
Creatfluencers: Leidenschaftlich, echt, erfolgreich
von Stefanie Ruth Heyduck
Auf Social Media wächst eine neue Generation Influencer:innen heran. Junge Kreative erstellen Inhalte zu Themen, die ihnen am Herzen liegen – in einer Qualität, von der selbst Profis noch etwas lernen können. Dabei verlassen sie sich nicht länger auf Plattformen, sondern gründen ihre eigenen Unternehmen.
Was ist die Creator Economy?
Einfach formuliert: Zur Creator Economy gehört jeder Mensch, der online Geld verdienen will. Die Creator Economy ist ein riesiger Markt: Er setzt sich zusammen aus Social-Media-Plattformen, dem Influencer Marketing Business, 50 Millionen Creators und Startups. TikTok hat seit dem Marktstart die Creator-Szene maßgeblich geprägt und ist mittlerweile die beliebteste Content-Plattform – vor Instagram und YouTube. TikTok ist außerdem die Plattform, auf der Creators Umfragen zufolge aktuell am meisten Geld verdienen.
Der Aufstieg der Creators
Das Zukunftsinstitut untersuchte bereits 2014 den Aufstieg „einer neuen Generation von Teenagern, die von der integrativen Kraft einer technisierten Digitalgesellschaft profitiert.“ Die Forscher:innen sprachen damals mit Philip Riederle: „Wir sind die Generation nach Facebook: War es dort erstmals möglich, sich selbst in den öffentlichen Raum zu stellen, […] hatte es aber auch mit Eitelkeiten zu tun, wie man bis zum heutigen Tag feststellen kann. Heute aber bestehen im wahren Leben die großen Möglichkeiten – wenn man es digital vernetzt. Wir bewegen uns vom Mitmach-Web ins Mitmach-Leben.“
Dieser Trend hat sich noch verstärkt, wie eine Umfrage der Generation Z des Harvard Business Review ergab: Weg von kuratierten Online-Identitäten wollen sie endlich „sie selbst“ sein, sich mit realen Freunden umgeben, die gleiche Interessen und Werte pflegen – und sie messen Aspekten der Sicherheit und der Privatsphäre immer mehr Bedeutung bei. Sie ziehen sich zurück und versammeln sich um „Digital Campfires“, wie es die Autorin der Studie nennt, in geschlossene, kleinere Räume mit mehr Privatsphäre und Interaktion.
Diese Generation ist nun im Berufsleben angekommen. Die Generation Z und die Millennials stellen den größten Teil der Content Creators. Sie sind zwischen 1981 und 2012 geboren, schätzen die flexiblen Arbeitszeiten, die kreative Kontrolle und die Möglichkeit, ihr eigener Chef zu sein. Die Pandemie gab der Creator Economy einen weiteren Schub: Creators hatten mehr Zeit zu produzieren und alle anderen mehr Zeit zuzuschauen.
Creator-Content ist vielfältiger und tiefgründiger
Creator-Content nimmt die unterschiedlichsten Formate und Formen an. Die Charts auf den großen Plattformen YouTube und TikTok werden zwar noch viel von Spiel und Tanz dominiert, doch unter den Top 3 der erfolgreichsten deutschen YouTuber:innen konnte sich Lehrerschmidt mit seinen Mathe- und Physik-Nachhilfevideos positionieren.
Younes Zarou ist mit über 44 Millionen Follower:innen (Stand Februar 2022) Deutschlands erfolgreichster TikToker. Seine Videos drehen sich um visuelle Effekte und optische Täuschungen. Dazu gibt es Behind-the-Scenes Tutorials.
In ihrem Podcast „Herstory“ berichtet die Journalistin Jasmin Lörchner alle zwei Wochen über „starke Frauen der Geschichte“. Der Podcast gibt Frauen eine Bühne, die bis heute zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, zum Beispiel Ellen Johnson Sirleaf, Afrikas erste „Madame President“ aus Liberia.
Im journalistischen Bereich finden sich ebenfalls immer mehr hochwertig produzierte und intensiv recherchierte Inhalte – von Creators, die ihren Schwerpunkt eigentlich auf andere Themen setzen; beispielsweise die YouTube-Videos von Rezo, „Zerstörung FINALE: Korruption”, und dem Dunklen Parabelritter: „JENS SPAHN Exposed. Der Schlimmste von Allen.”
Für mehr Diversität und Verständnis setzt sich der Münchner Maxi Pichlmeier auf seinem TikTok-Kanal „Maxls TikTok“ ein. Er berichtet humorig, aber hintergründig über LGBTQI+- und Politik-Themen.
Mehr zu „Maxls TikTok“ erfährst du hier: 10 erfolgreiche TikToker, von denen die Medienbranche lernen kann
Das Phänomen „BookTok“ hat es sogar geschafft, den Buchhandel weltweit zu beleben. Dank der über 40 Milliarden Views auf TikTok wurden 2021 in den USA so viele gedruckte (!) Bücher verkauft wie noch nie. Dahinter stecken viele engagierte und leidenschaftliche Leseratten, die kurze Videorezensionen veröffentlichen.
Es muss sich nicht immer um Kanäle mit einem Millionenpublikum handeln, um die Community für ein Thema zu begeistern. Das zeigt das Blog von Lynn, die unter www.lieschenradieschen-reist.com mit viel Herzblut über ihre Leidenschaften schreibt: reisen und lesen.
Die Bandbreite an Plattformen und Inhalten ist riesig ist. Auf Wattpad werden Geschichten und Bücher geschrieben, auf Twitch wird gezockt. Der Treiber dahinter ist meist gleich: Leidenschaft. Nicht ohne Grund werden Creators in den englischsprachigen Ländern zur „Passion Economy“ gezählt.
Wie verdienen Creatfluencers Geld?
Die Creator-Economy entwickelt sich zu einer milliardenschweren Industrie. Content Creators sind dabei mehr als gewöhnliche Influencer:innen. Insbesondere TikTok und Instagram ermöglichen es Menschen, ihre Leidenschaft für bestimmte Themen medial umzusetzen und damit Geld zu verdienen.
- Werbeeinnahmen
- Zahlende Abonnent:innen
- Spenden von Fans
- Fördertöpfe
- Sponsoren
- Verkauf von Merchandise
- Affiliate Links
- Community Memberships
- Onlinekurse
- Community Events

