
Meet the Experts bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN
Vom 25. bis 29. Oktober 2021 fanden die MEDIENTAGE MÜNCHEN erstmals hybrid statt – im Isarforum München und live vor dem Bildschirm der digitalen Teilnehmer:innen. Wir haben uns mit Meet the Expert Sessions auf der MedienNetzwerk Bayern Expo-Stage in das Programm eingereiht. Gemeinsam mit sechs Expert:innen aus unterschiedlichen Branchen haben wir über aktuelle Branchenherausforderungen diskutiert.
von Lisa Pandtle
New Perspectives, das Motto der Medientage, passe hervorragend – auch zu ihren ersten Wochen im Amt, so Dr. Anette Schumacher, die seit Oktober 2021 als Geschäftsführerin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) tätig ist, im Expert-Talk: „Von innen sieht man erst, was die BLM eigentlich alles macht. Wir sind immer ganz nah dran an den Themen, die die Gesellschaft begleiten.“
Den Transformationsprozess der Medien begleite die BLM auch mit einer internen Transformation: „Mit dem neuen Medienstaatsvertrag müssen wir uns ebenfalls neu aufstellen. Wir müssen gut mit Intermediären und Plattformen in den Dialog treten und Regulierungsziele entsprechend kommunizieren. Das heißt: dauerhaft verlässliche Arbeitsbeziehungen aufbauen“, so Schumacher.
Was für die bayerische Medienbranche im Kontext der Digitalisierung und Transformation unverzichtbar sei, fasste sie so zusammen: „Vernetzung, neue Ideen, über den Tellerrand hinausschauen, neue Menschen treffen und neue Impulse aufnehmen.“
Annette Schumacher (Geschäftsführerin der BLM) betont im Gespräch mit Jim Sengl (MedienNetzwerk Bayern) die Vielfalt der BLM-Aufgaben – von Medienkompetenz über Jugendschutz bis zur Regulierung – und ist beeindruckt vom Engagement der Mitarbeitenden. Besonders wichtig ist ihr die Anpassung der Organisation an den digitalen Wandel und neue gesetzliche Anforderungen durch den Medienstaatsvertrag.
Zentrale Herausforderungen sieht Schumacher in der Regulierung sozialer Medien und Intermediäre. Sie plädiert für einen kooperativen Dialog mit Plattformen, um journalistische Qualität zu stärken und Desinformation zu begegnen. Gleichzeitig hebt sie die Rolle des MedienNetzwerk Bayern hervor, das mit Innovationsimpulsen und Vernetzung die Transformation der Branche aktiv unterstützt – ein Engagement, das fortgeführt und ausgebaut werden soll.
Vom Metal-YouTuber zum politischen Influencer
Der Dunkle Parabelritter, Alexander Prinz, ist Deutschlands größter Metal-YouTuber. Seit 2012 macht er Videos für die Social-Plattform. Auf der Expo-Stage der MEDIENTAGE sprach er über den Erfolg politischer Beiträge auf YouTube.
Auch im Wirken von Alexander Prinz gab es eine Transformation: Seine Contents verlagerten sich hin zu politischen Themen. Mittlerweile ist die Zahl seiner Abonnent:innen auf über 270.000 gestiegen. Wie es dazu kam? Prinz überließ die Entscheidung, welche Inhalte er spielt, seinen Follower:innen – ein Video zu Laschet oder zu Nestlé schlug er vor. Die Community entschied sich für Laschet und ebnete damit den Weg für viele weitere politische Webvideos des Parabelritters.
Insgesamt lasse sich seit 2019 ein Aufschwung von Polit-Inhalten in der Creator-Szene beobachten. Besonders die Arbeit von Rezo sei ein Türöffner für alle weiteren politischen Inhalte in Deutschland gewesen. „Das Thema Politik und Kritik war vielen lange Zeit zu heiß – Rezo hatte den Mut anzufangen und hat sich aus der Deckung begeben“, so Prinz. Sicher habe er selbst auch von der algorithmischen Entwicklung politischer Themen profitiert, seine Zielgruppe, die Metal-Fans, seien jedoch bereits vorher an Politik interessiert gewesen. Heute sieht sich der Dunkle Parabelritter als Aggregator von Informationen. Er versuche, politische Infos neutral darzustellen, nicht zu beeinflussen.
Ich bin das satirische Echo dessen, was jedem durch die Medien schon bekannt sein sollte. Ob alle meine Art von Satire verstehen, ist natürlich eine andere Frage.
