Podcasts, Voice Advertising und Co: Warum Audio gerade boomt
Wie wichtig ist das Thema Audio aktuell für den Bereich Werbung und Marketing? Und welche Rolle spielen Daten dabei? Darüber haben wir mit dem Digitalexperten Frank Bachér gesprochen. Er leitet beim Hamburger Audiovermarkter RMS seit 2016 den Bereich digitale Medien und hat bereits einige erfolgreiche datenbasierte Angebote angeschoben.
Herr Bachér, Sie werden von Unternehmen wie Quantyoo und Crossplan mit First Party Daten, also Nutzerdaten, beliefert. Was passiert bei Ihnen mit den Daten?
Bachér: Unser Ansatz als Aggregator der privaten Audiolandschaft ist es, möglichst viele Daten von Audiodeutschland in einem großen Topf zu sammeln und diese datengetriebene Reichweite genau an der Stelle anzubieten, wo die nationale Vermarktung stattfindet. Wir nutzen dafür die RMS Audio DMP, die wir vor zwei Jahren auf der dmexco in Köln gelaunched haben.
Was für Werbeangebote können damit geschnürt werden?
Bachér: Ziel ist es, dass Werbetreibende und Agenturen entsprechend der datengetriebenen Logik Zielgruppen ansprechen können. Das war in der digitalen Audiowelt lange nicht möglich, da man dafür über Daten verfügen muss. Bei den Daten geht es einerseits um klassische soziodemographische Merkmale, andererseits um die Interessen der Nutzer, die sich durch das Nutzungsverhalten auf einer Website zeigen. Dort interessieren sie sich zum Beispiel für Auto- oder Reisewebseiten. Über weitere Daten, die wir nutzen, wissen wir dann, ob jemand ein konkretes Interesse hat, ein Auto zu kaufen oder in den Urlaub zu fahren.
Welche Werbekunden oder welche Branchen greifen auf solche Werbeangebote zurück?
Bachér: Wir halten inzwischen über 50 Prozent aller Kampagnen und Umsätze, die über datengetriebene Kampagnen ausgeliefert werden. Das ist ein toller Erfolg innerhalb von zwei Jahren! Dementsprechend können wir gar nicht sagen, dass das eine bestimmte Klientel ist. Vielmehr ist ein weiterer Erfolg, dass alle relevanten Branchen das Thema „datengetrieben“ für sich erkannt haben und das auch einkaufen.
Im Umfeld der datengetrieben Audioangebote treffen Sie auf eine ganz neue Konkurrenzsituation. Große Digitalmarken wie Spotify und Amazon sind nicht mehr nur Werbepartner, sondern auch Konkurrenz. Ist viel Reichweite wichtig, um in der Audiovermarktung mithalten zu können?
Bachér: Definitiv. Als nationaler Vermarkter machen wir einen Großteil des Umsatzes über die großen Mediaagenturnetzwerke, die sehr stark auf Skalierbarkeit achten. Je spezifischer ein Kunde eine Kampagne haben möchte, desto wichtiger ist die Reichweite. Wenn ich ein bestimmtes Segment adressieren will, zum Beispiel Frauen zwischen 20 und 29 Jahren, die ein Interesse am Reisen haben und in den nächsten drei Monaten verreisen wollen, dann brauche ich erstmal insgesamt eine sehr große Reichweite, damit ich überhaupt in der Lage bin, die Reichweite für das Segment gemäß dem Kampagnenziel auszuliefern. Mit jeder weiteren Zielgruppensegmentierung wird meine Reichweite natürlich kleiner.
Eine besonders große Herausforderung stellt das aktuell im Podcast-Bereich dar: Es gibt inzwischen in Deutschland etwa 45.000 Podcast-Angebote. Große Podcast-Angebote haben in Deutschland vielleicht zwei-, drei-, fünfhunderttausend Abrufe pro Session. Wenn ich das dann noch runterbreche und nach einer Logik wie „Frau“, „Zielgruppe“, „Interesse“ segmentiere, bin ich noch bei 50.000 Abrufen. Das macht keinen Werbetreibenden froh. Daher ist dieses Thema Reichweite und das Bündeln der Reichweite in einem großen vermarktbaren Gefäß so wichtig für uns als Industrie.
Die Möglichkeit, über die Stimme – die natürlichste Form der Kommunikation – zu interagieren, hat einen unglaublichen Response-Effekt.
Frank Bachér, RMS
Auch, wenn es beim Thema Reichweiten im Podcast-Bereich noch hapert: Gibt es trotzdem aus Marketingsicht Potenziale?
Bachér: Die Potenziale sind sehr groß, weil wir eine starke Nachfrage von den Werbekunden und den Agenturen feststellen. Das liegt sehr stark daran, dass wir das erste Mal in der Audiowelt eine ganz andere Qualität von Inhalten haben. Nichts gegen die Angebote der Radiosender. Aber wenn es zum Beispiel darum geht die auditive Fachzeitschrift erreichen zu wollen, dann kann ich das aktuell nicht über die „general interest“-igen Radio- und Audioangebote, sondern will da im Zweifelsfall über ein sehr spezifisches Format rein. Über die letzten drei, vier Jahre ist durch die Podcast-Formate eine unglaubliche Breite und Tiefe an Inhalten entstanden, die es so vorher im Audiobereich nicht gegeben hat. Wir können damit unseren Kundenstamm deutlich erweitern, weil wir Interesse bei Kunden sehen, die bislang in Audio gar nicht aktiv waren.
Wie wird die Werbung im Podcast ausgespielt?
