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Künstliche Intelligenz für Alle!

Von Stefanie Heyduck

Experten fordern die Demokratisierung von Machine Learning und künstlicher Intelligenz. Erst wenn auch kleinere Unternehmen oder Fachabteilungen Zugang zu dieser Technologie haben, wird sie ihr volles Potenzial entfalten können. Im Interview erklärt Dr. Stefan Ebener von Google Cloud, wie Medienunternehmen von dieser Entwicklung profitieren können.

Herr Dr. Ebener, was genau bedeutet Demokratisierung von Machine Learning?

Unter Demokratisierung versteht man im Allgemeinen das Aufbrechen von Herrschaftsstrukturen. Aktuell hat nur ein kleiner Kreis von Spezialisten das Wissen und die Befähigung, sich künstliche Intelligenz (KI) zunutze zu machen. Die Demokratisierung von Machine Learning (ML) und KI heißt also, einen einfachen Zugang für viele Menschen zu dieser Technologie zu ermöglichen. Letztlich bedeutet dies, die Einstiegshürde zu senken und den Fachabteilungen in Unternehmen ohne großes Vorwissen die Werkzeuge KI und ML an die Hand zu geben.

Warum ist das so wichtig?

Weltweit gibt es nur wenige Tausend KI-Experten. So lange diese Technologie nicht in der breiten Masse angekommen ist, schöpfen wir ihr Potenzial nicht aus. Erst, wenn auch in Fachabteilungen KI und ML unabhängig eingesetzt werden, entstehen ML-Systeme, die den Alltag verbessern können.

Was steht dieser Demokratisierung Ihrer Meinung nach im Weg?

Die technologische Hürde ist sicherlich eine der größten Herausforderungen. KI-Systeme benötigen immense Mengen an Rechenleistung und entsprechend leistungsstarke Hardware, die sich Unternehmen jedoch nicht immer leisten können. Gleichzeitig haben viele eine gewisse Ehrfurcht vor KI und warten erst einmal ab, anstatt sich an niedrigschwelligen Lösungen auszuprobieren.

Zudem entstehen in Unternehmen häufig sogenannte Innovation Labs, die neue Technologien wie KI und ML testen und auf dieser Basis neue Lösungen entwickeln sollen. Doch auch hier ist es wieder nur ein kleiner elitärer Kreis, der Zugang zu dieser Technologie hat.

Was würde der Demokratisierung Ihrer Meinung nach helfen?

Wie auch beim maschinellen Lernen selbst, sind die Schlüssel Information und Rechenleistung. Anstatt also KI zu mystifizieren, sollte man der Technik auf Augenhöhe begegnen. Technologiefirmen wie Google Cloud haben bereits vortrainierte Modelle, mit denen sich binnen Minuten ein ganz persönlicher Chatbot oder eine Bilderkennungssoftware bauen lässt.

Auf diese Weise können jedoch keine individuellen Lösungen erstellt werden. Daher haben wir bei Google Cloud den Service AutoML entwickelt. Mithilfe einer einfachen und übersichtlichen Oberfläche können eigene Modelle spezifisch trainiert werden, ohne Fachkenntnis als Programmierer oder KI-Experte.

Welches Potenzial bieten KI und ML für Medienunternehmen und deren Geschäftsmodelle?

Für Medienunternehmen, wie auch für die meisten anderen Unternehmen, liegt das Potential von KI und ML in den Daten, die sie generieren und verarbeiten. Einsatzmöglichkeiten reichen von einem besser durchsuchbaren Archiv über die Optimierung von klassischen Geschäftsprozessen bis hin zu einem personalisierten Nachrichten-Stream der Leser und Nutzer. Der Einsatz von KI in Medienunternehmen ermöglicht aber auch völlig neue Services, wie etwa die automatischen Verschlagwortung oder die Ableitung von Handlungen in Videos.

Was würden Sie Medienunternehmen raten?

