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Bühne der Radiodays Europe 2025

Radiodays Europe 2025: Mit Herz, Nähe und dem richtigen Ton in die Audio-Zukunft

Von Lukas Schöne, 17. März 2025

In Athen trafen sich Audio-Macher:innen aus Europa und der ganzen Welt, um über die Zukunft der Branche zu diskutieren. Und die ist vor allem: menschlich. Nachdem in den vergangenen Jahren KI im Fokus stand, betonten die Speaker auf den Bühnen fast durchweg, wie wichtig echte Verbindungen, Emotionen, Nähe und Kooperationen sind. 

Achtung, es folgt eine Anekdote zu Beginn. Was man nicht alles tut, um einen Punkt zu machen. Nach den Radiodays blieb ich noch einige Tage in Griechenland und am Ende bot mir mein Gastgeber netterweise an, mich zum Flughafen zu fahren. Im Auto drehte er als erstes das Radio leiser und entschuldigte sich: „Sorry für den nervigen Mist, aber bei meinem alten Auto ist es mir zu umständlich, jedes Mal mein Handy anzuschließen.“ Bei den Radiodays haben wir viel gehört darüber, wie wichtig für das Medium die Verbindung zu den Menschen ist. Bei meinem Fahrer hat sich nichts verbunden. Ein Einzelfall? Unwahrscheinlich. Die Episode zeigt, wie schwer es sein kann, den Anspruch, ein Medium für die Menschen zu sein, von der Konferenz-Bühne in die Realität zu übertragen. Wie wird Radio von einer Gewohnheit zu einem echten Einschaltgrund? 

Vielleicht liegen solche Verbindungsprobleme auch an der Sprache. Eigentlich wollte ich meinen üblichen Text „Hier sind fünf Learnings von den Radiodays Europe“ schreiben. Schon beim Wort „Learnings“ musste ich stutzen. Wer redet außer uns so? Bei Konferenzen wie den Radiodays suchen wir nach „Engagement in Nischen“, sind „inspiriert“, wollen „Zielgruppen monetarisieren“ und alles soll „thriving“ sein. Nicht falsch verstehen: Das ist richtig und es ist wichtiger denn je, dass wir uns als Branche treffen und Ideen austauschen. Und man könnte einwenden, dass auf einer Fachkonferenz nun mal Fachsprache gesprochen wird. Ein bisschen mehr Realitätscheck würde Medienkonferenzen aber zuweilen gut tun. Wir sind eine Branche, die davon lebt, Menschen sprachlich in ihrem Alltag zu begleiten. Und so bleibt eine offene und zugegebenermaßen schwierig zu beantwortende Frage: Wie können wir die Menschen, für die wir den ganzen Spaß machen, besser einbinden?

Nach der kleinen Stilkritik habe ich trotzdem noch fünf subjektive Beobachtungen von den Radiodays mitgebracht, die zeigen, wie eine echte Verbindung entstehen kann.

Vortrag des BBC Radio auf der Bühne der Radiodays Europe 2025.

1. Hörer:innen sind das Herz der Show

Scott Mills lässt es ganz einfach aussehen: Der bekannte BBC-Moderator bindet in seinen Shows die Hörer:innen so organisch ein, dass sie wie selbstverständlich dazu gehören. Seit kurzem moderiert er bei Radio 2 die Morningshow, ein Flaggschiff der BBC, und fragt die Hörer:innen nach Details aus ihrer Morgenroutine. Die Rückmeldungen baut er ein in das Intro und spielt sie über die Show verteilt. Das wirkt nie gezwungen oder aufgesetzt, sondern immer echt. Seine Fans danken es ihm. Manchmal kann es so einfach sein.

2. Local, local, local

Das Erfolgsrezept von Radio Gibraltar bringt CEO James Neish auf eine einfache Dreifach-Formel: „Wir sind lokal. Und lokal. Und lokal.“ Mit dieser konsequenten Philosophie könne der öffentlich-rechtliche Sender seine Reichweite kontinuierlich steigern, so Neish. „Wir sind vor Ort präsent und zeigen, dass uns die Community am Herzen liegt.“ Da sein, wo die Menschen sind, das heißt für viele: Instagram, TikTok und ja, immer noch Facebook. Radio Gibraltar bedient auch diese Kanäle, unter anderem mit Videos, aber vor allem interpretieren sie das wörtlich: Da sein heißt rauszugehen. Das war eine Erkenntnis, die viele in Athen äußerten; back to the roots sozusagen. 


