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Steffen Braun

Über die Cloud ins Auto

Von Franziska Schulz

Mobile Coworking-Busse und rollende Wohnzimmer? Wenn das Auto bald ohne menschlichen Steuermann fährt, hat der Fahrer plötzlich viel freie Zeit. Wie lässt sich diese gestalten? Welches Potenzial steckt für Medienhäuser darin? Und wie ändern sich die Distributionswege? Ein Interview mit Steffen Braun, Leiter des Geschäftsfelds „Mobilitäts- und Stadtsystem-Gestaltung“ am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

Herr Braun, wenn das Auto zukünftig autonom fährt, gibt es viele Möglichkeiten, wie der Fahrer seine Zeit mit Medien nutzen kann. Welches Szenario halten Sie in absehbarer Zeit für wahrscheinlich?

Steffen Braun: Viele nennen als erstes das Schlafen, um die Vorzüge autonomer Mobilität darzustellen. Unsere Studie „Value of time“ zeigt aber, dass die heutigen Nutzer die Szenarien „Kommunikation“, „Produktivität“ und „Grundbedürfnisse“ am wahrscheinlichsten halten. Einiges können wir uns aber heute noch schwer vorstellen, zum Beispiel welche Möglichkeiten ortsbasierte Informationen oder Unterhaltung im Robo-Taxi bieten. Vielleicht erleben wir zukünftig Filme, durch die wir selbst durchfahren durch Mixed Reality?

Wie unterscheidet sich das im internationalen Vergleich?

Braun: Es zeigen sich weniger Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern als zwischen den Altersgruppen. Den größten Nutzen sehen 25 bis 35 Jahre alte Männer, die viel Auto fahren – den geringsten Nutzen ältere Frauen, die nur wenig Auto fahren. Interessant sind darüber hinaus neue Dienstleistungen rund um das autonome Fahrzeug, wie etwa Schul-Taxis oder mobile Co-Working-Busse.

Was bedeutet das für Medienbranche?

Braun: Für sie ergibt sich zukünftig ein völlig neuer Kanal abseits heutiger Mobilgeräte, Internet und TV. Hier besteht allerdings auch die Herausforderung, neue Formate zu kreieren, die eher auf die Konsum- bzw. Fahrtdauern ausgelegt sind. Auf dem 20-minütigen Weg in die Arbeit interessieren sich Kunden eher für kompakte Inhalte, bei innerstädtischen Fahrten vielleicht nur für „Medien-Schlaglichter“, ähnlich wie heute Snapchat oder Instagram. Grundsätzlich besteht in Deutschland eine Zahlungsbereitschaft für neue Medienformate im autonomen Fahrzeug von mehreren Milliarden Euro.

Wie wird sich die Distribution für Medieninhalte ändern?

Braun: Aus unserer Sicht werden sich aktuelle Trends ubiquitärer Informationen fortsetzen, gerade im Mobile-Sektor. Gerade aber die Möglichkeit das autonome Fahrzeug technisch in ein „rollendes Wohnzimmer“, also den ursprünglichen Ort für Medienkonsum, zu verwandeln, lässt erahnen, dass Dolby Surround in Verbindung mit Augmented Reality, Customer Experience und Location-based Services Anlass geben, neu über die zukünftige Distribution von Medieninhalten nachzudenken. Gerade die kommende Generation der „Nicht-Führerschein-Besitzer“ wird hier deutlich andere Präferenzen und Bedarfe auf den Markt mitbringen.

Mehr Bandbreite mit dem Mobilfunkstandard 5G

Wenn heute ein Autofahrer etwas anderes als Radio hören will, wird meist das Smartphone angesteckt. Wie wird das zukünftig ablaufen?