Der erfolgreichste YouTuber der Welt ist der neun Jahre alte Ryan Kaji. Knapp 30 Millionen Abonnent:innen schauen ihm auf Ryan’s World beim Spielen zu. Nach Angaben des Forbes-Magazins verdiente er im Jahr 2020 mit seinen Videos knapp 30 Millionen US-Dollar. Mittlerweile verkauft er unter seinem Label sogar Spielzeug und Kleidung.
Aber das Spiel ist faul, wie es Gina Bianchini von Might Networks formuliert. Die großen Tech-Unternehmen behalten natürlich ein Stück des Kuchens für sich. Sie hat eine Studie in Auftrag gegeben, die herausfand: Die Creators sind müde und ausgebrannt. 93 Prozent geben an, dass die Content-Kreation einen negativen Einfluss auf ihr Leben habe. 65 Prozent fühlen sich überarbeitet und unterbezahlt.
Um mit Anzeigeneinnahmen oder Sponsored Posts 1.000 US-Dollar im Monat zu verdienen, bräuchte man mindestens 100.000 Follower:innen auf Instagram, zwei Millionen Views auf YouTube oder 25 Millionen Views auf TikTok. Eine Änderung am Algorithmus der Kanäle kann für Creator:innen den Ruin bedeuten, wenn ihre Inhalte plötzlich nicht mehr sichtbar sind.

Statt sich von Sponsoring und Partnerschaften abhängig zu machen, gründen Content Creators vermehrt eigene Unternehmen. Neben Werbeeinnahmen und Firmenkooperationen werden Dienste wie gofundme, Patreon oder Buy-Me-a-Coffee zu einer zuverlässigeren Einnahmequelle. Hier lassen sich Kreative direkt unterstützen, per Spende oder Dauerabonnement.

Chancen für den Medienstandort Bayern
Die Möglichkeiten für Medienmacher:innen sind endlos. Sie können sich von den vielfältigen Inhalten inspirieren lassen und selbst kreativ werden oder mit Creators kooperieren. Etwa mit den erfolgreichen Münchner Erklärfilmer:innen von „Kurzgesagt“, die auf YouTube mehr als 1,5 Millionen Abonennt:innen erreichen.
Ein – wenn auch kontrovers gesehener – Content-Erfolg aus Bayern ist der Instagram-Account @ichbinsophiescholl von SWR und BR, auf dem User:innen die letzten zehn Monate im Leben der 21-jährigen Sophie Scholl mitverfolgen konnten, bevor sie für ihren Widerstand gegen das Naziregime hingerichtet wurde.
Nachmachen alleine macht aber noch nicht erfolgreich. Die Creatfluencers zeigen, wie es geht: Finde deine Nische, mach Leidenschaft spürbar und baue ein treues Netzwerk auf.
Weitere inspirierende Content-Formate findest du hier: Storytelling für Gen Z: Acht Best Cases
Aktuelle Zahlen und Studien zur Creator Economy
Quellen und nützliche Links
- Creativiteens – mit digitaler Kraft voraus
- Creator Economy – wie sich im Netz Geld verdienen lässt
- Erfolgreiche Deutsche YouTuber
- Four reasons why the creator economy is booming
- Generator Podcast – Digitale Kultur der Zukunft
- MedienNetzwerk Bayern Medientrends 2022
- The Era of Antisocial Social Media
- Warum die Creator Economy boomt
- What is the creator economy?
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