Alexander Prinz
Alexander Prinz (Dunkler Parabelritter) spricht über seinen Wandel vom Metal-Influencer zum politischen YouTuber. Ursprünglich begann er 2012 aus Liebeskummer mit Sketchen auf YouTube – als eine Art Selbsttherapie. Über Jahre entwickelte er sich zur Stimme der deutschen Metal-Szene, bis Corona ihm die Grundlage für Musik-Content entzog. Daraufhin wandte er sich gesellschaftlichen und politischen Themen zu – der Durchbruch kam mit einem Video über Armin Laschet, das viral ging und ihm enorme Reichweite bescherte.
Er sieht sich nicht als Journalist, sondern als satirischer Aggregator politischer Inhalte mit klarer Haltung gegen Lobbyismus und Rechtsextremismus. Rezos CDU-Video sei für ihn ein Türöffner gewesen, aber sein Stil sei ein anderer – stärker dialogorientiert und communitygetrieben. Die Reaktionen auf seine Videos seien meist sachlich und von einem ehrlichen Interesse am Thema geprägt. Seine Community sei mitgewachsen, teils zurückgekehrt, teils neu hinzugekommen.
Prinz beobachtet eine zunehmende Politisierung seiner Zuschauer und ist selbst motivierter denn je. Der Erfolg politischer Inhalte liege nicht an seiner Person, sondern an der gesellschaftlichen Relevanz der Themen. Für ihn ist klar: Die Beschäftigung mit Politik ist kein Ausflug, sondern eine bewusste Entscheidung – auch wenn er dabei manchmal tagelang Sonne und Schlaf vernachlässigt.
Reichweiten und TKPs: Schnee von gestern?
Christian Kaeßmann, Geschäftsführer der Münchner Mediaagentur PLAN, gab Einblicke, welche Rolle Marken heute in und für Medien spielen. Kaeßmann geht eigenen Aussagen nach einen anderen Weg als die Konkurrenz; „den Weg, der ursprünglich für Media gedacht war: sinnvoll und zielgerichtet Lösungen für die Aufgabenstellungen der Kund:innen bereitstellen, abseits von TKP, GRPs und Co.“
Wieso Medienanbieter immer noch von Reichweiten sprechen, wenn das doch Marketeers gar nicht mehr tun, versteht Kaeßmann nicht. Medienanbieter adressieren laut ihm den falschen Markt: den Werbe-, nicht den Mediennutzermarkt. Der PLAN-Geschäftsführer glaubt: „Markenverantwortliche beschäftigen sich sehr mit ihrer Marke und Identifikation und stellen sich die Frage, wo sie für ihre Marke große Reichweiten bekommen, nicht wo sie ein markenadäquates Werbeumfeld erwartet.“ Dabei sollten Markenverantwortliche laut Kaeßmann viel eher andere Marken suchen, die zur eigenen passen, um von Synergieeffekten zu profitieren, den Kommunikationserfolg zu gewährleisten und Zielgruppen lange Zeit zu halten.
Bei vielen Medienmarken gibt es das Problem, dass wir gar nicht wissen, wofür sie stehen, weil sie eine viel zu breite Zielgruppe ansprechen wollen.
Christian Kaeßmann
Christian Kaeßmann (Plan Media) kritisiert im Gespräch mit dem MedienNetzwerk Bayern die Dominanz klassischer Reichweiten-Logik in der Mediaplanung. Für ihn zählt nicht die maximale Sichtbarkeit, sondern die Passung von Werbebotschaft, Medienmarke und Zielgruppe. Er plädiert für weniger austauschbare TKP-Denke und mehr Haltung, Markenverständnis und langfristige Partnerschaften zwischen Medien und Werbetreibenden. Erfolgreiche Beispiele wie „Die Zeit“ zeigen laut Kaeßmann, dass starke mediale Marken mit klarer Positionierung auch in fragmentierten Märkten bestehen können. Der Mittelstand und kleinere Budgets würden von großen Medienhäusern hingegen oft vernachlässigt.
Ohne Risikobereitschaft kein Influencer Marketing
Wie man mittels Social Media und Influencer:innen einen guten Markenauftritt hinlegt, darüber sprach Sven Wedig, Gründer Vollpension Medien. Seine Agentur bringt Marken mit passenden Influencer:innen oder Markenbotschafter:innen zusammen. Wie eine Marke die richtige Person für sich findet, das kann bei Vollpension Medien durch eine händische Suche gelingen, mittels Geo-Aspekten oder auch durch Hashtags sowie klassische Medienbeobachtung.
