Digital Retail Media: der Online-Handel als neue Macht im Werbemarkt
Amazon, Zalando, Otto Group, eBay: Die Zugriffszahlen auf E-Shops steigen rasant. Über 70 Prozent der Deutschen shoppen online. 2019 wurden in Deutschland erstmals mehr als 70 Milliarden Euro mit E-Commerce umgesetzt. Dass man aus Reichweiten und Login-Daten mehr machen kann, zeigte sich beim Media Date „Digital Retail Media – Lernen von Werbung in Online-Shops“. Experten aus Media (pilot), Analyse (emax.digital) und Marketing (Garmin) gaben Einblicke in das neue Werbeumfeld.
Das noch junge Werbesegment Digital Retail Media erlangte 2015 durch Schlagzeilen zur Gründung der Otto Group Media erstmals Bekanntheit bei einem größeren Publikum. Inzwischen ist es erwachsen geworden, geschätzt 800 Millionen Euro wurden 2019 hierzulande in dieses Umfeld gesteckt.
Amazon als Full-Funnel-Marketing-Plattform
Thomas Mautner, Geschäftsführer am Münchner Standort der Mediaagentur-Gruppe pilot, geht von einem kräftigen Zuwachs 2020 und 2021 aus. Fest steht für den Mediakenner bereits heute: „Digital Retail Media verändert die digitale Werbung.“ Dass neben relevanten deutschen Netzkaufhäusern wie Otto, Zalando oder REWE Digital der US-Platzhirsch Amazon auch bei Werbung im E-Commerce die Nase weit vorne hat, hat laut Mautner verschiedene Gründe: „Amazon ist das größte Kaufhaus der Welt. Es beeinflusst das Kaufverhalten, die Recherche- und Preisvergleichsverhalten der Kunden nachhaltig.“
Als Werbeumfeld zeichne Amazon aus, dass Web Services, Logistik, der Einkauf an sich, Unterhaltungsangebote, Hardware in Form von Alexa oder auch Inhalte aus einer Hand kommen. „Full-Funnel-Marketing-Plattform“ nennt der pilot-Chef diese umfassende Kette von Berührungspunkten der Kund*innen mit der Marke Amazon. Digital Retail Media ergänze als digitaler Werbekanal das Gesamtpaket, das aus Interessent*innen für ein Produkt recht fix Käufer*innen machen kann.
Bei Amazon erwerben Käufer*innen vor allem Elektronik, Medien und Mode – entsprechend erwartet Mautner dort bevorzugt Hersteller aus diesen Bereichen. Waren über die Jahre des analogen Einzelhandels Radio oder Plakate das Werbemittel der Wahl, so kommt diese Rolle nun den E-Shops selbst zu, bei denen dann gleich der Einkauf erfolgt. Mautner: „Nichts hat eine größere Wirkung im Abverkauf als Digital Retail Media.“
Keine einheitliche Mediengattung
Nach dem Makro-Blick auf das neue Werbemedium Online-Shop lieferte Andreas Kleofas beim Media Date in Telefónicas Start-up Accelerator Wayra eine detaillierte Analyse des Mikrokosmos E-Commerce. Der CEO und Gründer des Analyse-Start-ups emax.digital verdeutlichte, dass Digital Retail Media „keine einheitliche Mediengattung“ ist.
Werbung im Shopping-Umfeld finde viele Plätze und Ausprägungen. Display-Banner, Custom-Formate oder auch Videos begegnen bei der Suche nach Shops, auf der Shopping-Seite, auf der Produktseite und in vielen weiteren Umfeldern. Neuerdings auch immer öfter in Social Media; Stichwort #shoppingbecomesmoresocial. So werde Social Selling immer relevanter, beispielweise über Instagram. Kleofas legte Werbekunden, die sich für Digital Retail Media interessieren, umfangreiche Vorarbeiten nahe. „Die sehr komplexe Datenlage erfordert Know-how“, betonte der E-Commerce-Spezialist. Das kontinuierliche Tracking von Suchergebnissen zur eigenen Marke helfe bei der Planung und Beurteilung der eigenen Werbestrategie.
Warum Werbekunden das neue Umfeld bevorzugen
Es gibt bereits zahlreiche Kunden, die Werbung für smarte Digitalprodukte innerhalb von Webshops und auf Marktplätzen schalten. Frank Berner, Trade Marketing Manager bei Garmin, legte beim Media Date dar, warum das Unternehmen Digital Retail Media einsetzt – und dabei Amazon bevorzugt: „Beim Online-Shopping starten die meisten bei Amazon, die Suche nach Waren findet nicht mehr über Google statt. Gerade für Tech-Produkte wie unsere Smartwatches ist Amazon eine sehr wichtige und enorm reichweitenstarke Abverkaufs-Plattform geworden, die unsere Marke weit nach oben holt.“ Amazon-Besucher*innen seien zudem im Shopping-Modus und zeichnen sich durch starkes Vertrauen in die US-Plattform aus. Und: Anbieter wie Garmin müssen auf einer internationalen Shopping-Seite wie Amazon auch werblich präsent sein, um mit den dort verkauften Produkten gegen die Konkurrenz aus Asien und Übersee mithalten zu können.
Können Medien und andere Shops noch mithalten?
Auch wenn Kleofas auf das Werbeumfeld Digital Retail Media spezialisiert ist, möchte er andere klassische Werbekanäle nicht ausschließen. „Markenpower ist nicht allein durch Digital Retail Media möglich“, betonte der emax.digital-Chef beim Media Date. Das Werbemedium TV etwa sei weiterhin wichtig und eine gute Ergänzung, um eine Marke bekannt zu machen. Und andere Online-Shops wie Zalando hätten gute Chancen, im neuen Werbeumfeld Digital Retail Media im größeren Stil mitzuspielen, vor allem mit Kunden aus dem Modebereich.
Angst, dass Mediaagenturen mit Daten-Dienstleistern à la emax.digital aus Sicht der Werbekunden obsolet werden, hat der pilot-Geschäftsführer nicht. Mediaplanung würde durch Insights aus neuen Technologien in Zukunft vielmehr gestärkt.