Paid Content und die Monetarisierung von Medieninhalten
Von Magnus Gebauer
Paid Content ist nicht gleich Paid Content. Die Zahlungsbereitschaft der Menschen nimmt immer weiter zu, genauso wie die Möglichkeiten, Inhalte zu monetarisieren. Aber woran liegt diese Entwicklung eigentlich und welche Monetarisierungsform funktioniert für welchen Content am besten?
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Die gute Nachricht vorweg: Die Bereitschaft, für digitalen Content zu bezahlen, steigt kontinuierlich an – zuletzt sogar deutlicher als je zuvor. Seit Beginn der Corona-Pandemie zahlen 25 Prozent mehr Nutzer:innen für digitale Premiuminhalte. Besonders interessant: Bei den jüngeren Nutzergruppen ist die Zahlungsbereitschaft noch höher. In der Altersklasse der 25- bis 34-Jährigen liegt der Wert bei 47 Prozent.
Ein wichtiger Treiber für die Entwicklung ist die Corona-Pandemie. Zudem gibt es einige Veränderungen auf Anbieter- und Nutzerseite, die eine Rolle spielen.
Sieben Gründe für die zunehmende Zahlungsbereitschaft:
- Anzahl an Subscription-Angeboten steigt
Immer mehr Medienhäuser schaffen Subscription-Angebote, um ihre Inhalte zu monetarisieren. Das spiegelt sich in den Zahlen wider. Der Subscription Economy Index des Dienstleisters Zuora weist für die Bereiche Media und Publishing ein überproportionales Umsatzwachstum in 2020 aus.
- Kostenfreie Testzeiträume oder verbilligte Konditionen
Mit Beginn der Corona-Pandemie haben zahlreiche Medienhäuser auf ausgedehnte kostenfreie Testzeiträume und verbilligte Konditionen gesetzt, um die Nutzer:innen im Lockdown zu locken – mit Erfolg. - Bezahlschranken wurden ausgeweitet
In den vergangenen Jahren sind immer mehr (journalistische) Medieninhalte hinter Paywalls gewandert. Wer auf die Inhalte zugreifen will, muss dafür bezahlen.
- Flexibilität der Paid-Content-Angebote
Es gibt immer flexiblere, auf die jeweilige Nutzungssituation angepasste Paid-Content-Angebote. Auch Paywall-Modelle werden immer nutzerorientierter.
- Ende der Gratismentalität im digitalen Raum
Es ist für viele Nutzer:innen inzwischen gelernt, dass hochwertige Inhalte auch im digitalen Raum einen Preis haben (müssen).
- Overload an störender (Unterbrecher-)Werbung
Werbung wird von vielen Nutzer:innen als störend wahrgenommen. Durch werbefreie Umgebungen in Netflix, Spotify & Co. hat man sich an die werbefreie Nutzungssituation gewöhnt.
- Fandom, Fandom, Fandom
Wir erleben derzeit eine wachsende Bereitschaft und neue Möglichkeiten für die Inhalte von Creators, Journalist:innen oder Lieblingskünstler:innen – oftmals auf freiwilliger Basis – zu bezahlen.
Paid Content ist jedoch nicht gleich Paid Content – und darüber hinaus gibt es weitere vielversprechende Wege, um Inhalte zu monetarisieren. Besonders viel Potenzial lässt sich im Zuge der Entwicklungen im digitalen journalistischen Umfeld erkennen, die deutlich weiter reichen als Paywalls.
Subscription – das digitale Abo
Der Umfang und die Preisgestaltung sind wesentliche Faktoren bei der Ausgestaltung von (journalistischen) Subscription-Modellen (Plus-, Kombi-, E-Paper-Modelle) und unterscheiden sich von Anbieter zu Anbieter. Vorreiter wie die New York Times haben bewiesen, dass digitale Subscription-Modelle erfolgreich umgesetzt werden können.
Doch auch bei Subscriptions gibt es weiterhin Gestaltungsspielraum, wie das Micro-Subscription-Modell der amerikanischen Ausgabe des Esquire beweist. Deren Micro-Subscription ist rund um den beliebten Redakteur Charles P. Pierce aufgebaut. Seit November 2018 können Leser für aktuell $25,00 pro Jahr Zugang zu all seinen Texten sowie exklusiven Content erhalten. Im Schnitt lesen laut Verlag 60.000 Menschen pro Tag die Beiträge von Pierce. Innerhalb des ersten Jahres konnte Esquire damit 10.000 neue Mikro-Abonnent:innen gewinnen.
