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Vom Dampfer zum Motorboot: Corona als Digitalisierungstreiber für Medienunternehmen

Von Lisa Pandtle

„Culture eats technology for breakfast” – das war die These von Media Insights – Media Tech. Aber vernascht Unternehmenskultur neue technologische Gegebenheiten wirklich zum Frühstück? Die Quintessenz unseres digital-only Events im Rahmen des Nürnberg Digital Festivals: Während digitale Prozesse aufgrund der Pandemie vergleichsweise schnell implementiert wurden, hinken Unternehmenskultur und Arbeitsorganisation der neuen Realität oft noch hinterher. Petra Winter, Chefredakteurin des Madame Magazins, und Michael Husarek, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, sprachen über die größten Veränderungen seit der Pandemie und stellten ihre Lösungen für die neue Arbeitswelt vor.

Die letzten anderthalb Jahre haben die Welt stark verändert. Lockdown, Homeoffice und die Angst vor dem Covid19-Virus waren omnipräsent. Auch auf die Medienbranche hatte diese Zeit sehr großen Einfluss. Digitale Trends wurden durch die Pandemie stark beschleunigt, wie Robert Richter, Google EMEA Partnerships Solutions Broadcast, bei Media Insights – Media Tech erklärte.

Robert Richter: Diese fünf Bereiche im Medienmarkt haben sich nachhaltig geändert

  • Der Werbemarkt hat sich inzwischen in einer V-shape – einem kräftigem Auf nach ebenso starkem Ab – erholt, was auch den Medienhäusern zugutekommt.
  • Durch den Lockdown verzeichnet vor allem der Streaming-Bereich einen starken Zuwachs – der bestehen bleiben wird: „Streaming ist gekommen, um zu bleiben.“
  • Es gibt viele neue Märkte, die immer stärker wachsen: zum Beispiel Gaming, Connected TV oder der Podcast-Bereich.
  • Im Markt zeigt sich eine starke Konvergenz: Einige Bereiche nähern sich anderen an, Grenzen verschwimmen. So möchte Netflix beispielsweise im Bereich Gaming wachsen.
  • Konsolidierungen haben aufgrund des Wirtschaftseinbruchs stark zugenommen – national wie international. Beispielsweise fusionierten die französischen Privatsender TF1 und M6.

Die größte Herausforderung für Medienunternehmen besteht nun laut Richter in der der Komplexität des Markts und darin, diese erfolgreich zu managen. Das könne nur mit einer angepassten Unternehmenskultur funktionieren, an der die Mitarbeiter:innen teilhaben.

„Es ist eine alte Denke, dass man Mitarbeitende nur kontrollieren kann, wenn man in einem Raum mit ihnen sitzt“, erklärt Richter. „Viele Unternehmen arbeiten komplett remote – und das seit Jahren.“ Ein kluges Zielvereinbarungssystem für alle Kolleg:innen ist bei Google die Lösung.

Hauptsache die Mission des Unternehmens ist klar und verständlich für alle Mitarbeitenden. Dann kann viel besser navigiert werden und auch technologische Entwicklungen werden besser verstanden und abgebildet.

Robert Richter

Die Pandemie – ein digitaler Superpush

Für Petra Winter, Chefredakteurin des Madame Magazins, lagen die Change-Prozesse und Herausforderungen an anderer Stelle. Der größte Einschnitt des Pandemiejahres war der Verkauf von Madame – weg vom Bauer Verlag hin zur Looping Group. Für das Magazin war die Pandemie ein digitaler Superpush: Künftig soll es für Madame in Richtung kommerzieller E-Commerce und Advertising Content gehen.

Wie bei vielen anderen seien die Mediaeinnahmen der Madame durch die Pandemie und den wirtschaftlichen Einbruch gesunken, der Druck wurde größer. Daher entschied sich Winter, eine große Baustelle zu schließen: die Website von Madame. „Das war unsere Form von Disruption. Der Income lohnte sich nicht, daher haben wir unsere Website abgestellt und basteln so lang an einem neuen Modell, bis es erfolgsversprechend ist“, erklärte Winter.

Für Michael Husarek, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, war es eine große Umstellung, als die 180 Mitarbeiter:innen sich plötzlich im Homeoffice wiederfanden – mit positivem Effekt:

Wir waren ein großer, recht unbeweglicher Tanker und jetzt sind wir ein agiles Bötchen.

Michael Husarek

Digital sei die Arbeit bei den Nürnberger Nachrichten zwar schon gewesen, die Digitalisierung musste sich jedoch noch im Kopf einiger Mitarbeiter:innen verankern, so Husarek: „Und wir müssen im digitalen Segment stark sein, sonst sind wir bald weg vom Markt.“

Wie funktioniert Kommunikation – wenn nicht live?

Sich auf alle Mitarbeiter:innen verlassen zu müssen, war ein schwieriger Prozess für den Nürnberger Chefredakteur. Er musste lernen, loszulassen. Kommunikationstools wie Slack haben die Teams jedoch am Leben erhalten. „Ich find das cool so. Wenn die Redakteur:innen draußen sind, erleben sie viel mehr!“ Die Vorfreude auf reale Treffen sei trotzdem groß, allein schon, um Gefühlslagen besser zu erkennen. Im Digitalen einen Eindruck davon zu gewinnen, wie es allen geht, sei vor allem zu Beginn der Pandemie schwergefallen.

Media Insights – Media Tech zum ersten Mal über SaySom

Ein Problem, für das auch Google eine Lösung brauchte. Um in einem guten Austausch mit der Führungsebene zu bleiben, gibt es deshalb jeden Freitag den „TGIF“ – Thank God, it’s Friday – so Richter. Mitarbeiter:innen haben die Möglichkeit, ihre Fragen an die Managementebene zu stellen. Diese werden dann nach oben gevoted und vom CEO der Firma beantwortet.

In einem waren sich die Speaker:innen einig: Im geschäftlichen Umfeld bewirkte Corona auch Positives. Die Pandemie hat vieles beschleunigt, was für Medienhäuser sonst nicht so schnell möglich gewesen wäre, so Husarek. „Und rein ökonomisch gedacht“, ergänzte Winter, „wurden viele Dinge endlich weggefegt, auf denen man sowieso schon zu lange rumgedacht hat.“

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