Social Media als Nachrichtenquelle der Generation Z
von Manon Harenberg, 19. Januar 2024
In den letzten Jahren haben sich die Informationsquellen, aber auch die Art und Weise des Nachrichtenkonsums maßgeblich gewandelt. Besonders deutlich wird das bei den 14- bis 29-Jährigen, der so genannten Generation Z. Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok haben sich in dieser Altersspanne zu den wichtigsten Quellen für Nachrichten und Informationen entwickelt.
Diese Verlagerung zu Social Media bringt neue Herausforderungen mit sich: Eine solide Informationskompetenz wird zu einer der wichtigsten Fähigkeiten, um Nachrichten bewerten zu können. Um mit der Gen Z erfolgreich zu interagieren, ist es für Medienunternehmen an der Zeit, das veraltete Regelwerk aufzugeben und sich auf die neuen Bedürfnisse einzustellen.
Soziale Medien – der wichtigste Touchpoint
Durchgehend online, vernetzt mit der Community und – ganz nebenbei – immer auf dem Laufenden: Für unter 30-Jährige sind soziale Medien der wichtigste Touchpoint für Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen, knapp vor allgemeinen Internetangeboten. Diesen Trend ergaben die Ergebnisse der Mediengewichtsstudie der Medienanstalten mit dem Schwerpunkt auf sozialen Netzwerken. Demnach nutzen rund zwei Drittel (64 Prozent) der Generation Z an einem Durchschnittstag Social Media als Infoquelle. Rund 30 Prozent dieser jungen Zielgruppe nennen soziale Medien sogar ihre wichtigste Quelle.
Dieser Trend ist jedoch nicht nur bei der Gen Z zu verzeichnen: Social Media wird auch zunehmend zum Infokanal abseits der jungen Zielgruppe. Auch bei den über 30-Jährigen steigt die tägliche Nutzung als Infoquelle im Vergleich zu den Vorjahren.
Instagram, YouTube und TikTok: News-Kanäle der Zukunft?
Die Nutzung für News verlagert sich immer mehr auf videolastige Angebote: Mit Blick auf die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren verteidigen YouTube und Facebook ihre Spitzenplätze, gefolgt von den Social-Media-Angeboten Instagram und TikTok. Bei den 14- bis 29-Jährigen zeigt sich hingegen ein anderes Bild: Instagram und YouTube liegen mit jeweils 29 Prozent weit vorne. TikTok katapultierte sich in den vergangenen Jahren bei der Gen Z auf Platz drei. Die Präsenz und der Einfluss von TikTok in der digitalen Welt steigen, denn die Plattform bietet mittlerweile weit mehr als nur Tanzvideos, Rezeptempfehlungen und Beauty-Tipps. Aktuelle Nachrichten gewinnen zunehmend an Bedeutung – TikTok wird zur Suchmaschine für Informationen.
Influencer, TV-Sender und Privatpersonen als Top-Infoquellen
Mit dem zunehmenden Nachrichtenkonsum über Social Media verändert sich auch die Wahrnehmung der User:innen, welche Personen als eine wichtige Quelle gelten. Während bei Facebook und der Plattform X (ehemals Twitter) vor allem Nachrichtenmedien und Journalist:innen als relevant gelten, sind es etwa bei Instagram und TikTok in erster Linie Prominente, Influencer:innen und private Personen. Über ein Drittel der Generation Z nimmt an einem Durchschnittstag Informationen über das aktuelle Zeitgeschehen über Beiträge von Blogger:innen oder Influencer:innen wahr (35 Prozent), dicht gefolgt von Info-Posts der deutschen TV-Sender (34 Prozent). Auf Platz drei folgen Inhalte von privaten Nutzer:innen mit 29 Prozent.
Social Media überschwemmt mit Inhalten
Soziale Medien bieten für die Gen Z nicht nur eine neue Quelle für Nachrichten und Informationen. Auf Social Media erleben die jungen Menschen eine Fülle von Angeboten, die in ihrer Anzahl und Vielfalt noch nie größer war. Denn die niedrigen Publikumsbarrieren ermöglichen es allen User:innen, Meinung zu äußern, Inhalte zu veröffentlichen und als Talent entdeckt zu werden. Dieser Umstand trägt maßgeblich dazu bei, dass sich die Prozesse der öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung verändert haben. Klassische Medien sind zwar nach wie vor relevant – sie gewähren aber nicht mehr den alleinigen Zugang zur Öffentlichkeit. Meinungsbildung findet zunehmend in sozialen Netzwerken statt. Dies eröffnet zunächst zahlreiche Chancen, bringt jedoch gleichzeitig auch neue Risiken und Herausforderungen für die Medienbranche mit sich.