Im Digitalen lassen sich aber auch „Special-Interest“-Extras gezielt vermarkten und monetarisieren. Was früher ein Bestandteil der Printausgaben war, wird im digitalen Raum zu einem zusätzlichen Geschäftsmodell – wie die New York Times beweist. Aus digitalen Extras wie Kochen, Rätseln und Audio entstehen eigenständige Subscriptions. Und diese machen einen immer größeren Teil des Subscription-Kuchens aus. Die New York Times hat insgesamt knapp acht Millionen Paid-Subscribers, von denen fast sieben Millionen digital-only Subscriptions abgeschlossen haben. Davon machen „Cooking, Gaming und Audio“-Subscriptions bereits fast 50 Prozent aus. Auf Basis dieses Erfolgs werden derzeit neue digitale Subscriptions entwickelt, etwa in Form von „NYT Kids“ für Kinder zwischen acht und elf Jahren, welches derzeit nur in Print-Form verfügbar ist.
Auch in den sozialen Netzwerken spielen Subscriptions zukünftig eine nicht zu unterschätzende Rolle. Twitter übernahm den Abo-Service Scroll, der es Leser:innen ermöglicht, Artikel ohne Anzeigen und Pop-ups zu lesen. Bis zu 40 Prozent der monatlichen Beiträge sollen nach Angaben des Unternehmens an teilnehmende Verlage gehen. Twitter will nun beim eigenen Subscription-Modell ebenfalls teilnehmende Verlage nach diesem Modell entlohnen.
Membership – als Mitglied ist man mehr als ein:e Abonnent:in
Memberships umfassen besondere Zusatzleistungen, die von Extra-Content über Besuche in den Redaktionen bis hin zu kostenlosen oder vergünstigten Tickets für Events reichen. Verlagshäusern bieten Memberships damit eine zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeit, da sie den Mitgliedern so On-Top-Leistungen verkaufen können. Dass das funktioniert, wird beim Handelsblatt-Wirtschaftsclub deutlich.
Memberships sollen aber auch das Verhältnis zwischen den Leser:innen und der Redaktion auf ein höheres Level heben. Dementsprechend funktionieren Membership-Modelle nur mit echten Medienmarken, zu deren Redaktionen die Leser:innen eine persönliche Beziehung aufbauen können. Dies kann gerade im kritischen Journalismus und auch in der Regionalberichterstattung gut funktionieren. Zuletzt spielt bei Memberships auch das Thema Community und Gemeinschaft eine besondere Rolle. Mitglieder sollen die Möglichkeit bekommen, sich in exklusiven Kreisen auszutauschen und Teil eines neuen Netzwerks zu werden, wie etwa in der digitalen 1E9-Community.
Donations – freiwillige Spenden für Unabhängigkeit und ein gutes Gewissen
Gerade wenn es um den unabhängigen und kritischen Journalismus geht, sind Spenden eine beliebte Form der Finanzierung. Etablierte Verlage wie der Guardian oder die taz („taz zahl ich“) haben Spendenmöglichkeiten eingerichtet. Neben großen Medienhäusern versuchen sich auch Investigativ- und Recherche-Netzwerke wie The Intercept oder Correctiv über freiwillige Spendenzahlungen zu finanzieren. Im Gegensatz zu Membership-Programmen erhalten Spender:innen in der Regel keine zusätzlichen Gegenleistungen. Die Grenzen sind jedoch fließend. Beim Investigativ-Netzwerk The Intercept erhalten „Mitglieder“ für ihre Spenden ein kleines Dankeschön in Form einer exklusiven Tasche oder eines T-Shirts.
Spenden können in der Regel als einmaliger Beitrag oder als regelmäßige Zahlungen in gewünschter Höhe geleistet werden. Doch Spenden können auch über Geldspenden hinausgehen. Die Nonprofit-Lokalzeitung „Voice of San Diego“ setzt etwa auf „Vehicle Donations“ und bietet Spender:innen die Möglichkeit, ihr gebrauchtes Fahrzeug zu spenden, um damit einen Beitrag zur Finanzierung zu leisten. Abhol- und Abmeldeservice inklusive.
