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Vicky Klich über das Web3 (Foto: Johannes Kiefer)

Vicky Klich: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Web3 riesiges Potenzial hat“

von Stefanie Ruth Heyduck, 10. Oktober 2023

Welche Chancen Web3 für die Medienbranche bietet und warum NFTs mehr als Affenbilder sind? Das und mehr haben wir Vicky Klich, Co-Founderin des w3.fund, gefragt.

Vicky, du bist eine der Gründerinnen des w3.fund. Was genau kann man sich darunter vorstellen? 

Vicky Klich: Ich bin Co-Founderin des w3.funds, der w3.vision und mittlerweile auch des w3.Hub. Wir investieren in Startups in frühen Phasen. Das ist unser Kerngeschäft. Dadurch, dass Web3 sehr Community-lastig ist, reicht es heutzutage nicht, nur Geld zu investieren, sondern auch Inhalte und Events wie die DEMEXCO in Köln zu bieten. 

Aktuell bauen wir ein Coworking-Space in Berlin auf. Wir haben gemerkt, dass es einen physischen Ort für den Austausch braucht. Das müssen nicht nur Leute aus der Szene sein. Die Technologie soll für alle zugänglich sein. Vor allem auch für Firmen, Förderungen, Politik oder Journalisten. Alle, die Interesse haben, können diesen Raum nutzen.

Welches Ziel verfolgt ihr mit euren Angeboten?

Vicky: Wir investieren in Startups, die an echten Problemen mit echten Lösungen arbeiten. Deshalb haben wir uns bewusst dagegen entschieden, mit dezentralen Finanzen oder Tokens assoziiert zu werden. Trading ist nicht unser Thema, sondern wie man die Blockchain-Technologie nutzen kann, um ganz neue Industrien zu öffnen. Dazu gehört auch, potenzielle Investoren zu begeistern und sich die Zeit zu nehmen, zu erklären, welchen technologischen Einfluss die Entwicklung haben kann. Denn wir sind noch lange nicht so weit, dass Web3 massentauglich ist. 

Die Technologie soll für alle zugänglich sein. Vor allem auch für Firmen, Förderungen, Politik oder Journalisten.

Vicky Klich, w3.fund

Wie bist du selbst zum Thema Web3 gekommen?

Vicky: Ich habe in Frankfurt Biologie studiert und gemerkt, dass klassischer Frontalunterricht nicht mein Ding ist. Ich wollte aktiv gestalten und habe einen interessanten Studiengang in Berlin gefunden: Produktmanagement an der Code University. Das ist eine Startup-Schule. Dort habe ich Hands-on gelernt, wie man Ideen nicht nur aufs Papier bringt, sondern wirklich in die Tat umsetzt, ein Geschäftsmodell aufbaut. Gemeinsam mit meinen Kommilitonen, die jetzt meine Co-Founder sind, habe ich ein Stipendium für den w3.fund bekommen.

Als wir 2021 damit anfingen, gab es in Deutschland den Hype und den Begriff Web3 noch gar nicht. Damals drehte sich alles um NFTs (Non-Fungible Token), Krypto und Blockchain. Und es gab sehr wenig darüber zu lesen. Als ich verstanden hatte, wie Blockchain funktioniert und was Crypto ist, ging mir ein Licht auf: Was da noch alles möglich ist! Mein Team und ich haben die Chance, von Anfang an dabei zu sein. Wir haben alles hingeworfen und uns auf das Thema gestürzt. 

Vicky Klich über Web3 – Foto: Johannes Kiefer

Was ist Web3 und welche Vorteile bietet es gegenüber dem aktuellen Web 2.0?

Vicky: Web 1.0 ist die Phase des frühen Internets. Wer nicht programmieren konnte, konnte keine Webseiten erstellen. Die Webseiten waren gefüllt mit Hyperlinks. Wir hatten nur statischen Content, aber zumindest konnten wir auf Informationen zugreifen.