Warum Fake News viral gehen
Das Problem bei sozialen Netzwerken: Ihre Algorithmen sind nicht auf Meinungsvielfalt und Qualität des öffentlichen Diskurses ausgerichtet, sondern darauf, die Nutzer:innen möglichst lange auf der Plattform zu halten und hohe Klickzahlen zu erreichen. Das führt zu höheren Werbeeinnahmen und funktioniert am besten mit emotionalen oder aufsehenerregenden Inhalten. Gleichzeitig zeigen verschiedene Studien, dass soziale Medien die klare Unterscheidung zwischen Information, Desinformation, Meinung und (politischer) Werbung viele Nutzer:innen vor eine unlösbare Aufgabe stellt. Damit können soziale Netzwerke wie Instagram und TikTok schnell zu einem Ort werden, an dem sich Fake News und Hatespeech ungehindert verbreiten.
Im Rahmen einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Bitkom Research wurde die Wahrnehmung von Fake News in sozialen Netzwerken in Deutschland im Jahr 2023 untersucht. Fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Social-Media-Nutzer:innen gab an, häufig oder gelegentlich Fake News in sozialen Netzwerken zu begegnen. Nur gut ein Fünftel sind in den vergangenen zwölf Monaten vor der Erhebung keine Fake News aufgefallen.
Nach den Ergebnissen der Studie wurden die Befragten besonders in Bezug auf die Themen COVID-19, Krieg in der Ukraine sowie Flüchtlinge/Zuwanderung konfrontiert. Die Initiative NewsGuard bewertet Nachrichten- und Informationsplattformen nach ihrer Glaubwürdigkeit. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 kommt sie zu dem Ergebnis, dass beispielsweise der TikTok-Algorithmus innerhalb von 40 Minuten nach Anmeldung zu falschen oder irreführenden Fakten über den Krieg in der Ukraine leitet.
Interesse an Nachrichten sinkt
Immer mehr Menschen haben immer weniger Interesse an Nachrichten – das ist eine der Kernaussagen des Digital News Report 2023 von Reuters Institute for the Study of Journalism. Eines der Ergebnisse: Nur 52 Prozent der Internetnutzer:innen im Alter ab 18 Jahren geben an, äußerst oder sehr an Nachrichten interessiert zu sein. Im Vorjahr waren es noch 57 Prozent. Zwischen den Altersgruppen wird dabei ein starkes Gefälle deutlich: Während die über 55-Jährigen noch zu 71 Prozent ein großes Interesse an Nachrichten angeben, sind es bei den 18- bis 24-Jährigen nur 28 Prozent.
Jeder zehnte Erwachsene mit Internetzugang gibt sogar an, oftmals aktiv die Nachrichten zu umgehen – 65 Prozent tun dies zumindest gelegentlich. Zwischen 2017 und 2022 hat diese Tendenz in allen Altersgruppen zugenommen. Die am häufigsten aktiv vermiedenen Themen sind demnach der Krieg in der Ukraine, Prominente, Gesundheit (z.B. COVID-19) und Sportnachrichten.
Welcher Auftrag folgt daraus für die Medienhäuser? Es ist an der Zeit, dass sich Medienschaffende auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der Gen Z einstellen und sie dort abholen, wo sich die junge Zielgruppe aufhält: Social Media. Um den demokratischen Diskurs in sozialen Medien zu stärken, muss die Generation Z für gut recherchierte Nachrichten begeistert werden – mit verständlichen Inhalten, die das Interesse am aktuellen Zeitgeschehen wecken. Es geht nicht nur darum, Nachrichten zugänglich zu machen, sondern die jungen Menschen ebenso in der Fähigkeit zu schulen, Inhalte kritisch bewerten zu können.
News-Angebote für die Generation Z
Immer mehr Medienanstalten und Medienvertreter:innen erkennen die aktuellen Entwicklungen mit ihren Potenzialen, aber auch Risiken. Sie reagieren mit neuen Formaten, um die Generation 14- bis 29-Jähriger mit verifizierten Informationen zu erreichen – immer auch mit dem Ziel, Lust auf Nachrichtenkonsum zu machen und komplexe Themen verständlich herunter zu brechen. Und damit bestenfalls dem sinkenden Interesse an Nachrichten entgegenzuwirken.
In Bayern
Die „News-WG“ ist ein Instagram-Kanal des Jugendprogramms PULS des Bayerischen Rundfunks. Sie möchten junge Menschen genau da erreichen, wo sie sich aufhalten – auf Social-Media-Plattformen. Ihr Ziel: politisch relevante Themen authentisch, auf Augenhöhe und verständlich erklären.
