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Games als Gamechanger? Wie Unternehmen ihr Portfolio durch Games erweitern

Von Nora Beyer

Kreuzworträtsel-App bei der New York Times, Mobile Games beim Streamingdienst Netflix. Viele etablierte Anbieter erweitern ihr Angebot um Mini oder Mobile Games, um es attraktiver zu machen und Zielgruppen neu anzusprechen. Eine Chance auch für bayerische Unternehmen.

Belege für die wachsende Bedeutung der Gamesbranche gibt es in jüngster Zeit zuhauf. 2022 haben wir die bislang größten Übernahmen der Videospielgeschichte gesehen – und das innerhalb kürzester Zeit. Microsoft hat mit dem Aufkauf des Spielegiganten Activision Blizzard für rekordreife 70 Milliarden US-Dollar vorgelegt. Sony zog nach und kaufte für 3,6 Milliarden Spieleentwickler Bungie, der mit Spielen wie Halo oder Destiny bekannt und kommerziell erfolgreich wurde. Zuletzt deckte sich der schwedische Medienkonzern Embracer Group mit namhaften Spielemarken ein: Für 300 Millionen Dollar übernimmt die Gruppe Marken wie Tomb Raider und Deus Ex sowie gleich drei Entwicklerstudios des japanischen Publishers Square Enix. 

Games: 58% der Deutschen spielen Computer- und Videospiele
Deutschland ist längst „Land der Daddler“. Das zeigen auch die Zahlen des game – Verband der deutschen Games-Branche e.V. | Quelle: game

Die Zahlen sprechen für sich und für die zunehmende Wirkmacht der Videospielbranche – die mittlerweile auch traditionell eher Games-ferne Unternehmen zugleich unter Druck setzt wie lockt. „Gaming ist das neue Streaming“ titelt das Handelsblatt und läutet den „Kampf um den Bildschirm“ ein. Wer Spiele ins Portfolio aufnimmt, eröffnet sich den Zugang zu einer beachtlichen Zielgruppe. Laut Welt am Sonntag, die sich auf aktuelle Zahlen des game – Verband der deutschen Games-Branche e.V. und des Digitalverbandes Bitkom beruft, ist Deutschland längst „Land der Daddler“. Jede:r Zweite gibt an, sich zumindest hin und wieder mit Videospielen zu beschäftigen. Mit 52 Prozent sind Männer hierbei nur noch leicht in der Mehrheit. Die Deutschen haben im vergangenen Jahr fast zehn Milliarden Euro für Spiele und Geräte ausgegeben. Tendenz: seit Jahren steigend. Laut des Statistikportals Statista nutzen 45 Prozent der Spieler:innen zum Spielen ihr Smartphone, jede:r Dritte den Computer und gut ein Viertel die Konsole. Kein Wunder also, dass der größte Umsatz mit Spiele-Apps auf Smartphones und Tablets gemacht wird und Spiele auch für eigentlich spiel-ferne Konzerne immer attraktiver werden.

Wie New York Times und andere auf den Games-Zug aufspringen

Die New York Times macht es vor. Ende Januar dieses Jahres kaufte sie für einen siebenstelligen Betrag das Online-Spiel Wordle, das innerhalb kurzer Zeit zu einem Internet-Hit wurde. Das ist nur die jüngste Games-Anschaffung des Konzerns. Kreuzworträtsel und Buchstaben-Spiele haben seit längerem große Bedeutung für die Abonnent:innen des Medienunternehmens. Laut eigener Aussage gehen 135.000 der insgesamt 455.000 Digitalabos im dritten Quartal 2021 auf die Games-, Koch- und Produktbewertungsangebote des Unternehmens zurück. Laut eigener Aussage hat die Times dank Wordle Nutzer:innen im zweistelligen Millionenbereich hinzu gewonnen.

Das Smartphone ist das für Games am meisten genutzte Medium in Deutschland.
Das Smartphone ist das für Games am meisten genutzte Medium in Deutschland. Entsprechend vielversprechend ist es für Unternehmen, vor allem in den Mobile- und Mini-Game-Bereich einzusteigen. | Quelle: game

