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Influencer:innen: Kreativität statt Kult
von Liza Marie Heuring, 17. Januar 2025
Zuckerfreie Dattel-Pralinen, veganer Nagellack oder teure Staubsauger mit Wischfunktion: Werden sich diese Dinge in Zukunft weiterhin gut verkaufen lassen, nur, weil Influencer:innen sie in die Kamera halten? Glaubt man den Prognosen von Fachmagazinen und Expert:innen zum Thema Influencer-Marketing, lautet die Antwort: Nein. War die Produktempfehlung durch Social-Media-Berühmtheiten bisher noch ein Garant für eine hohe Nachfrage, so wird sich dies höchstwahrscheinlich bald ändern. Denn Konsument:innen hinterfragen zunehmend die Authentizität und die werbliche Beeinflussung durch Influencer:innen. Und auch die Plattformen passen sich an: Algorithmen bevorzugen Inhalte mit hoher Qualität und Kreativität. Das Influencer-Marketing ist damit nicht am Ende, aber es steht ein Wandel bevor.
Influencer:innen sind ein Phänomen des 21. Jahrhunderts, das etwa ab Mitte der 2010er-Jahre so richtig Fahrt aufgenommen hat. Rund ein Jahrzehnt lang konnte beobachtet werden, wie sie als Multiplikator:innen und Meinungsführer:innen auf dem Werbemarkt immer wichtiger wurden. Durch ihre anziehende Persönlichkeit oder einen erstrebenswerten Lifestyle, den sie in den sozialen Netzwerken präsentieren, besitzen Influencer:innen eine hohe Vorbildfunktion. Heute gibt es nicht wenige sogenannte Mega-Influencer:innen, die über eine Millionen Follower:innen und einen beachtlichen Markenwert haben. Auch kleinere Accounts genießen bei ihrer Followerschaft ein hohes Vertrauen und können deren Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflussen.
Zäsur im Influencer-Marketing
So war das bisher. Doch das Jahr 2025 markiert nun eine bedeutende Zäsur im Influencer-Marketing: Fachmagazine wie Vogue Business und Expert:innen wie Jordan Schwarzenberger, Inhaber einer Influencer-Agentur, sehen das Ende der Ära klassischer Influencer:innen und einen Wandel hin zu neuen Modellen. In seinem Instagram-Post prognostiziert Schwarzenberger, dass die reine Bedeutung von Followerzahlen abnimmt, während Klickraten und wahre Kreativität in den Vordergrund rücken.
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Vertrauen in Influencer:innen und Instagram-Brands schwindet
Das Vertrauen in Influencer:innen, die sich alles gut bezahlen ließen, sei erschüttert, schreibt die Tech-Unternehmerin Alex Friedman in einem Post auf LinkedIn. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Instagram-Brands. Davon spricht man, wenn besonders viele Influencer:innen ein und dieselbe Marke bewerben und diese dadurch eine gewisse Bekanntheit erlangt. Doch was bis vor kurzem noch gehyped wurde, wird inzwischen von vielen Nutzer:innen skeptisch beäugt. Was nicht nur an der inflationären Bewerbung jener Marken liegt, sondern immer häufiger auch an der geringen Qualität der Produkte oder fehlender Integrität von Marken, die sich beispielsweise nachhaltiger geben als sie sind. Konsument:innen hätten eine Immunität gegenüber gut inszenierten, aber qualitativ minderwertigen Produkten entwickelt, so Experte Schwarzenberger. Ein Wandel im Konsumentenverhalten zeigt, dass Produkte von Influencer:innen oft als überteuert und irrelevant wahrgenommen werden.
Neue Algorithmen: Followerzahlen verlieren Relevanz
Marken müssten daher künftig neue Wege finden, um ihre Zielgruppe auf authentische und organische Weise zu erreichen, rät Friedman. In der Zusammenarbeit mit Influencer:innen sollte der Fokus nicht allein auf deren Followerzahlen liegen, sondern vor allem auf kreativem Storytelling. Die schiere Reichweite verliert auch deshalb an Relevanz, weil die Plattformen ihre Algorithmen nach dem Vorbild von TikTok verändern, wo Klickraten und Engagement schon länger dominieren. Um viele Views zu generieren, ist daher Originalität gefragt. Eine Entwicklung, die auch Nano- und Micro-Influencer:innen mit hochwertigen Inhalten eine größere Bühne verschafft. Deren Accounts punkten zudem dadurch, dass sie Nischenmärkte besetzen und stärker persönlich auf ihre Followerschaft eingehen können. Das Engagement ist dadurch oft höher als bei großen Accounts. So lag weltweit 2023 die Engagement-Rate von Nano-Influencer:innen auf TikTok bei knapp 12 Prozent, während die der Mega-Influencer:innen bei knapp 10 Prozent lag.