Die Faktenchecker: Instagram-Kanal „Volksverpetzer“
Der „Volksverpetzer“ aus Augsburg setzt sich mit Fake News im Netz auseinander und möchte diesen durch Quellen belegte Argumente entgegenwirken. Den Algorithmus in sozialen Medien haben sie erkannt und für sich genutzt.Die Posts haben ein klares Framing und appellieren an Emotionen, um eine möglichst breite Masse der Gen Z zu erreichen – mit Erfolg: fast eine halbe Million Follower:innen erreicht er auf Instagram.
Mit seiner Arbeit wurde der Volksverpetzer als „Blogger*in des Jahres 2019“ ausgezeichnet. 2020 erhielt er den Augsburger Medienpreis in der Kategorie „Mut“ mit der Begründung, der Blog wolle zu einer ausgewogeneren Meinungsbildung beitragen und versuchen, Verschwörungstheorien und Fake News einzudämmen.
Deutschlandweit
„DIE DA OBEN!“ zeigt die hitzigsten Debatten aus dem Bundestag
Im Bundestag werden zahlreiche Themen debattiert – doch vieles von dem, was dort besprochen wird, findet seinen Weg nicht aus dem Sitzungssaal heraus. Das funk-Format „DIE DA OBEN!“informiert über Meinungen und Forderungen von Politiker:innen und Parteien. Die Hosts Jan Schipmann, Aline Abboud und Victoria Reichelt berichten über hitzige Debatten, vergleichen die Aussagen aus den Fraktionen und ordnen sie ein – und informieren damit fast 330.000 Menschen auf Instagram und über 260.000 auf YouTube.
Mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet: Youtuber und Journalist „MrWissen2go“
Auf YouTube und Instagram erklärt Mirko Drotschmann jungen Menschen als „MrWissen2go“ all das, was man in den Nachrichten nie ganz versteht: das aktuelle Zeitgeschehen, Politik und Geschichte. Mit seinen funk-Formaten ist er zu einer festen Erklärgröße bei der jungen Zielgruppe geworden und ergänzt mit seinen Videos schon vielerorts den Schulunterricht. Die mehr als zwei Millionen Abonnent:innen auf YouTube und fast 200 Tausend Abonnent:innen auf Instagram sprechen dafür, dass ihm eine anschauliche und sachgerechte Vermittlung gelingt. Für seine Arbeit wurde dem Journalisten und YouTuber im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz verliehen.
„Watson“ – Die Stimme der jungen Generation
Journalismus für junge Menschen – so lautet das Ziel der Nachrichten- und Medienseite watson. Sie selbst beschreiben sich als das News-Portal für junge Leute, das über Politik, Nachhaltigkeit, Leben, Sport und Unterhaltung informiert. Auf Instagram erreichen die Hosts mit ihren Inhalten über 70.000 Follower:innen.
Was Medienhäuser aktiv tun können
- Unterhaltsame Aufbereitung: Nachrichten sollten auf eine unterhaltsame Art präsentiert werden. Infografiken, Erklärvideos und Animationen helfen, die Aufmerksamkeit der Generation Z zu gewinnen und komplexe Inhalte anschaulich zu vermitteln.
- Klare und einfache Sprache: Ganz entscheidend dafür, die Hürden für den Nachrichtenkonsum zu minimieren: Statt komplizierter Fachbegriffe sollte eine leicht verständliche, klare Sprache eingesetzt werden, die für alle zugänglich ist – ohne, dass ein Wörterbuch nötig ist.
- Nachrichten ein Gesicht geben: Ob Journalist:in, Influencer:in oder Expert:in – Persönlichkeiten schaffen eine menschliche Verbindung und machen Nachrichten glaubwürdiger. Kurze Videos, Interviews oder Statements schaffen eine authentische Verbindung und bauen eine engere Bindung zur Gen Z auf.
- Interaktive Elemente einbauen: Nachrichten sollten bestenfalls nicht nur konsumiert, sondern aktiv erlebt werden. Durch Umfragen, Quizze oder Abstimmungen werden die jungen Nutzer:innen ein Teil des öffentlichen Diskurses und setzen sich stärker mit politischen Themen auseinander. Medienunternehmen können damit den Dialog mit der Community aktiv gestalten und vertiefen.
- Storytelling verwenden: Statt trockenen Fakten ergibt es häufig Sinn, Informationen in Geschichten oder Beispiele zu verpacken, die den Inhalt lebendig werden lassen. Storytelling ermöglicht, komplexe und abstrakte Themen in verständliche und fesselnde Geschichten zu verwandeln.
Quellen und nützliche Links:
- ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie: Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
- Bayerische Landeszentrale für neue Medien: Meinungsbildung mit Instagram, TikTok und Co.
- Bitkom Research 2023: Wie die Deutschen Social Media nutzen
- Die Medienanstalten: Social Media als Infokanal | Gewichtsstudie 2022-I
- Reuters Institute Digital News Report 2023: Ergebnisse für Deutschland
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