Vorab ist es der Agentur jedoch vor allem wichtig, abzufragen, wie mutig ihre (potenziellen) Kund:innen in der Kommunikation sind und ob sie bereit sind, „die letzte Meile zu gehen” – was für Wedig nichts anderes bedeutet als Community Management. Wichtig sei, dass jede Marke eine:n eigene:n Community Manager:in hat und authentisch bleibt, sich selbst also nicht immer allzu ernst nimmt. Denn im Bereich Influencer Marketing habe man zwar spitze Zielgruppen, „diese hat man dafür jedoch so richtig“, ergänzte Wedig. Es bedürfe nur einer gewissen Risikobereitschaft, mit einem Kontrollverlust umzugehen, wenn man mit Influencer:innen arbeite. „Totbriefen bringt da nichts. Influencer:innen wissen genau, was sie ihren Follower:innen sagen müssen,“ so Wedig.
Sven Wedig (Vollpension Medien) erklärt, warum Influencer-Marketing vor allem Mut und Vertrauen braucht. Seine Agentur hilft Marken nicht nur bei der Auswahl passender Creator, sondern schaut zuerst, ob Unternehmen überhaupt bereit sind, auf Social Media wirklich mitzumachen – also Kontrolle abzugeben und echtes Community Management zu betreiben. Denn gute Inhalte entstehen nur, wenn Influencer in ihrer eigenen Sprache sprechen dürfen.
Wedig warnt vor überstrengen Briefings und setzt lieber auf Co-Creation: gemeinsam Ideen entwickeln statt Ansagen machen. Viele Firmen hätten noch Angst, sich verletzlich oder unperfekt zu zeigen – dabei kommt genau das bei der Zielgruppe oft gut an. Ein gutes Beispiel für souveränen Umgang mit Fehlern und Humor sei für ihn Angela Merkel. Seine Botschaft: Wer online überzeugen will, sollte sich selbst nicht zu ernst nehmen – und offen für echten Dialog sein.
Das Interesse an Nachhaltigkeit ist groß, an Zusatzkosten aber nicht
Martina Staudinger, Geschäftsführerin von mediascale, gab Einblicke in das Thema nachhaltige Media. Das allgemeine Nachhaltigkeitsbewusstsein schätzte Staudinger recht gut ein: Verbraucher:innen befassen sich bereits mit Themen wie Plastikmüll-Vermeidung, nachhaltige Kleidung oder Nachhaltigkeit im Food-Bereich.
Um auch im Werbemarkt nachhaltig voranzuschreiten, brauche es ganzheitliche Ansätze, so Staudinger: „Wir haben einige CMOs befragt, was für sie wichtig ist.“ Die Antwort: Erstmal werden Materialien auf ökologische Aspekte umgestellt, dann kommt das Thema soziale Gerechtigkeit und dann der ökologische Aspekt von Werbemaßnahmen generell. Die Serviceplan Group, zu der mediascale gehört, hat infolgedessen den Green GRP ins Leben gerufen. Gemeinsam mit neun Medienunternehmen arbeiten sie daran, die Kampagnen ihrer Kund:innen bei den jeweiligen Medienanbietern klimaneutral zu zertifizieren. „Dafür wird erst einmal ganz klassisch auf Zielgruppen geplant, dann werden die Kanäle genauer betrachtet, etwa TV, Print, digital. Anschließend berechnet unsere Partnerfirma climatepartner, wieviel Co2 die jeweilige Kampagne verursacht.“ Dafür gebe es dann wiederum einen Kompensationswert, den Kund:innen bei ihrer Kampagne zusätzlich bezahlen.
Das große Problem, das Staudinger sieht: „Die meisten Kund:innen sind interessiert am Thema Nachhaltigkeit, wollen dafür aber nicht draufzahlen. Außerdem haben sie Angst vor Green-Washing-Vorwürfen.“ Die Expertin rät: Firmen sollten ihre nachhaltigen Angebote sichtbarer machen. Zusätzlich müsse man das Nachhaltigkeitsthema mit inhaltlichen Formaten schmücken.
