Print neu denken: Sind Audio und Data die Retter der Verlagswelt?
von Lisa Pandtle
Audioformate und der Umgang mit Daten: Zwei Megatrends, die Print aktuell maßgeblich prägen. Sie ermöglichen Verlagen und Medienhäusern Wege, neue Zielgruppen zu erreichen. Wie Verlagshäuser ihre digitalen Erlöse steigern und somit dem Abwärtstrend der Verkaufszahlen entgegentreten können, stand im Zentrum des Events Media Insights Print.
Eine Studie des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) untersuchte im Februar die Trends der Zeitungsbranche 2022: Neben Paid Content spielen auch die Personalisierung des digitalen Angebots sowie Audio/Podcasts eine große Rolle. Doch wie genau können Audio und Data neue Printerlebnisse schaffen? Erfolgreiche Beispiele lieferten Manfred Sauerer, Projektleiter DRIVE für Personalisierung bei der Mittelbayerischen Zeitung, sowie Johannes Garbarek, Founder des ahearo-Audio-Kiosks.
Medientrends, die die Printbranche revolutionieren
Welche Trends dieses Jahr auf Medienhäuser zukommen, fasste Trendexperte Magnus Gebauer zu Beginn des Events zusammen:
- Data-inspired Storytelling: Datenjournalismus hat durch die letzten beiden Pandemiejahre extrem an Relevanz gewonnen. Erste Lehrstühle wurden bereits an Universitäten eingeführt. Einen Mix aus Informationsdesign und Datenjournalismus zeigt zum Beispiel das Katapult Magazin, das auf vereinfachte und detaillierte Infografiken und Karten setzt. Auch der SZ-Klimamonitor beschreibt den Klimawandel mit Daten und Grafiken. Mehr Beispiele gibt’s bei XPLR: MEDIA in Bavaria.
- NFT Publishing: Die Eigentumsübertragung der digitalen Assets (Non-fungible Tokens) kann auch für die Verlagsbranche interessant werden. Den Einstieg in die Buchwelt in Deutschland macht Creatokia – eine NFT-Plattform für die digitale Buchbranche, auf der Audio- und Textangebote als NFTs versteigert werden.
- Synthetischer Content: Audio oder Bildmaterial werden mithilfe von Künstlicher Intelligenz verändert oder komplett neu erstellt. Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise arbeitet bereits mit Text-to-Speech-Software und das Münchner Startup Varia fokussiert sich auf KI-Research im Journalismus.
- Personalisierte Newsletter: Die Umfrage des BDVZ belegt: 91 Prozent der Befragten planen die Personalisierung ihrer redaktionellen Newsletter, aber erst 34 Prozent haben sie bereits umgesetzt. Das bayerische Startup Focal Analytics arbeitet mit sir prefnews: Integriert in Newsletter-Tools werden aus bestehenden Inhalten individuelle Beitrags-Feeds für alle Newsletter-Abonnent:innen erstellt.
Die nachhaltige Steigerung digitaler Erlöse
Wie Personalisierung erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt Manfred Sauerer. Er ist für die Mittelbayerische Zeitung Projektleiter von DRIVE, der Digital Revenue Initiative. Mit DRIVE wollen die dpa, die Unternehmensberatung SCHICKLER und verschiedene regionale Medienhäuser – darunter der Mittelbayerische Verlag in Regensburg – die Einführung des Angebots personalisierter Inhalte deutlich beschleunigen. Das strategische Ziel legte die Mittelbayerische laut Sauerer bereits vor vier Jahren fest: die schnelle, nachhaltige Steigerung digitaler Erlöse. „Dafür mussten wir Inhalte datengestützt optimieren und sie personalisiert ausspielen“, so der DRIVE-Projektleiter. Das Problem: Einzelne Verlage erreichen die kritische Datenmenge nicht, daher musste ein verlagsübergreifender Datenpool entwickelt werden.
Im Printgeschäft ist es kaum mehr möglich, Erlöse zu steigern – daher muss man Qualitätsjournalismus und Technologie eng verzahnen.
Manfred Sauerer
Eine seiner wichtigsten Erkenntnisse: Leser:innen werden erst zu loyalen, zahlenden Kund:innen, wenn sie genug Zeit mit den journalistischen Inhalten verbracht haben. „Bei zehn Minuten mehr Media Time die Woche gibt es eine 130-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Abonnement kommt“, so Sauerer. Konzentrieren müsse man sich hierbei auf die fünf Prozent User:innen, die längere Zeit auf den Seiten verbringen, nicht auf die anderen 95 Prozent, deren Verweildauer bei unter zehn Minuten liegt.