Vom Influencertum zur Creatorfizierung
An die Stelle der großen Influencer:innen rücken immer mehr Content Creator:innen, die zwar teils kleinere Accounts, dafür aber eine engere Beziehung zu ihrem Publikum haben. Diese Creatorfizierung findet auch im Journalismus statt: ehemalige Journalist:innen und Influencer:innen (teils ohne journalistische Ausbildung) setzen auf kreative Erzählweisen, Interaktivität und Unterhaltung, was als authentischer empfunden wird als traditionelle Formate. Eine Pew-Studie zeigt, dass 21 Prozent der Amerikaner:innen, darunter 37 Prozent der unter 30-Jährigen, regelmäßig Nachrichten von Social-Media-Influencer:innen beziehen. Kritiker:innen warnen vor einer Verlagerung hin zu subjektiven Meinungen und weg von faktenbasiertem Journalismus. Doch es gibt bereits Medienmarken, die mit den Content-Creator:innen zusammenarbeiten, was wiederum deren Glaubwürdigkeit erhöht.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk finanziert YouTuber
So auch der MDR, der den erfolgreichen YouTube-Kanal „Der Dunkle Parabelritter“ des einstigen Metal-Influencers Alexander Prinz in sein funk-Netzwerk aufgenommen hat und ihm damit sowohl Relevanz verleiht als auch seine Content-Produktion finanziell unterstützt. Prinz, der keinen klassischen journalistischen Hintergrund hat, liefert fundierte Analysen politischer Themen und regt gesellschaftliche Debatten an. Er verbindet dabei seine Expertise in der Musikszene mit einer breiteren Perspektive und erreicht so eine große und engagierte Community – wovon wiederum der öffentlich-rechtliche Rundfunk profitiert. Solche Zusammenarbeiten deuten darauf hin, dass der Journalismus sich weiter diversifizieren wird, wobei traditionelle und neue Formate verschmelzen.
Influencer:innen – made in Bayern
Wie genau authentischer und kreativer Content geht, macht auch Alessandro Capasso, auf TikTok und Instagram bekannt als „Der Münchner“, vor. Sein Erfolgsrezept könnte man so beschreiben: Eine große Portion Humor und eine Prise Salz dazu. So zumindest funktioniert sein Video „Der Münchner beim Adventsessen“, in dem er diverse Salzmischungen der Marke Bad Reichenhall bewirbt. „Beste Werbung Gott Erhalts, die ich gesehen habe über Salz.“, kommentiert das ein Viewer. Und nicht nur die Idee hinter dem Video kommt bei dem Nutzer an, sondern auch Capassos authentische Selbstironie: „Du bist sowieso der Burner und dein Humor, genial, kommt immer seltener vor. Ein waschechter Bayersmann, der über sich selbst auch lachen kann.“ Neben seinen einzigartigen Inhalten kommt bei Capasso noch eine spezifische Ästhetik der Clips hinzu und die Tatsache, dass er voll auf Video-Content setzt. Denn auch das prognostizieren die Expert:innen: Die Popularität von (Kurz-)videos bleibt auch 2025 unübertroffen.
@sandro.cap Anzeige | ✨Lieber nachsoizen ois versoizen✨ #dermünchner #münchen #munich #pov #advent #salz #badreichenhaller ♬ Originalton - Alessandro
Ebenfalls regional, humorvoll und authentisch geht es bei der Franken-Fluencerin Anna Augustin zu. Auf ihrem Instagram-Account @annather_story postet die Mikro-Influencerin „fränggische Reels“, bei denen der Dialekt im Fokus steht. Das kommt nicht nur bei ihren rund 45.800 Follower:innen gut an: Vom Bayerischen Finanz- und Heimatministerium wurde sie 2024 mit dem „Dialektpreis Jugend“ geehrt. Für ortsansässige Unternehmen wie das Stadttheater Führt oder die Nürnberger Eventlocation Ofenwerk ist Anna Augustin damit die ideale Werbebotschafterin.
Quellen & nützliche Links:
- ALL:AIRT: MIKRO- vs. MAKRO-INFLUENCER. WER IST EFFEKTIVER?
- Instagram | Jordan Schwarzenberger (@jordanschwarz): Content Predictions 2025
- Instagram | Alessandro Capasso (@sandrocap)
- Instagram | Anna Augustin (@annather_story)
- KF ADV Branding & Advertising Agency: Is the era of influencers really coming to an end?
- LinkedIn | Alex Friedman: Prediction Influencer Marketing
- MDR: „Der Dunkle Parabelritter“ startet im funk-Netzwerk
- Statista: TikTok Engagement-Rate nach der Anzahl der Follower weltweit im Jahr 2023
- Storyclash: Storyclash Instagram Brand Rankings
- TikTok | Alessandro Capasso (@sandro.cap)
- Fashion United: Influencer:innen-Müdigkeit: Authentizität im digitalen Marketing
- Vogue Business: How nano-creators became beauty’s best marketing tool
- Vogue Business: Nara Smith and the new era of influencer marketing
- Vogue Business: The Instagram era of influencer brands is over. What now?
- Vogue Business: What’s in and out for influencer marketing in 2024
- YouTube: Der Dunkle Parabelritter