Martina Staudinger (mediascale) spricht auf den Medientagen München 2021 über Nachhaltigkeit in der Werbung. Sie erklärt, dass Verbraucher zunehmend nachhaltige Marken fordern – aber oft selbst noch widersprüchlich handeln. Werbetreibende müssten stärker kommunizieren, was sie bereits tun, statt aus Angst vor Greenwashing zu schweigen. Gemeinsam mit ClimatePartner bietet ihre Agentur deshalb die Möglichkeit, klassische Media-Kampagnen klimaneutral zu gestalten – ein Zusatzbaustein namens „Green GRP“, der CO₂-Emissionen berechnet und ausgleicht.
Staudinger betont, dass viele Unternehmen zwar intern Nachhaltigkeit leben, es aber noch zu selten Teil der Werbestrategie ist. Neben ökologischen Aspekten gehe es auch um ethische Medienumfelder, saubere Daten und transparente Kommunikation. Für 2022 kündigt sie an, stärker zu erfassen, welche nachhaltigen Angebote Medienhäuser bereits machen – und fordert gleichzeitig mehr Engagement von Medien, ihre Verantwortung in Sachen Aufklärung und Greenwashing ernst zu nehmen. Ihr Appell: Offenheit, Zusammenarbeit und klare Kriterien für nachhaltige Mediaplanung.
Mit Sabrina Hoffmann, Chefredakteurin BuzzFeed Deutschland, sprachen wir zum Thema „Diverse und nachhaltige Themen im digitalen Raum“. Das News-Portal BuzzFeed legt seinen Fokus auf die Gen Z – auf alle ab 1995 Geborenen, die vor allem auf Social-Media-Plattformen unterwegs sind. „Instagram ist da nach wie vor die am stärksten genutzte Plattform“, so Hoffmann. Das Lesen von Texten sei zwar weniger geworden, aber der Medienkonsum insgesamt steige stark an. „Wir haben also enorme Chancen, junge Menschen zu erreichen, und zwar durch die richtigen Formate – darunter vor allem Bewegtbild – auf den jeweiligen Plattformen und durch die richtigen Themen“ – zum Beispiel Rassismus, Gender Equality oder Umwelt, erklärte Hoffmann.
Die Gen Z wünsche sich eine positive Grundhaltung. „Durch die wiederkehrend schlechten Nachrichten in Bezug auf Corona haben die Jungen eine Art News Fatigue entwickelt“, so die BuzzFeed-Chefredakteurin. Außerdem legen junge Konsument:innen sehr viel Wert auf Glaubwürdigkeit. Auf TikTok seien deshalb vor allem Expert:innen wie Psycholog:innen oder Biolog:innen sehr erfolgreich.
Es braucht ein klares Storytelling – mit nachverfolgbaren und offen gelegten Quellen.
Sabrina Hoffmann
Der nächste große Trend geht für Hoffmann weiter in Richtung Plattformen: „TikTok wird noch größer, Leute sind auf mehreren Plattformen gleichzeitig unterwegs und Publisher:innen müssen schnell überlegen, wo es sich lohnt, von Anfang an dabei zu sein.“
Sabrina Hoffmann (Chefredakteurin von BuzzFeed Deutschland) spricht auf den Medientagen München über die Neuausrichtung des Portals auf eine junge Zielgruppe. Zentrale Themen wie Diversity, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit stehen im Mittelpunkt des Interesses der Generation Z – und genau darauf will sich BuzzFeed inhaltlich konzentrieren. Wichtig sei aber auch, diese Inhalte richtig aufzubereiten: auf Plattformen wie TikTok oder Instagram, mit Bewegtbild, Infografiken und Storytelling statt langen Texten.
BuzzFeed will dabei sowohl unterhalten als auch informieren – Unterhaltung und seriöser Journalismus schließen sich für Hoffmann nicht aus. Besonders wichtig ist ihr, ein diverses Redaktionsteam aufzubauen, um glaubwürdig über gesellschaftliche Themen berichten zu können. Auch die Integration von Influencer:innen in Formate, etwa Kochshows bei „Einfach Tasty“, ist geplant. Recherche bleibt zentral – das zeigt nicht zuletzt die interne Enthüllung rund um Julian Reichelt, die trotz Nichtveröffentlichung breite Wirkung entfaltet hat.
Paywalls lehnt BuzzFeed aus Überzeugung ab, stattdessen setzt man auf freiwillige Mitgliedschaften. Ziel bleibt: hochwertigen, frei zugänglichen Journalismus für alle – besonders auch für die, die bisher zu wenig erreicht wurden.