Bachér: Die Herausforderung ist, einen Vermarktungsansatz zu finden, der auch eine gewisse Skalierbarkeit hat. Viele andere Vermarkter gehen in der Regel den nativen Weg. Das heißt, der Host des Podcast spricht auch die werbliche Botschaft. Der Nachteil ist, dass das ein sehr manueller Vorgang ist, der sich schlecht skalieren lässt. Deshalb haben wir einen anderen Ansatz: Wir nutzen eine zentrale Technologie, den sogenannten Ad Server, der die Werbung ausspielt. Diese Technologie bieten wir auch im Podcast an. Diejenigen die bei uns ihre Podcasts vermarkten lassen, werden technologisch an ein Auslieferungssystem angeschlossen und wir können sehr spezifisch Podcast-Werbung ausspielen.
Wird Podcast-Werbung thematisch angepasst? Also, können Sie sicherstellen, dass der Spot zu einem bestimmten Thema passt?
Bachér: Das kennen wir bereits aus der Videowerbung auf YouTube. Da haben wir auch nicht den klassischen Spot, den wir im linearen Fernsehen sehen, sondern Spots mit einer anderen Dramaturgie, die deutlich kürzer sind. Das ist etwas, was wir jetzt mit Podcast-Only-Ads versuchen wollen. Wir wollen gemeinsam mit den Kunden dahin kommen, spezifische Spots zu entwickeln, die besser in dieses Umfeld passen. Das ist notwendig, um dieses Thema skalierbar zu machen, aber trotzdem das Interesse der Kunden aufrecht zu erhalten – und das ist definitiv da.
Spielt die datengetriebene Vermarktung dabei eine Rolle?
Bachér: Das ist genau der Ansatz. Wir wollen im Bereich Podcast eine datengetriebene Vermarktung anbieten. Wichtig ist dabei, wie schon gesagt, entsprechende Reichweite aufzubauen. Im Podcastbereich ist das kontextuelle Targeting sehr spannend. Wenn in einem Podcast dreimal ein bestimmter Begriff – zum Beispiel Computer – auftaucht, dann wird es sich wahrscheinlich um ein Angebot handeln, das sich mit Computerthemen beschäftigt. Dann kann ich wunderbar über den Ad Server für einen Computer-Kunden ein Hard- oder Software-Produkt ausspielen.
Neben Podcasts nimmt auch der Medienkonsum über mobile Anwendungen massiv zu. Was sind Ihre Learnings zur mobilen Audionutzung?
Bachér: Ein riesiges Thema ist zum Beispiel Voice Advertising. Damit können wir dafür sorgen, dass die Nutzer:innen direkt in einen Online-Audio-Spot reinsprechen können. So sind sie in der Lage, den Spot selbst zu steuern und auf Fragen wie „Hast du Lust auf eine Probefahrt?“ direkt mit „Ja, ich möchte Probefahrt machen.“ zu antworten. Über Smart Speaker ist das heute schon möglich.
Mit Bacardí, mit Akt und mit Bahlsen werden erste Kampagnen gemacht, die über den Smart Speaker gehen und bei denen über entsprechende Action Skills eine Interaktion hergestellt werden kann. Im Bereich Apps, also auf dem Smartphone, können wir das bislang noch nicht. Voraussetzung dafür ist – und das ist ein Thema, zu dem wir sehr eng mit den Sendern in Kontakt sind –, dass die Sender bei sich ein STK verbauen. Das ist eine Technologie, mit der wir den technischen Zugriff bekommen, damit wir, wenn die Nutzer zum Beispiel einen Antenne Bayern-Online-Audio-Spot hören, auch interagieren können. Das sind Themen und Anwendungen, die wir gemeinsam entwickeln müssen, damit wir dem Werbemarkt neue Produkte zur Verfügung stellen können.
Was für ein Potenzial steckt in Voice Advertising?
Bachér: Ich persönlich bin ein riesiger Fan von Voice Advertising. Die Möglichkeit, über die Stimme – die natürlichste Form der Kommunikation – zu interagieren, hat einen unglaublichen Response-Effekt. Es gibt Kampagnen in den USA, bei denen die Response-Rate bei elf bis zwölf Prozent lag. Ein durchschnittlicher Banner wird in Deutschland zu 0,1 Prozent geklickt, also einer von Tausend klickt mal auf den Banner. Wir haben tolle Möglichkeiten, zukünftig Online Audio als komplett digitales Medium mit der Rückkanalfähigkeit im Markt zu platzieren.
Inwiefern ist Vernetzung im Audiobereich relevant?
Bachér: Ich halte Audio für ein sehr spannendes Medium – gerade, wenn es darum geht, zu schauen, wie weit wir unsere Reichweite und unsere Möglichkeiten mit anderen Medien vernetzen können. Es gibt Medien – wie zum Beispiel IP TV –, die ebenfalls mit wenig Cookie-basierter Nutzung bestückt sind. Da würden sich Vernetzungsansätze realisieren lassen.
Wir denken auch darüber nach, wie wir in „Digital out of home“ ein Zusammenspiel hinkriegen können: Warum bekomme ich unterwegs auf einem Screen ein grafisches Format ausgespielt, aber keinen Audiospot? Das sind alles Themen, die heute technologisch machbar sind. Es gibt viele Ansätze, eine crossmediale Verlinkung herzustellen und Online Audio als ein Medium in die Customer Journey mit einzuarbeiten. Aber da sind wir noch ganz am Anfang.
Frank Bachér im Video Talk:
Dieser Beitrag ist ein Content Drop im Rahmen unser Themenwoche MEDIA meets DATA SCIENCE.
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