Braun: Die aktuellen Entwicklungen rund um den Mobilfunkstandard 5G werden einiges an Bandbreite bereitstellen. Damit wird die Qualität von Inhalten steigen und vor allem eine flächendeckende Verbreitung ermöglicht werden. Wenn wir aber zukünftig weniger Fahrzeuge besitzen, sondern mehr autonome Fahrzeuge teilen bzw. auf Abruf nutzen, werden Cloud-basierte Browser und individualisierte Kundenprofile, die direkt mittels „Privacy by Design“ an das Betriebssystem des Fahrzeugs übertragen werden, viel wichtiger. Das Auto von morgen muss hier also ganz neue Schnittstellen und Datenschutzanforderungen mit abdecken.

Wie wichtig ist das Jahr 2020, in dem der neue Standard 5G auf den Markt kommen soll?

Braun: Ich rechne damit, dass Anfang nächsten Jahrzehnts das Thema deutlich Fahrt aufnehmen wird. Verschiedene Automobilhersteller haben für 2020/2021 bereits erste autonome Flotten in deutschen Städten angekündigt. In Verbindung mit leistungsfähiger IT-Infrastruktur, präzisen digitalen Karten und echtzeitfähigen Cloud-Architekturen wird 5G eine wichtige Rolle für autonome Mobilität und fahrzeugbezogene Nutzungsangebote darstellen.

Wie kommt die Technik ins Auto? Wie stark sind die Autohersteller auf die Zusammenarbeit mit neuen Partnern angewiesen?

Braun: Genau an dieser Grenze werden sich die Wertschöpfungsketten deutlich verändern, sogar ganze Branchen konvergieren. Nüchtern betrachtet ist das Fahrzeug am Ende ja „nur“ das Endgerät, das aber – ähnlich wie das Smartphone heute – beliebig viele Mehrwertdienste anbietet, wie etwa für die Arbeit, Fitness, Gesundheit, Kommunikation oder Unterhaltung. Und neue Kooperationen wie die von Daimler und Bosch für eine vollautonome Fahrzeugentwicklung bis 2021 zeigen, dass diese Themen nicht mehr weit weg sind. Die Medien- und Automobilbranche in Deutschland sollte heute bereits an die Geschäftsmodelle von morgen denken und frühzeitig den neu entstehenden Markt mitgestalten.

Forschungsprojekte des IAO

An welchen Forschungsprojekten in diese Richtung arbeitet das Fraunhofer Institut IAO?

Braun: Im Geschäftsfeld „Mobilitäts- und Stadtsystem-Gestaltung“ forschen wir mit der Wirtschaft bereits seit mehreren Jahren an der Zukunft der Mobilität. Dies muss im System gedacht werden, also von zukünftigen Nutzeranforderungen über neue Interaktions- und Fahrzeugkonzepte bis hin zu neuen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen. Im Verbundprojekt „FutureCar“ denken wir mit der Automobilbranche neue Fahrzeugkonzepte voraus. Aktuell läuft für das Bundesverkehrsministerium die Akzeptanzstudie „RoboCab“ und im Projekt „25th Hour“ haben wir zuletzt optimale Bedingungen für konzentriertes und produktives Arbeiten im Innenraum vollautonomer Fahrzeuge evaluiert.

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Wie gut sind Automobilhersteller und Medienhäuser auf diese Veränderungen vorbereitet?

Braun: Auf Seite der Automobilhersteller sind durchaus Initiativen festzustellen, technisch steht man hier beim Thema autonomes Fahren der ausländischen Konkurrenz sicher in Nichts nach. Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich viel getan. Das Problem sehe ich allerdings darin, dass Mobilität immer noch zu sehr über das Fahrzeug selbst gedacht wird. Autonomes Fahren wird aber sehr viel mehr verändern und den ganzen Markt neu definieren. Deshalb bietet sich auch Innovationspartnerschaften zwischen Automobil- und Medienbranche an, wobei beide viel voneinander lernen sollten. Wer hier mutig und branchenübergreifend agiert, kann sich einen strategischen Wissens- und Wettbewerbsvorsprung aufbauen.

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