
FAST-Markt: Live TV on Stream
von Lisa Pandtle
Das erste physische Media Date nach rund zweieinhalb Jahren zeigt die Stärken von Präsenz-Events: Jede Menge Insights, Kontakte knüpfen, Projekte anstoßen – zu einem Thema, das eigentlich gar kein Trend mehr ist. Free-Ad-Supported Streaming TV ist mitten im Markt angekommen. Die werbefinanzierten, linearen „Spartensender“, die über Digital-Plattformen ausgespielt werden, sind in Deutschland bei Publikum und Werbewirtschaft bereits sehr beliebt.
„Zugang zu tausenden Sendungen, völlig kostenlos, jederzeit überall, ohne Abo oder Anmeldung – das ist der Sinn und Zweck von Free-Ad-Supported Streaming TV“, fasst Benedikt Frey zusammen. Der Country Lead DACH bei Samsung TV Plus ist einer der Speaker unseres Media Dates. Free-Ad-Supported Streaming TV, kurz FAST, macht sich in Europa breit. Die Plattformanbieter sind dabei bekannte Größen: Pluto.tv, Amazon Fire TV, Roku, Samsung TV Plus, waipu.tv und viele mehr. Darüber streamen hunderte FAST-Channels verschiedenster Anbieter – doch der Begriff „FAST“ ist bisher nur wenigen bekannt.
Samsung TV Plus ist einer der größten Anbieter auf dem expansiven Markt. Aus mehr als 100 unterschiedlichen Kanälen können Nutzer:innen ihr Programm auswählen. Die Kehrseite fürs Inhalte-verwöhnte Publikum: Die durchschnittliche Zeit, die sie mit der Auswahl von Content verbringen, lag laut Frey 2019 noch bei sieben, 2020 bereits bei neun Minuten. 2022 dürfte die so genannte Search Time noch höher ausfallen. Die Folge: „Die Leute haben keine Lust mehr zu suchen“, so Benedikt Frey. Noch eine weitere Entwicklung treibt User:innen heraus aus dem Subscription-Überangebot: Mehr und mehr Konsument:innen empfinden Streaming-Abos als zu teuer und wenden sich daher werbegestützten Services zu. Die Werbung folgt dem Publikum: „Samsung TV Plus bietet Werbetreibenden inkrementelle Reichweiten, die sie über klassisches Fernsehen nicht mehr so bekommen.“ Für das eigene Angebot gibt Frey folgende Zahlen aus: In Deutschland gibt es bereits zehn Millionen TV-Plus-fähige Empfangsgeräte, drei Millionen davon werden regelmäßig genutzt. „Ausbaufähig“, betont der Samsung-Manager.

FAST-Channels als Erlebniswelt
Für Inhalte-Anbieter ein Eldorado. Zu ihnen zählt Motorvision TV. Raimund Köhler sieht viel Potenzial: „Die Bruttoerlöse im europäischen Markt zeigen eine rasante Steigerung in den letzten zwei Jahren“, so der CEO der Motorvision Group. Seit 30 Jahren produziert das Unternehmen Inhalte rund um Automotive-Themen. Die FAST-Channels der Marke teilen sich auf in „Motorvision TV“ (mit Inhalten in verschiedenen Sprachen, um passenden Content in unterschiedlichen Ländern auszuspielen), „More than Sports“ (MMA, Rugby, Esports etc.) und „Motorvision Classic“ mit Oldtimer-Inhalten. 2021 erreichte die Marke Motorvision im digitalen Bewegtbildumfeld 97 Millionen Ad Impressions.
Goldbach Germany, Vermarkter für eben diese digitalen Bewegtbild-Umfelder in der DACH-Region, bündelt viele Ausprägungen des Begriffs – im Bereich TV (Special Interest), mit Online Video, Advanced TV und Digital-Out-Of-Home (DOOH). Für Mario Neumann, Unit Director Advanced TV, ist Bewegtbild ganz klar „King of Medienkonsum“. Das klassisch lineare Fernsehen sei nicht mehr der einzige Punkt, worüber eine Vielfalt an Special-Interest-Programmen abgerufen werden könne, erklärt der Sales-Spezialist. Connected TV (CTV), also das Fernseherlebnis über vernetzte Geräte, wird in seiner Darstellung zu einer Erlebniswelt. Neumann: „Es geht nicht mehr um lineares Zapping.“ Für ihn existieren drei Treiber, die die Relevanz von Advanced TV beziehungsweise CTV verstärkt haben: das veränderte Mediennutzungsverhalten, eine höhere Verbreitung und die Beliebtheit von Special-Interest-Inhalten sowie die datengetriebene Werbeaussteuerung.
Neumann verweist dabei auf eine hauseigene Studie. Demnach ist CTV besonders bei den 30- bis 49-Jährigen bekannt. „FAST ist im Markt angekommen, über drei Viertel der 16- bis 49-Jährigen nutzen Connected TV“, erläutert der Golbach-Manager. Auch die Nutzungsdauer sei laut Studie enorm gestiegen: Unter den 16 bis 29-Jährigen liegt sie bei drei Stunden – und ist damit höher als die Zeit, die diese Zielgruppe mit knapp zweieinhalb Stunden vor dem linearen Fernsehen verbringt.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Advanced-TV-Studie auf einen Blick:
- Fast und CTV sind keine Phänomene des Lockdowns.