Das Web 2.0 läutete das Mitmach-Web ein. In dieser Phase wurde Social Media groß. Auf einmal war es möglich, selbst Inhalte zu erstellen: Blogs schreiben, Fotos teilen. Mit Studi VZ und Facebook kamen soziale Interaktionen dazu. Die Benutzeroberflächen waren deutlich einfacher zu nutzen.

Jetzt stehen wir vor einem Problem, das vielen noch nicht bewusst ist. Alle Daten und Inhalte, die wir auf diesen Plattformen digitalisieren und teilen – wir haben darüber keine Kontrolle mehr. Wenn wir immer mehr Zeit digital verbringen, dann ist es natürlich verwerflich, dass wir kein Ownership über unsere digitalen Assets, unsere virtuellen Güter haben. Die Googles und Facebooks dieser Welt haben nämlich die Möglichkeit, uns einfach zu entfernen. Hier kommen Blockchain und Web3 ins Spiel.

Man kann also sagen, Web3 ist die nächste Evolutionsstufe des Internets und der Digitalisierung? 

Vicky: Web3 vereint Grundsätze von Blockchain, Metaverse und einer neuen Kultur, in digitalen Welten miteinander zu interagieren. Für uns ist die Lösung eine dezentrale Internetschicht. Also nicht ein einzelnes Unternehmen, das alles steuert, sondern die Technologie selbst, etwa Ethereum als Blockchain. Auf Ethereum lassen sich viele Sachen bauen. Als Entwickler hat man die Entscheidung, ob diese frei zugänglich für alle sind und jeder mitwirken kann. Durch NFTs lässt sich dann Besitztum abbilden. 

Vielleicht war das früher nicht wichtig, aber was passiert, wenn mein Konto gelöscht wird? Wenn ich gern Fortnite spiele und Skins für meine Spielfiguren kaufe – die gehören mir nicht. Was, wenn ich mir eine Identität aufgebaut habe? Wenn ich viel Zeit und Geld reinstecke, sollte ich die Möglichkeit haben, etwas, für das ich bezahlt habe, auch wieder verkaufen oder tauschen zu können oder zumindest auf andere Plattformen mitzunehmen. Genauso wie im echten Leben.

Web3 vereint Grundsätze von Blockchain, Metaverse und einer neuen Kultur, in digitalen Welten miteinander zu interagieren.

Vicky Klich, w3.fund

Die Unabhängigkeit von Plattformen, das Eigentum von Inhalten und die Monetarisierung sind für Medienschaffende natürlich spannend. Aber wie fange ich an? 

Vicky: Für Creator ist die Herausforderung, dass die Technologie noch nicht einfach zu nutzen ist. Um loszulegen, braucht man zuerst eine Wallet. Der Begriff digitale Geldbörse ist nicht ganz passend. Eine Wallet ist ein Mix aus deiner Identität, deinem Avatar, deinem Login. Jeder im Web3 muss sich mit einer Wallet verbinden. Hier speicherst du deine Crypto-Assets, deine NFTs.

Mein Rat: Probiere es einfach aus. Schau dir YouTube-Videos an, schau dir Tutorials an, versuche überhaupt erstmal zu verstehen, was du da machst, indem du dich durchklickst. Dann ist die Frage, was genau du machen möchtest. Es gibt zum Beispiel Plattformen, die rein für Kunst-Assets sind, oder Plattformen, die nur für Musik sind.

Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Musik ist ein Business, das auf Lizenzen aufbaut. Im Web3 können Musikfans Songs als NFTs direkt bei Musikern kaufen. Die kosten dann vielleicht etwas mehr als 99 Cent. Mit sogenannten „Smart Contracts“ verdienen Künstler nicht nur einmal, sondern bei jedem Weiterverkauf. Technisch lässt sich das alles über die Blockchain abbilden. 

Oder stell dir vor, du bist Fotograf und verkaufst ein Bild für 100 Euro. Ein paar Jahre später kam der Durchbruch und das Bild ist nun 100.000 Euro wert. Wäre das Bild ein NFT, ließe sich in dem Smart Contract einstellen, dass bei jedem Weiterverkauf, egal wie hoch die Summe ist, zehn Prozent an die Künstler zurückfließen.

Welche Erfolgsbeispiele gibt es im medialen Bereich bereits im Bereich Web3?