Digital-Abonnements steigen
Da Print-Abonnements sinken, die Zahl der digitalen Abonnent:innen jedoch steigt, funktioniere das DRIVE-Projekt sehr gut: Die zahlenden Web-Abonnent:innen (ausschließlich Website) der Mittelbayerischen haben sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht. Sauerer hob vier technologische Voraussetzungen für die Steigerung digitaler Erlöse hervor:
- ein CMS – also ein funktionierendes Redaktionssystem
- ein Datenanalysetool
- Marketing Automation – von nahtloser Datenintegration über personalisierte Inhalte bis hin zu kanalübergreifender Ausführung
- Künstliche Intelligenz – für die Algorithmen-Erarbeitung
Aktuell arbeiten 14 deutsche Regionalverlage an dem gemeinsamen Ziel der einfachen und schnellen Personalisierung von Inhalten. Tendenz: steigend.
Der Audiomarkt wächst weiter
Das Interesse für Audio ist kein neues Phänomen, sondern reicht zurück bis 1959, so Johannes Garbarek, Gründer von ahearo, bei Media Insights Print. Neu allerdings ist das Konzept von ahearo: Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der erste digitale Audio-Kiosk, mit dem sich Nutzer:innen ausgewählte Artikel aus Zeitschriften, Magazinen und Online-Redaktionen anhören können.
Während die Verkaufszahlen von Zeitungen und Zeitschriften rasant runtergehen, begeistern Audioformate die Menschen. Der Audiomarkt wächst um 30 Prozent jährlich und das wird sich auch noch weiterentwickeln.
Johannes Garbarek
26 Millionen Deutsche hören laut Garbarek Podcasts, Hörspiele und Hörbücher. Knapp 11 Millionen seien aufgrund von Leseschwächen, Sehbehinderungen, Blindheit oder Analphabetismus auf Audio angewiesen. An dieser Stelle greift das ahearo-Konzept und macht Audioartikel und -stories aus bereits existierenden, gut funktionierenden Geschichten.
Wie das funktioniert? Die Info über die Vertonung der Inhalte wird mit dem Verlag geteilt, die Rechte bleiben dort, so Garbarek ahearo übernimmt die Audioproduktion sowie die Bereitstellung der Verlags- und Audiobibliothek. Für die Vertonung arbeitet das in Hof ansässige Startup mit bekannten deutschen Hörbuchsprecher:innen zusammen, deren Stimmen passend zu den Inhalten der Artikel ausgewählt werden. Durch synthetische Vertonung und das selektive Training der Künstlichen Intelligenz wird ein besonderer Fokus auf die Stimme gelegt. Diese trage sehr viel dazu bei, wie lang ein Artikel angehört wird, so Garbarek. Hinzu kommt, dass die KI aus jedem Stück mehr lernt und künftig automatisierte Audiowerke ohne menschliche Stimme möglich macht.
In seinem Startup sieht Garbarek viele Chancen für Verlage: Vorteile ergeben sich durch die Zusatzeinnahmen beziehungsweise die Zweitverwertung bestehender Inhalte, durch die mögliche Erweiterung von Print und digitalen Abos hin zu Audio und durch Affiliate-Programme für die verlagseigenen Digital-Abos. Außerdem erreichen Verlage neue audioaffine Zielgruppen und können sich so eine eigene Audiobibliothek aufbauen. Nicht zu vergessen: Die Barrierefreiheit.
Jetzt gilt es, Vorreiter zu sein. Wir müssen die Synergien im Land nutzen, auch wenn Verlage gerne inhouse arbeiten. Aber wir haben viele innovative Gründer:innen und wir wollen Leser:innen wieder zum Verlag bringen.
Johannes Garbarek
Print ist wertig, Online nicht?!
„Dass Print im Vergleich zu Online viel wertiger ist, war lange die Denke in der Gesellschaft“, so Lukas Schöne, Audio-Experte beim MedienNetzwerk Bayern. Nun finde aber ein großer Change statt. Qualitativ hochwertige Angebote seien längst im Digitalen angekommen, so Schöne in der anschließenden Diskussion. Die verschiedenen Medienbereiche müssten nun zusammenarbeiten, um relevant zu bleiben.