Es gab schon zuvor stetiges Wachstum mit immer mehr Plattformen und Inhalten. - ATV (Advanced TV) ist Nutzer-getrieben:
Nutzer:innen schätzen die Vielfalt und Flexibilität des Angebots. - Werbung via CTV wirkt und aktiviert:
Menschen erinnern sich daran, informieren sich über Marken und kaufen diese auch. - Durch ATV werden TV-Geräte zur individuellen Erlebnisplattform.
Warum kommt FAST bei Publikum und Werbewirtschaft so gut an? Für Neumann liegt der rege Zuwachs an den User-zentrierten Plattformen: „Einzigartige Content-Umgebungen sprechen mit kuratieren Inhalten verschiedener Genres jede Zielgruppe präzise an.“
Was FAST noch fehlt
Die anschließende Diskussion zeigt: In der Benennung des Phänomens, der Bekanntheit sowie der transparenten Messung und Auswertung gibt es noch einiges zu tun.
Dass FAST als Thema und Begriff bei höherer Nutzung immer häufiger fallen wird, da ist sich Samsung-Vertreter Frey sicher. „Unser Problem in Deutschland ist eher, dass wir das so genannte Cord-Cutting-Phänomen hier nicht so haben wie in den USA, wo der FAST-Markt schon viel früher und stärker prosperiert hat.“ Cord Cutting bedeutet, dass Haushalte ihr TV-Signal nicht mehr über die klassischen Verbreitungswege wie das Kabel beziehen.

Aus Sicht des Motorvision-CEOs Köhler gibt es hierzulande außerdem noch zu wenige Anbieter, die das Thema nach vorne treiben. Daneben haben Zuschauende enorm viel Auswahl im etablierten TV-Markt: „Es gibt so viele kostenfreie lineare TV-Inhalte. Daher liegt das FAST-Angebot noch deutlich hinter Amerika, wo es noch einmal ganz andere Nutzungszahlen und eine höhere Anzahl an Kanälen gibt.“ FAST werde in Deutschland langsamer wachsen als in den USA, prognostiziert der TV-Anbieter.“ Für Köhler stellt zudem die Auffindbarkeit ein Problem dar: „Viele Leute verstehen nicht, wo es FAST-Channels gibt.“
Für Mario Neumann liegt das unter anderem am Problem der Begrifflichkeiten, wie das eigene Angebot mit ATV, Online Video und Co. zeigt: „Es gibt unterschiedliche Standards in der Benamung. Die Reichweite ist eigentlich da.“ Gerade der Werbemarkt brauche Analogien, die aus der Online-Logik gelernt seien und verstanden würden.
Free-Ad-Supported Streaming TV und das Problem der Messbarkeit
Köhler kritisiert die Transparenz der Zahlen – Zielgruppe, Reichweite, Nutzungsdauer und Co.: Von 31 Partnern, bei denen Motorvision platziert sei, erhalte er 31 verschiedene Zahlen. Auch Benedikt Frey führt das Problem der fehlenden einheitlichen Währung auf.
„Wir haben eine einheitliche Währung, die ist TKP-basiert“, widerspricht Goldbach-Vertreter Mario Neumann. Der TKP (Tausend-Kontakt-Preis) gibt an, welcher Geldbetrag bei einer Werbemaßnahme eingesetzt werden muss, um 1000 Personen einer Zielgruppe per Sichtkontakt zu erreichen. Nötig sei viel eher die künftige Standardisierung der wichtigsten Kennzahlen über alle Marktteilnehmer hinweg. Neumann: „FAST ist ein sich neu entwickelnder Markt mit viel Technologie dahinter und nicht immer kompatiblen Schnittstellen – dieses Problem, dass auf der Strecke nicht immer die wichtigsten Parameter übergeben werden, muss gelöst werden.“
Außerdem sei die datengesteuerte Werbe- und Content-Auslieferung sehr wichtig. Eine Plattform vertrage mehr als eine dreistellige Zahl an Programmen. Es komme vielmehr auf die Qualität der Empfehlungen an die User:innen an, ergänzt Neumann. „Die Plattform muss die Interessen der Nutzer:innen besser verstehen. Wir brauchen eine Intelligenz, die es schafft, Inhalte sichtbar zu machen und gute Empfehlungen zu geben.“ In den USA gebe es bereits plattformübergreifende Inhalte, die über eine Metaebene verknüpft werden könnten, berichtet Mario Neumann.
Wann kommt FAST im Mainstream an?
Frey und Neumann sind sich einig: Free-Ad-Supported Streaming TV wird in zwei Jahren so bekannt sein, dass nach dem Begriff FAST nicht mehr gefragt werden muss. Raimund Köhler ist anderer Meinung: „Ich sehe diese Bekanntheit noch lange nicht, schlicht, weil der Begriff wahrscheinlich irgendwann nicht mehr existiert.“
