerkmal von Radio – bleiben? Wie vereinen wir die beiden Welten miteinander und schaffen einen Mehrwert für das Publikum? Tina Zacher hat eine klare Botschaft: „Die Branche hat Angst vor KI, weil sie Menschen sehr einfach ersetzen kann. Und genau das ist der Anstoß. Wir müssen jetzt unser Alleinstellungsmerkmal finden: Wie machen wir uns unersetzbar?“
Dieses Media Insights war Teil eines Themendoppels zum Thema Künstliche Intelligenz. Bei der ersten Veranstaltung zu „Prompt Design – Sprechen mit der Maschine, aber wie?“ gab KI-Experte Jim Sengl vom MedienNetzwerk Bayern dem Publikum hilfreiche Tipps an die Hand, mit denen der Einstieg in die Welt des Prompt Designs gelingt. Hier findest du eine Zusammenfassung mit allen hilfreichen Tipps.