Willkommen im Club – was bedeutet Clubhouse für den Journalismus?
Von Julia Hägele
In Clubhouse tummeln sich unter anderem Journalist*innen, Politiker*innen und Prominente. Trotz lauter werdender Kritik an der der Social-App bleibt der Hype ungebrochen. Johannes Ott, Geschäftsführer von Radio Gong 96.3, und Markus Riese, Leiter der Marketing-Abteilung des Bayerischen Rundfunks (BR), sprechen im Interview über ihre Erfahrungen mit der Audio-only-App und die Bedeutung von Clubhouse für den Journalismus.
Clubhouse ist eine Audio-only-App, bei der man Gespräche wie bei einem Live-Podcast hören und auch aktiv mitdiskutieren kann. Die Gespräche finden in sogenannten Rooms statt. Es gibt auch soziale Funktionen wie etwa die Möglichkeit, in Profilen anderer Teilnehmer zu sehen, in welchen Rooms sie sich bewegen. Dadurch können solche digitalen Podiumsgespräche auch im Voraus organisiert werden. Wer mitmachen will, benötigt eine Einladung – was der App einen exklusiven Charakter verleiht. Bisher wird die App nur im Apple-App-Store angeboten. Datenschützer kritisieren, die App gehe nicht sensibel genug mit den privaten Daten Unbeteiligter um.
Wie haben Sie selbst Clubhouse bereits genutzt?
Markus Riese: Ich habe an Gesprächsrunden teilgenommen und festgestellt, dass auch einige BR-Moderator*innen bei Clubhouse aktiv sind. Die Bandbreite der Themenfelder ist wirklich bemerkenswert, die Diskussionskultur empfinde ich bisher als durchaus positiv. Mein persönliches Highlight war der Talk mit den Fußballspielern Timo Werner und Toni Kroos, als völlig überraschend Thomas Müller erst wenige Stunden nach dem 4:0-Sieg gegen Schalke auf der digitalen Bühne eingeblendet wurde und für große Erheiterung und ungewohnte Nähe sorgte.
Johannes Ott: Die Bedienbarkeit der App ist tadellos. Man findet sich als User schnell zurecht. Schmunzeln musste ich erst einmal darüber, dass das alte Prinzip der „Verknappung“ immer noch zu funktionieren scheint, um schnell Reichweite aufzubauen. Nur „in ist, wer drin ist“ – und trotzdem: Man findet auf Anhieb fast alle seiner Kontakte wieder.
Worin liegt Ihrer Meinung nach der besondere Reiz von Clubhouse?
Riese: Der Reiz liegt im Spannungsfeld zwischen Branchenkonferenz und einem Afterwork-Talk, gerade weil während des Teil-Lockdowns und der unzähligen Video-Schalten auch mal die Augen entlastet werden können.
Ott: Gerade in Krisenzeiten suchen wir noch mehr nach Vorbildern, die uns Tipps für unser eigenes Leben und unseren eigenen Weg geben. Wer nach „Coaching“ und Austausch sucht, wird hier einfach, schnell und (noch) gratis fündig. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Nutzung der Plattform in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird. Der aktuelle Lockdown ist sicher ein ganz idealer Startzeitpunkt: Viele Nutzer*innen suchen nach einem Zeitvertreib, viele Speaker*innen suchen nach einer virtuellen Bühne, die sie bei Clubhouse finden.
Welche Auswirkungen, denken Sie, hat die App auf den Journalismus?
Riese: Die Schlagzeilen um Bodo Ramelows „Merkelchen“-Fauxpas haben gezeigt: Für Journalist*innen, die Zugang zur Community haben, kann Clubhouse natürlich eine zusätzliche Quelle sein. Außerdem könnten prominente Journalisten die App verstärkt fürs Personal Branding einsetzen und flankierende Dialogformate mit der eigenen Community entwickeln. Diese App kann sich durchaus in einer Nische etablieren, wenn die Vorteile angemessen genutzt werden. Wobei es natürlich datenschutzrechtlich einige Fragen gibt, etwa bei der äußerst fragwürdigen Vernetzungstechnik, für die alle persönlichen Kontakte im Handy-Adressbuch offengelegt werden müssen. Bei uns im BR wird daher der Hype um Clubhouse eben wegen der auch von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) festgestellten gravierenden rechtlichen Mängel intern sehr kritisch überprüft.
Ott: Für uns als Journalisten ist es wieder einmal ein Beweis, dass für Menschen der Austausch wichtig ist und zu gutem Journalismus mehr denn je dazugehört, die Community mit einzubeziehen. Da es allerdings keinerlei Möglichkeit der Bewertung der gemachten Aussagen gibt, sind die Informationen im Gegensatz zu gutem Journalismus ungefiltert. Wer kontrolliert also, dass auf dieser Plattform keine Fake News oder Hetze verbreitet wird?
Was könnte besser sein an der App?
Ott: Schade finde ich, dass die Talks in den Rooms nicht gespeichert werden. Es entwickelt sich ja alles in Richtung „on demand“, weil sich Menschen eben nicht mehr von einem Medium vorschreiben lassen wollen, um wieviel Uhr sie „einschalten“ sollen. Generell sieht man aber auch an dieser Plattform: Audio ist angesagt! Und auch wir Radiosender profitieren mit unseren Angeboten, die ja mittlerweile weit über das lineare UKW-Programm hinaus gehen.