Künstliche Intelligenz wird in allen Branchen für bahnbrechende Veränderungen verantwortlich sein – auch in der Medienbranche. In der Vergangenheit haben sich vor allem Unternehmen durchgesetzt, die den digitalen Wandel angenommen haben. Daher sollten Medienunternehmen besser heute als morgen auf neue Technologien setzen – und dabei mutig sein, etwas ausprobieren.

Und Medienschaffenden?

Haben Sie keine Angst vor künstlicher Intelligenz, sondern sehen Sie die Technologie als weiteres Werkzeug für Ihre tägliche Arbeit. Ein ML-System kann viel schneller Daten verarbeiten und aufbereiten, so können Sie sich besser um Ihre kreative Arbeit und Recherche kümmern.

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Telegraph Media nutzt verschiedene Tools von Google Cloud, um Prozesse und Abläufe zu optimieren. Unter anderem soll ein ML-System vorhersagen, wie viele Zeitungen verkauft werden. Auf diese Weise druckt das Unternehmen weniger überschüssige Exemplare, die dann entsorgt werden müssen. Das spart Geld und schont die Umwelt.

Die New York Times hat ihr komplettes Archiv mithilfe eines KI-Programms digitalisiert. Dadurch wurden alle Artikel, Bilder und Recherchen automatisch verschlagwortet und sind nun schneller für jeden Redakteur auffindbar. Dies vereinfacht und beschleunigt den Zugriff auf das Archiv immens und die Mitarbeiter der New York Times können diesen Informationsschatz effektiver einsetzen.

Und 20th Century Fox analysiert mithilfe von KI- und ML-Technologien die demographischen Daten, Präferenzen und Meinungen des Publikums, um für das Publikum attraktivere und interessantere Filme zu erschaffen. Die Systeme können zudem den Erfolg an den Kinokassen hervorsagen, was zu einem langfristigen Geschäftswachstum führt.

Kann ML nur Prozesse vereinfachen oder auch Inhalte schaffen?

Es gibt bereits KI-Systeme, die Musik komponieren, Texte verfassen oder Bilder malen. Diese Systeme sind jedoch eher die Ausnahmen und agieren auch heute noch in einem relativ engen Rahmen. Echte Kreativität ist auch weiterhin eine Eigenschaft, die uns Menschen eigen ist. Die Maschine schlägt den Menschen vor allem in der Verarbeitung und Aufbereitung von Daten. Hier kann eine KI-Entwicklung die Prozesse vereinfachen und rudimentäre Inhalte erschaffen.

Wo geht Ihrer Meinung nach die Reise hin?

KI und ML wird sicherlich in den nächsten Jahren in den meisten, wenn nicht sogar in allen, Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil sein. Sie wird dabei einfache Aufgaben übernehmen und als Werkzeug die Arbeit unterstützen, damit mehr Zeit für Kreativität und strategische Entscheidungen bleibt.


Dr. Stefan Ebener

Dr. Stefan Ebener leitet als Manager Customer Engineering für Google Cloud ein internationales Machine Learning- und KI-Expertenteam. Seine Leidenschaft gilt den datengetriebenen Zukunftstechnologien und der Weiterentwicklung von Technologiekompetenzen in Unternehmen und Gesellschaft zu dem er regelmäßig als Keynote-Speaker auftritt. Darüber hinaus ist er freiberuflicher Dozent der Wirtschaftsinformatik und beschäftigt sich neben ML, KI und Big Data mit dem Thema „Opinion Leader Identification & Management“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Metadaten- und Text-Mining, Machine Learning sowie der Wettbewerbs- und Ausschreibungsanalyse. Als ausgebildeter Data Scientist verfügt er über praktische Erfahrungen im Aufbau von Data Pipelines sowie der Modellentwicklung. Ebener engagiert sich darüber hinaus im Forschungsbereich „Business Analytics“ im IFID, dem Institut für IT-Management & Digitalisierung an der Hochschule für Ökonomie & Management.

Live können Sie Dr. Stefan Ebener beim Medieninnovationstag der BLM, media.innovations 2019, erleben.

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