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Sobble: „Kaum jemand hat Zeit, alle Nachrichten zu filtern“

Von Denis Heurig

Die Pforzheimer Zeitung (PZ) erreicht junge Leser auf Snapchat, Instagram oder WhatsApp. Auf der Local Web Conference 2017 des MedienNetzwerk Bayern in Nürnberg spricht Simon Walter, Crossmedia-Redakteur der PZ, über die Vorteile des Social Web für Lokalzeitungen – und über die hauseigene Social-Media-App Sobble.

Simon Walter

Herr Walter, auf der Local Web Conference werden Sie über Local Social Content sprechen. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Simon Walter: Für regionale Medienhäuser sind in den Sozialen Netzwerken ganz andere Themen relevant als für die großen Häuser. Es gibt auch Social-Media-Apps, die für ein lokales Medienhaus gut geeignet sind, nicht aber für ein überregionales. So nutzt zum Beispiel DIE WELT Snapchat noch nicht. Aus lokaler Perspektive bietet der Dienst aber viele Möglichkeiten, um enger in Kontakt mit den Lesern zu treten und sie live zu Ereignissen in der Region mitzunehmen: Zu Festivals, Abipartys, aber auch zum Jugendgemeinderat.

Warum sind Social Web-Kanäle wie Snapchat gerade für mittelständische Verlage und Medienhäuser interessant?

Walter: Für mittelständische und regionale Medienhäuser ist die Nähe zu den Lesern extrem wichtig, vielleicht noch wichtiger als für die ganz großen Zeitungen. Diese Nähe schaffen wir ganz massiv über soziale Kanäle wie Snapchat. Sie erlauben es uns, mit den jungen Lesern aus der Region zu interagieren.

Außerdem lässt sich über Werbung und Anzeigen mit Sozialen Netzwerken Geld verdienen. Für Unternehmen aus der Region, die eine junge Zielgruppe ansprechen möchten, ist die Werbeschaltung auf einem Snapchat-Kanal viel attraktiver als eine Anzeige in einer Printpublikation. Wieso sollte zum Beispiel ein Barbesitzer in der Zeitung werben, deren Leser Ende 50 sind? Wir werden immer häufiger gefragt, ob wir sponsored Posts über unseren Snapchat-Kanal absetzen könnten.

Snapchat hat die höchste Interaktionsrate

Welche Social-Media-Kanäle nutzt die PZ?

Walter: Auf Facebook, Twitter oder WhatsApp ist die PZ schon lange vertreten. Darüber hinaus sind wir seit einem guten Jahr bei Instagram und Snapchat unterwegs. Einen YouTube-Account gibt es bisher noch nicht. Das wäre zwar gerade für die junge Zielgruppe wichtig, ist jedoch im Hinblick auf die Produktion qualitativ hochwertiger Inhalte mit einem sehr hohem Aufwand verbunden.

Interessanterweise haben wir bei Snapchat eine Interaktionsrate, die wir sonst auf keinem unserer Kanäle erreichen. Ungefähr 10 bis 20 Prozent von denjenigen, die einen Aufruf in einem Snap sehen, geben uns eine Rückmeldung. Auch die Art der Rückmeldungen auf Snapchat hat uns positiv überrascht. Obwohl der Kanal ein sehr junges Zielpublikum anspricht, sind die Rückmeldungen viel konstruktiver als zum Beispiel auf Facebook, wo es trotz der reiferen Zielgruppe eher mal zu Pöbeleien kommen kann. Bei Snapchat treten Fragensteller und Antwortgeber in einen direkten und persönlichen Austausch. Das unterscheidet sich von der indirekten Kommunikation auf Facebook, wo destruktive Kritik erst mal im Raum stehen kann, neben zahlreichen anderen Kommentaren.

PZ Snapchat

Werden auf allen Kanälen die gleichen Inhalte platziert?

Walter: Wir versuchen, die Inhalte je nach Zielgruppe und Kanal zu variieren und auf unterschiedliche Weise zu präsentieren. Instagram ist zum Beispiel kein klassischer Nachrichtenkanal. Da posten wir eher ein besonderes Foto aus dem Umkreis oder ein Porträt einer interessanten Persönlichkeit aus der Region.

Auf Snapchat widmen wir uns jungen Themen – von jugendpolitischen Diskussionen bis hin zu Festivalinfos. Wir nehmen die jungen Leser mit auf die Live-Events, indem wir von dort Fotos und kurze Videos an die Follower verschicken. Facebook hat eine viel breitere und auch ältere Zielgruppe und dient uns daher eher als Sammelbecken für Nachrichten aus der Region, Fotos und Videos oder Live-Einblicke.

Wer kümmert sich darum, alle diese Kanäle ständig mit den neuesten Inhalten zu bespielen?

Walter: Als Crossmedia-Manager stehe ich im Austausch mit den Redaktionskolleginnen und -kollegen. Besprochen werden Fragen wie: Welche Themen und Nachrichten sind auch für Social Media relevant? Welcher Kanal eignet sich für ein bestimmtes Thema? Von wo snappen wir diese Woche? Von wo posten wir ein Live-Video? Unterstützt werde ich von unserer vierköpfigen Online-Redaktion, die unsere Kanäle immer im Blick hat und weiß, was gerade in den Sozialen Netzwerken passiert. Außerdem setzt sie eigene Themen, kommentiert Einträge und beantwortet die Fragen der Leser.

Eine App für Social Media Inhalte

In Kürze stellt die PZ die eigene App Sobble zum Download bereit. Was kann die App?

Walter: Wir wollten eine App entwickeln, die darstellt, was in den Sozialen Netzwerken über eine bestimmte Region oder ein bestimmtes Thema berichtet wird. Sobble funktioniert wie ein Webcrawler, nur dass die App ihre Informationen aus dem Social Web bezieht, von YouTube, Twitter, Facebook oder Instagram.

Dabei wird allerdings nicht blind alles in die App eingespeist, was eine besonders hohe Reichweite hat – das Gegenteil ist der Fall. Unsere Redaktion wählt vorher die vertrauenswürdigen und relevanten Quellen aus, deren Inhalte dann in die App wandern. Die User können anschließend thematische und regionale Schwerpunkte individuell anpassen. Wer beispielsweise nur über politische Themen in Pforzheim und Umgebung informiert werden möchte, kann die App entsprechend einstellen.

Außerdem können andere Unternehmen die White-Label-Version der App kaufen: Wer beispielsweise nur Seiten der Feuerwehr-, Polizei- und  Rettungsdienste einliest, kann sich seine eigene Blaulicht-App basteln, wer nur Seiten aus Nürnberg und Umgebung einbaut, hat schnell eine Nürnberg-App.

Woher kam die Idee zu Sobble?

Walter: Statistiken wie die Millennials-Studie des BDZV belegen, dass die Gruppe der unter 35-Jährigen die Websites der Medienhäuser nur noch in Ausnahmefällen direkt angesteuert. Gerade die jüngere Zielgruppe möchte, dass die Nachrichten sie erreichen. Die sozialen Netzwerke können diesen Service bieten und zudem die Posts wichtiger Personen zum jeweiligen Thema abbilden. Allerdings hat kaum jemand die Zeit, alle eingehenden Nachrichten zu filtern. Wir haben uns also gefragt: Wie möchte der Nutzer mit Nachrichten und aktuellen Themen aus der Region bespielt werden? Sobble ist ein Versuch, den heutigen Anforderungen der Leser gerecht zu werden.

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