Vicky: Der ehemalige Chef vom Time Magazine hatte vor, die klassischen Medienhäuser und Abo-basierten Modelle zu revolutionieren. Angefangen haben sie mit einem recht simplen Use Case und aus den Time Magazine Titeln NFTs gemacht, zum Sammeln. Was er aber wollte, war, aus einem Abo einen NFT zu machen. Abonnenten sind dann nicht mehr an Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen gebunden, sondern könnten das Abo weiterverkaufen.

Könnte man so neue Abo-Modelle realisieren? Die nicht abhängig vom Verlag sind, sondern vom Leserverhalten?

Vicky: Ich kenne dafür noch kein Beispiel, aber möglich wäre das, klar. Wenn das Abo ein NFT ist, kann der Abonnent Texte mit der Familie teilen und der Verlag bekäme trotzdem Geld. Das gäbe dem ganzen Produkt gleich mehr Wertigkeit. Ein erstes Beispiel ist die Seite mirror.xyz, wo sich Artikel in NFTs umwandeln lassen. 

Oder die Müller Medien GmbH. Müller Medien investiert bei uns im w3.fund und ist an neuen Technologien interessiert. Auf einem Event diskutierten wir darüber, wie Verlage das für sich nutzen können, um neue Zielgruppen zu erreichen und Lizenzen effizienter über Tokens abzubilden.

Dann wäre ganz transparent, wie viel Anteil Autoren an einem Buch haben, wie viel Gewinn zurückkommt und wer noch beteiligt war. Für die Musikszene funktioniert das genauso. Blockchain kann behilflich sein, viel mehr Transparenz und Fairness reinzubringen.

Sobald AI an einem Punkt ist, an dem wir nicht mehr erkennen können, wer bestimmte Inhalte geschaffen hat, ist die Transparenz von Blockchain die Lösung. 

Vicky Klich, web3.fund

Welche Trends siehst du noch?

Vicky: In Amerika probieren Produktionsfirmen, NFT-Besitzer:innen bei der Entwicklung von Serien mitentscheiden zu lassen. Das finanziert die Produktion und schafft eine hohe Bindung der NFT-Community. Die Fox Broadcasting Company etwa hat zur Serie „Krapopolis“ NFTs herausgebracht, die Fans kaufen können.

Social Media ist auch ein gutes Beispiel. Im Web3 wird das Netzwerk, auch Social Graph genannt, das man sich auf einer Plattform aufgebaut hat, in Zukunft dem Creator gehören. Das Lens Protocol macht hier den Anfang. Wer zum Beispiel eine Million Follower auf Instagram hat und nun die Plattform wechseln will, muss heute von vorne anfangen. Aber warum sollte ich das Standing, das ich mir aufgebaut habe, nicht mitnehmen können. 

Was glaubst du, was es braucht, um den Durchbruch zu erreichen? 

Vicky: Noch fehlen die allgemeine Akzeptanz und der Zugang ist nicht so einfach. Es mangelt an Benutzerfreundlichkeit, um die Technologie auch wirklich einfach und sicher in unseren Alltag einzubinden.

Ich bin aber der festen Überzeugung, dass Web3 riesiges Potenzial hat. Jetzt müssen die großen Unternehmen das Thema vorantreiben. Wenn Apple nächstes Jahr die Vision Pro launcht, wird sich unsere Wahrnehmung, wie wir in digitalen Räumen interagieren, ändern. Sobald AI an einem Punkt ist, an dem wir nicht mehr erkennen können, wer bestimmte Inhalte geschaffen hat, ist die Transparenz von Blockchain die Lösung. 

Schon heute kann man bei Worldcoin die eigene Iris einscannen, um sich digital als Mensch auszuweisen. Das Projekt ist recht umstritten, aber langfristig relevant, wenn man Sicherheit haben will über Fragen wie: wer hat ein bestimmtes Video erstellt, woher kommt es? Von einer KI oder einem Menschen? 

Wir sind mit diesen Themen noch sehr früh dran und ich stelle hier nur Hypothesen auf – aber es wird spannend!

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