Andere folgen nach. Frei nach dem Motto „Gaming ist das neue Streaming“ springt auch Streaming-Anbieter Netflix auf den Games-Zug auf. Gaming gehört seit Neuestem zum Portfolio des Konzerns, der seit seiner Gründung 1997 bis Ende März 2022 221,64 Millionen bezahlte Abonnements abgeschlossen hat, und dessen Börsenwert im Jahr 2020 mit knapp 195 Milliarden Dollar erstmals den der Walt Disney Company übertraf. Inzwischen umfasst das Angebot 17 Spiele – die Auswahl soll kontinuierlich ausgebaut werden. Dabei legt der Konzern einen Fokus auf Eigenproduktionen – die auch hinsichtlich Lizenzen und Co. mit geringeren Kosten zu Buche schlagen. Vorne mit dabei: Die beiden Spiele „Stranger Things: 1984“ und „Stranger Things 3: The Game“, die mit ihrer pixeligen Optik an die LucasArts-Adventures der 1990er-Jahre erinnern und an den Hype der gleichnamigen Netflix-Serie anzuknüpfen versuchen. Für die Entwicklung der Spiele kauft Netflix entsprechend Studios ein. Zuletzt etwa Night School Studio, ein ehemaliges Indie-Studio, das 2016 mit dem preisgekrönten Adventure „Oxenfree“ bekannt wurde. 

Der Trend ist auch in Deutschland und Bayern angekommen

Analoge Entwicklungen zu Netflix und der New York Times gibt es auch in Deutschland und Bayern seit längerem. Darauf weisen auf Nachfrage Philipp Reinartz, selbst erfolgreich im Bereich Gamification von Unternehmen, und der game – Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V. hin. Auf Spiegel Online und anderen News-Seiten und Online-Publikationen könne man schon seit geraumer Zeit Spiele spielen. Die ProSiebenSat.1 Group erwarb bereits 2011 mit burda:ic und browsergames.de führende Games-Anbieter. Und bei einem multimedial agierenden Konzern wie der Kölner bildundtonfabrik, die durch die Produktion von ZDF-Sendungen wie Roche & Böhmermann, Neo Magazin Royale und der Netflix-Serie How to Sell Drugs Online (Fast) bekannt ist, sind die Grenzen zwischen TV, Film, Online-Content und Videospielen ohnehin fließend. 

Auch anderweitig ergänzen Spiele das Portfolio bayerischer Firmen. Laut Branchenverband Games/Bavaria wagen sich vor allem einige bayerische Filmproduktionsfirmen dank erhaltener Fördermittel des FilmFernsehFonds Bayern (FFF) vermehrt an die Produktion von Videospielen. So etwa die Weltenwandler Designagentur aus dem oberbayerischen Grasbrunn, die mit dem Münchner Spielestudio Mimimi Games schon bei früheren Games-Projekten zusammengearbeitet hat. 

Die Videospielbranche macht enorme Umsätze
Die Videospielbranche macht enorme Umsätze – und wird entsprechend zunehmend wirkmächtig. | Quelle: Newzoo

Das Potenzial des Trendmediums Game ist also nicht neu, wird aber derzeit von vielen Unternehmen erst richtig erkannt. Galt die Branche lange als Nische, kann sie mittlerweile kaum mehr ignoriert werden. Und die Zukunft wird noch rosiger, wie eine Hochrechnung des Portals Newzoo zeigt: Danach wird der  Games-Markt im Jahr 2024 global gesehen Umsätze von voraussichtlich 220 Milliarden US-Dollar machen. Auch der deutsche Spiele-Markt wird aller Voraussicht nach weiter wachsen – allein 2021 verzeichnete er einen Anstieg um siebzehn Prozent. 

Chancen für die bayerische Medienbranche 

Die Wachstumsbranche Games verspricht also nicht nur eine Erweiterung der eigenen Zielgruppe und – etwa durch Service-Games – beispiellose Kundenbindung. Games werden zur vielversprechenden Anlage – auch für Games-ferne Unternehmen. Gleichzeitig greifen aus Spielen bekannte Elemente immer mehr in den nicht-spielerischen Alltag von Unternehmen über. Mit Gamification-Ansätzen werden ludische Mittel gezielt, gewinnbringend in spielfernen Kontexten eingesetzt und als Marketing-Tool sowie zur Kundenbindung genutzt. 

Das Potential ist dabei noch lange nicht ausgereizt – meint Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche e.V.: „Eigentlich müsste man die Frage stellen: Warum nutzen bisher noch so wenige Unternehmen die Möglichkeiten von Games? Denn bisher ist das Engagement häufig doch eher zurückhaltend. Oder könnte man sich vorstellen, dass ein großer Verlag in Deutschland bei einem Spiele-Hype wie Wordle so schnell aktiv wird wie die New York Times?“ Sein Fazit: „Das Potential von Games wird hierzulande noch viel zu häufig unterschätzt.“ Beispiele wie Bertelsmann oder Bastei Lübbe habe es in der Vergangenheit zwar gegeben – die seien aber nicht mehr im (Games-)Geschäft. Und eher Ausnahmen von der Regel. Luft nach oben ist also noch da.  

Zahlen & Studien

Quellen & nützliche Links

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