Crowdfunding – wenn viele geben
In den vergangenen Jahren haben sich neue journalistische Formate aus der Schwarmfinanzierung heraus etabliert. Crowdfunding für Journalismus hat sich zu einer Alternative entwickelt, die Projekte abseits der großen Verlage und Medienhäuser vorantreibt. Ziel ist es meist, eine unabhängige und werbefreie Finanzierungsform zu schaffen. Bekannte Beispiele sind das deutsche Projekt Krautreporter, das Schweizer Projekt Republik und das niederländische Projekt De Correspondent. Das bereits 2013 gegründete De Correspondent-Projekt gilt als Vorreiter und Role Model für journalistische Crowdfunding-Projekte. Innerhalb einer achttägigen Crowdfunding-Phase wurde über eine Million Euro an Startkapital gesammelt. Mit „VierNull“ startet derzeit ein neues Medien-Startup in Düsseldorf, das sich im Lokaljournalismus behaupten will. Auf der Funding-Plattform startnext.com wurden über 45.000 Euro als Anschubfinanzierung für die Website eingesammelt.
Aggregator-Plattformen – gebündelt und weiterverkauft
Subscription-basierte Aggregator-Plattformen bieten den Nutzer:innen zahlreiche Vorteile und bedienen sich bei den von User:innen gelernten und bewährten Logiken der Subscription Economy. Mit nur einem Abonnement kann bei Readly oder Cafeyn das Angebot einer breiten Palette an Zeitungen, Zeitschriften und Artikeln aus verschiedenen Genres genutzt werden. Zudem sind die Subscriptions in der Regel monatlich kündbar und bieten komfortable Apps zur Nutzung auf dem eigenen Device an. Für Verlage sind sie eine Möglichkeit, neue Leser:innen zu erreichen und zusätzlichen Umsatz zu generieren. Einzelkauf-Aggregator-Plattformen wie Blendle funktionieren bisher nur bedingt, da diese kaum profitabel sind. Eine immer wichtigere Rolle nehmen News-Aggregatoren der großen Tech-Konzerne ein. Nach Apple und Google News zieht nun auch Facebook News ins Rennen und bietet kooperierenden Medienhäusern eine Bezahlung der Inhalte.
Direct Payment Tools – neue Werkzeuge für stabilere Einnahmen
Direct Payment Tools haben sich in der Independent-Szene als beliebte Möglichkeit erwiesen, um Einnahmen aus der Community zu generieren. Egal ob Künstler:innen, Autor:innen, Musiker:innen, Influencer:innen oder Journalist:innen – diese Form der Finanzierung bietet sich für eine Vielzahl von Creators an. Besonders attraktiv sind die Dienste aufgrund ihrer flexiblen Kostenmodelle. Erst, wenn tatsächlich Geld verdient wird, fallen prozentuale Gebühren an. Fandom ist ein wesentlicher Treiber, um Direct Payments zu leisten. Patreon ist Vorreiter der Creator-Plattformen und hilft dabei, direkte Einnahmen aus der Community zu generieren. Auch der Tech-Dienstleister Steady hilft Medienschaffenden dabei, aus ihren Inhalten Geld zu machen und gleichzeitig unabhängig zu bleiben. Und zwar für alle Arten von digitalen Projekten: für Blogs, Online-Magazine, Podcasts, YouTube-Kanäle, Code-Projekte. Ein weiteres Indiz für die Relevanz von Direct Payment Tools sind die Aktivitäten von Twitter. Mit der Funktion „Super Follows“ will der Plattform-Riese den Nutzer:innen ein entsprechendes Feature anbieten.
Paid Newsletter – Willkommen zum „Battle of the Inbox”
Paid Newsletter boomen, zumindest in den USA: Doch lange Zeit galt das Newsletter-Format als eher antiquiert. Das Ur-Format des digitalen Publishings ist nun eines der großen Trendthemen bei Publishern. Vor allem der Paid-Newsletter-Sektor ist derzeit in aller Munde. Der Erfolg lässt sich auf unterschiedliche Faktoren zurückführen. So bieten Newsletter den Publishern die gewünschte publizistische Freiheit, den Leser:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Publisher direkt zu unterstützen. Neue Tech-Dienstleister bieten die notwendige Infrastruktur an. Wichtigster Player in diesem Zusammenhang ist die Plattform Substack, die Newsletter-Journalist:innen eine vollständige Infrastruktur anbietet. Konkurrenz kommt abermals von Twitter, die mit der Übernahme des Newsletter-Dienstes Revue einen Angriff auf den Platzhirsch Substack wagen – unter anderem durch niedrigere Gebühren. Auch Facebook und Forbes haben angekündigt, dass sie an vergleichbaren Newsletter-Tools arbeiten.
