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Konstanze Beyer: „Auch Dokumentationen können unterhaltsam sein“

Von Julia Hägele

RTLZWEI fördert mit dem Doku Lab mit einem Budget von 100 000 Euro die Recherche zu Dokumentationen und Reportagen. Konstanze Beyer, Chefredakteurin und Leiterin der Abteilung Wissen & Dokumentation, spricht im Interview über die Idee des „Doku Lab“, die Kritik an „Hartz und herzlich“ und einen Dokumentarfilm, der sie nachhaltig beeindruckt hat.  

Frau Beyer, mit dem „Doku Lab“ lobt RTLZWEI finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von TV-Dokumentationen und-Reportagen aus – warum dieses Format und nicht etwa Serien?

Konstanze Beyer: Reportagen und Dokus sind eine wichtige Programmfarbe von RTLZWEI, das ist manchen vielleicht nicht bewusst. Gute Dokumentationen wollen genau recherchiert sein, aber gerade in dieser wichtigen Anfangsphase fehlt Autorinnen und Autoren oft das Geld. Hier setzen wir mit dem „Doku Lab“ an. Wir fördern von Anfang an, auch wenn wir noch nicht wissen, was am Ende rauskommt. Damit möchten wir in dieser herausfordernden Zeit auch ein Zeichen setzen und zeigen, dass uns die Arbeit von Doku-Filmschaffenden wichtig ist.

Bei RTLZWEI denken viele an Unterhaltungsfernsehen, während dem Dokumentarfilm eher ein Bildungs-Image anhaftet – wieso brechen Sie diese Grenzen auf?

Beyer: RTLZWEI setzt stark auf Unterhaltung, aber wir haben auch anderes im Programm. Vergangenes Jahr etwa haben wir eine Dokumentation über den sexuellen Missbrauch in der katholischen und evangelischen Kirche ausgestrahlt, „Der heilige Schein“. Für unsere Reihe „Echtzeit“ haben wir einen Kriegsreporter in den Irak und die renommierte Fotojournalistin Julia Leeb in den Kongo begleitet. Die Programmvielfalt von RTLZWEI ist größer, als sie vielen erscheint. Was wir allerdings nicht sind, ist ein Erklär- und Belehrfernsehen. Auch Dokumentationen können unterhaltsam sein.

Die Jury des Doku Lab ist bewusst vielfältig gewählt, denn wir wollten unsere Perspektive weiten.

Konstanze Beyer

In der Jury sitzt unter anderem Thilo Mischke, der mit seiner Dokumentation „Rechts. Deutsch. Radikal“ einen Erfolg bei ProSieben landete – ein Vorbild?

Beyer: Ich schätze Thilo Mischke als Journalisten sehr. Die Idee, ihn in die Jury zu holen, hatten wir schon etwas früher, aber seine Doku ist wirklich sehr gut gemacht und vor allem sehr nah an den Menschen und am Geschehen. Die Jury des Doku Lab ist bewusst vielfältig gewählt, denn wir wollten unsere Perspektive weiten. Henriette Löwisch von der Deutschen Journalistenschule kommt aus der Ausbildung, Hans Peter Junker vertritt den Print-Journalismus, Collien Ulmen-Fernandes ist Moderatorin und Schauspielerin. Aus dieser Bandbreite erhoffe ich mir, dass eine wunderbare Diskussion entstehen wird – und dass dadurch auch diejenigen Ideen eine Rechercheförderung bekommen, die nur durch die RTLZWEI-Brille womöglich nicht gesehen worden wären.

An den RTLZWEI-Doku-Formaten wie „Hartz und herzlich“ wird viel Kritik geübt – wie gehen Sie damit um?

