Web3: Eine neue Evolutionsstufe für die Medienbranche
Von Ann-Cathrin Schürholz, 9. Mai 2023
Stell dir vor, du stehst vor einer riesigen grünen Wiese und hast die Chance, dort etwas völlig Neues und Innovatives zu schaffen. Das ist die Chance, die das Web3 der Medienbranche bietet, so Krischan Lehmann, Co-Founder von 1E9. Aber wie kann man diese Chance am besten nutzen? Eine Frage, der sich unser Auftaktevent zu unserem neuen Web3-Thinktank widmete. Mit dem Projekt unterstützen wir bayerische Medienunternehmen mit Know-how rund um das Thema Web3.
Das Web3 stelle eine neue Evolutionsstufe dar, betonte Krischan Lehmann gleich zu Beginn. Denn im Vergleich zu Web1 (statische Websites) und Web2 (dynamische Apps) sei das Web3 dezentral und ermögliche es, neue Existenzen aufzubauen. Für die Medienbranche bedeutet das: Viel Raum zum Experimentieren und Ausprobieren.
Diese Web3-Innovationen gibt es bereits in der Medienbranche
Im anschließenden Panel warf Wolfgang Kerler, 1E9, zusammen mit Heidi Schall, European Blockchain Association, und Dr. Anne Greul, Moonblock, einen Blick darauf, welche konkreten Entwicklungen rund um das Thema Web3 bereits in der Medienbranche stattfinden. Anne Greul erwähnte das Time Magazine mit seiner NFT-Initiative TIMEPieces als beachtenswertes Beispiel. Das Magazin habe bereits früh angefangen zu experimentieren, der Verkauf von NFTs sei gut durchdacht und passe zu den Werten des Magazins. Mit großem Interesse verfolge sie auch innovative Projekte wie Eric’s Orb. „Token-gated Content und exklusive Inhalte, das ist eine Richtung, die ich sehr, sehr spannend finde.”
Heidi Schall gab an, dass das ZDF im April 2023 eine eigene Instanz auf der Twitter-Alternative Mastodon gestartet habe. Das Besondere: Die Microblogging-Plattform ist dezentral und nicht-kommerziell. „Es bleibt abzuwarten, ob davon eine Sogwirkung ausgeht, der mehrere Medienhäuser folgen”, meint die freie Texterin und Kommunikationsberaterin. Für Medienhäuser sieht sie die Chance, wieder mehr auf Augenhöhe zu kommunizieren. Erwähnenswert sei außerdem der Brave Browser, eines der ersten Web3-Projekte. Der Webbrowser ist vor allem für seine Zusatzfunktionen zum Schutz der Privatsphäre bekannt.
Auf welche Umbrüche müssen sich Medienunternehmen einstellen?
Die Diskussion drehte sich auch um die Frage, auf welche Umwälzungen sich Medienunternehmen einstellen müssen. Anne Greul wies auf die Folgen einer Zukunft ohne Cookies hin. Schon jetzt schränke iOS den Zugriff auf IDs ein, Google werde noch in diesem Jahr Cookies von Drittanbietern abschaffen. Für Greul ist diese Entwicklung eine Win-Win-Situation – sowohl für die Unternehmen als auch für die User:innen. „Derzeit investieren Unternehmen viel Geld in Werbung und Daten. Dabei müssen starke Streuverluste in Kauf genommen werden, wenn nicht die richtigen Bedürfnisse der Nutzer:innen identifiziert werden”. Darunter würden laut der Co-Founderin auch die User:innen leiden, die mit unpassenden Werbeangeboten bombardiert würden. Die Informationsasymmetrie könne im Web3 beispielsweise durch Opt-In-Optionen aufgehoben werden.
Medienunternehmen müssen sich vom Status Quo lossagen und auf Neues einlassen.
Heidi Schall, European Blockchain Association
Heidi Schall betonte die Bedeutung von Communities im Web3: Das Schlagwort „build together“, das oft in einem Atemzug mit dem Web3 genannt wird, zeigt für die Expertin, dass es vor allem darum geht, gemeinsam Dinge und Projekte zu erschaffen. In diesem Sinne sollten Medienunternehmen auf Kooperationen setzen, um neue Möglichkeiten optimal zu nutzen zu können. Voraussetzung dafür: Den Blick vom Unternehmen auf das Ökosystem zu lenken. „Mein Traum ist ein Marktplatz, auf dem ich alle Medienprodukte aller Medienunternehmen kaufen kann”, sagt Schall. Derzeit fehlen dem Web3 noch die rechtlichen Grundlagen, doch die Kommunikationsberaterin ist optimistisch: „Das Web3 gibt vor allem jungen Projekten eine Chance, die sie vorher nicht hatten. Wenn bürokratische Hürden wegfallen, führt das langfristig zu mehr Vielfalt.“
Was Medienunternehmen sonst noch tun können? „Proaktiv sein und experimentieren“, meint Anne Greul abschließend. Nur so könnten neue Standards gesetzt werden. Heidi Schall ergänzt: „Medienunternehmen müssen sich vom Status Quo lossagen und auf Neues einlassen.“