Paid Podcast – „Pay First” für Audio
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein interessanter neuer Podcast an den Start geht. Anders sieht dies bei den Monetarisierungsmodellen aus. Podcasts sind zum allergrößten Teil über klassische Werbespots, native Ads oder Sponsorings finanziert. Paid Podcasts sind die absolute Ausnahme. Für journalistische Angebote stellen sie allerdings eine völlig neue Möglichkeit der Monetarisierung dar. Das Nachrichtenportal „The Pioneer“ setzt in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Podcast-Unternehmen Acast eine eigenständige Paid-Podcast-Strategie um. Beliebte Podcasts wie das Tech Briefing wanderten in der ersten Stufe hinter die Bezahlschranke. Auch der Spiegel hat seinen täglichen News-Podcast „Spiegel Daily“ als exklusiven Podcast nur für zahlende Abonnent:innen sowie Audible-Kund:innen gerelaunched. Größere Veränderungen im Markt könnten zudem durch die neuen Paid-Podcast-Funktionen von Apple und Spotify entstehen.
Content Commerce – wenn die Story zum physischen Produkt wird
Content meets Commerce meets Fandom. Bei dieser Monetarisierungsform werden aus medialen Inhalten Produkte geschaffen, die dann erfolgreich (auf den eigenen Kanälen) vertrieben werden. Diese Finanzierungsform bewegt sich abseits von Paid Content und klassischer Werbung. Innovative Publisher aus den USA machen es vor. So hat der Digital Publisher Barstool Sports im Rahmen des Podcasts Spittin´ Chiclets den Vodka „Pink Whitney“ in Kooperation mit der Marke New Amsterdam geschaffen. Hintergrund: Host Ryan Whitney sprach in seiner Show über seinen Lieblingsvodka, ein Vodka mit pinker Limonade. Nach der Show entstand ein Social Media Hype um das pinke Getränk. Die beste Basis für einen entsprechenden Produktlaunch. Auch die Entertainment-Medienmarke Complex Networks setzt immer wieder auf diese Form der Monetarisierung. Und hierzulande? Auch in Deutschland funktioniert das Content-Commerce-Prinzip. Bestes Beispiel ist Jens „Knossi“ Knossalla, der von Spirituosen bis zu Merchandise diverse Produkte aus den Inhalten seiner Shows aufleben lässt.
Wo geht die Reise hin?
Den Paid-Content-Königsweg gibt es nicht. Es zeichnet sich derzeit ab, dass die Monetarisierung von digitalen Premium-Angeboten auf unterschiedlichen Säulen basieren wird. Wer im digitalen Raum abseits der Werbefinanzierung mit Inhalten Geld verdienen möchte, der ist gut beraten, verschiedene Monetarisierungswege zu wählen und dabei offen für neue Ansätze zu bleiben. Der Paid-Content-Umsatz der Zeitschriftenverlage ist im Jahr 2020 laut VDZ um 44 Prozent angestiegen. Ein wesentlicher Schlüssel zur Zahlungsbereitschaft sind dabei Professionalität und Regionalität. Eine aktuelle Befragung von Score Media zeigt, dass 83 Prozent der 18- bis 69-Jährigen bereit sind, für „professionell vor Ort recherchierte“ Inhalte Geld zu bezahlen. Besonders interessant auch hier: Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar neun von zehn Befragten. Das Jahr 2021 nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Denn in diesem Jahr übersteigt die Anzahl der digitalen Leser:innen von Zeitungen und Magazinen in Deutschland zum ersten Mal die Anzahl an Print-Leser:innen. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen.
Quellen & nützliche Links
- Zuora: SEI Report
- Deloitte: Media Consumer Survey 2020
- Digiday: Esquire Micro Membership Model
- Esquire: The Select
- Axios: Media Trends
- Axios: NY Times Sucscription
- Horizont: Twitter & Scroll – werbefreies Surferlebnis
- Meedia: VierNull – werbefreies Medium
- Meedia: Blendle setzt auf Premium-Modell
- NY Times: Facebook Newsletter Tool
- Axios: Forbes Paid Newsletter Subscriptions
- Apple: Podcast Subscriptions
- DWDL: Spotify Bezahlpodcasts
- The Hustle: Pink Whitney Launch
- Forbes: Pink Whitney Launch
- Voices of San Diego: Vehicle Donation Program
- Statista: Leser:innen von Zeitungen und Magazinen
- Score Media: Gattungsforschung Zeitung
- DWDL: Paid-Content-Umsatz