Beyer: Ich denke, dass alles, was den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Armut befördert, gut ist. „Hartz und herzlich“ gibt es seit fünf Jahren und das Thema Armut und Armutsgefährdung in Deutschland hat sich bisher nicht zum Besseren verändert. Wir wollen den Diskurs befördern. Die Politik muss ihre Schlüsse ziehen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann gerne auf andere Art draufschauen. Dessen Herangehensweise ist tatsächlich oft gar nicht so viel anders als unsere. Man muss sich beispielsweise nur „Die Bayreuther Straße – Hoffnung, Hunger und Hartz IV“ im SWR anschauen. Schade finde ich, dass manche Kritiker nicht mit uns oder der Produktionsfirma UFA reden. Kritik ist erwünscht, aber bitte im fairen Austausch. 

Jede Idee, die uns überzeugt, bekommt mindestens 10 000 Euro.

Konstanze Beyer

Sind die Bewerber:innen des Doku Lab in ihrem Format frei oder erwarten Sie, dass Reality-Doku-Konzepte eingereicht werden?

Beyer: Die Bewerberinnen und Bewerber sind völlig frei, wir haben auch keine thematischen Vorgaben gemacht. Wir sind offen für alles. Uns ist wichtig, dass die junge Zielgruppe angesprochen wird. Im Grundsatz ist aber jede Idee für 45 oder 90 Minuten Film willkommen. Ich möchte die Angst nehmen, sich zu bewerben.

Das Doku Lab ermöglicht Kreativen die Umsetzung neuer Doku-Formate.

Wer soll sich vom Doku Lab angesprochen fühlen?

Beyer: Die Altersgrenze ist ab 18, ansonsten schließen wir niemanden aus. Studierende oder Profis, Freischaffende oder Produktionsfirmen: Jeder, der eine Idee hat, ist willkommen. Wobei sich eine einzelne Person als Absender bewerben sollte, die wir dann zu unseren Masterclasses einladen können. 

Mit wie viel Geld können Bewerber:innen rechnen, wenn ihre Idee angenommen wird?

Beyer: Wir haben 100 000 Euro zur Verfügung, die wir maximal durch zehn teilen. Das heißt, jede Idee, die uns überzeugt, bekommt mindestens 10 000 Euro. Die Rechte der Idee liegen bei RTLZWEI, weil wir sie auch umsetzen wollen. Tun wir das nicht, geben wir die Rechte wieder frei. Die Fördersumme können die Begünstigten in jedem Fall behalten.

Ein toller Reportage-Stoff wäre die Wahl zur BR-Intendanz im vergangenen Jahr gewesen.

Konstanze Beyer

Gibt es einen Dokumentarfilm, an den Sie sich immer wieder gerne zurückerinnern?

Beyer: Da gibt es zwei: Zum einen „Saudi Runaway“ von Susanne Regina Meures. Den Film habe ich noch vor dem Lockdown in einem echten Kino auf der Berlinale 2020 gesehen. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die aus Saudi-Arabien geflohen ist, teilweise mit Selfie-Kamera gedreht. Am Ende waren die Regisseurin und auch die junge Frau auf der Bühne – das liebe ich an der Berlinale.

Zum anderen erinnere ich mich gerade immer wieder an eine Doku-Reihe mit dem britischen Autor Ken Follett über das Mittelalter, die ich als Produzentin betreut habe. Wir haben in Florenz gedreht und darüber gesprochen, wie die Pest die Welt verändert hat. Wie sich die Renaissance entwickelte, die Kirche ihre Macht verlor. An dieses Thema, das so weit weg scheint, muss ich in Zeiten der Corona-Pandemie oft denken.

Wenn der Medienstandort Bayern eine Reportage wäre – welchen Stoff würden Sie erzählen wollen?

Beyer: Ein toller Reportage-Stoff wäre die Wahl zur BR-Intendanz im vergangenen Jahr gewesen. Die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten, die Diskussionen hinter verschlossenen Türen, insbesondere mit dem Blick auf eine Frau, Dr. Katja Wildermuth. Diesen Prozess zu begleiten, die verschiedenen Interessen und Widerstände zu beleuchten – das hätte ich schon allein aus Frauenperspektive interessant gefunden.

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