Wir sind vor Ort präsent und zeigen, dass uns die Community am Herzen liegt.

James Neish, Radio Gibraltar

3. Music was our first love

Musik kann so viel mehr als die Hörer:innen nur berieseln. Sie ist gemeinschaftsstiftend und Gesprächsstoff. Das bewies der schwedische Musiksender P3 mit seiner Aktion „P300“. Eine ausgewählte Jury aus Expert:innen und Hörer:innen bestimmte die 300 besten Popsongs aus schwedischer Perspektive. Das Ganze gipfelte in den Top Ten, die in der Morningshow präsentiert wurden. Gewinner: „Dancing on my own“ von Robyn. Die Aktion führte zu großen Diskussionen in Schweden, andere Medien griffen sie auf und P3 spielte sie multimedial auf allen Kanälen. Von wegen Nebenbei-Medium. Das Rezept ist laut der verantwortlichen Redakteurin Tina Mehrafzoon einfach: „Bring your heart into it!“

Talkrunde auf der Bühne der Radiodays Europe 2025.

4. Nähe schaffen durch Daten und KI

Endlich geht es um Technologie. Auch die hilft natürlich, Menschen zu erreichen und zu verstehen, was sie hören wollen. Das beweist unter anderem REGIOCAST mit dem „Adressable User Marketing“. Dabei wird im Ökosystem der Sender der Gruppe jede:r Nutzer:in 1 zu 1 getrackt. Daraus abgeleitet werden mit KI individuell Content- Empfehlungen ausgespielt, Newsletter personalisiert und Podcasts oder Streams beworben. „Wir orientieren uns nicht mehr an ausgedachten Personas, sondern an den echten Interessen der einzelnen Nutzer“, sagt CDO Matthias Pfaff. Alle werden zu ihrer eigenen Nische, sozusagen. „Wir konzentrieren uns darauf, aus denjenigen, die schon in unserer Markenwelt sind, noch mehr herauszuholen.“

5. Don´t be so perfect

„Perfection kills the vibe!” Das rief Dennis Clark von iHeart Radio den Besucher:innen der Radiodays zu. Wer perfekt sein will, ist meistens nicht echt. Immer noch geistern viele Mythen durch die Radiowelt über Dinge, die man unbedingt oder unter keinen Umständen tun sollte. Dabei ist es viel wichtiger, bei sich selbst zu bleiben. Das ist es, was die Menschen honorieren. Übrigens gilt das auch für den allgegenwärtigen Video-Hype, der vor allem den Podcast-Markt zurzeit bestimmt. Da kommt es gar nicht auf das perfekte Licht, das beste Setting oder das schönste Studio an, wie einige Macher:innen zu berichten wussten. Hauptsache die Ansprache und die Audioqualität stimmen.

Perfection kills the vibe!

Dennis Clark, iHeart Radio

Selfie von Lukas auf den Radiodays Europe 2025.

Zum Schluss noch zwei Bemerkungen: Die Radiodays Europe waren in diesem Jahr besonders wohltuend. In Zeiten, in denen politisch so viel ins Rutschen kommt und Gemeinsamkeiten scheinbar schwinden, war der grenzüberschreitende Austausch Balsam. Die europäische Audio-Branche betonte, wie wichtig Zusammenarbeit und Solidarität sind. Als Radiodays-CEO Peter Niegel zu Beginn der Konferenz die beiden ukrainischen Vertreter mit einem hörbaren Kloß im Hals begrüßte und ihnen „Slava Ukraini“ zurief, wähnte ich mich am richtigen Ort.

Und zweitens: Auch ich benutze die Sprache, die ich eingangs kritisiert habe, wie mein LinkedIn-Post beweist, den ich zum Abschluss der Konferenz mit ein paar weiteren Learnings (Haha!) veröffentlicht habe. Immer diese Ambivalenz.

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