Newsletter erhalten

Special Interest Radio: Ergänzung zur Kernmarke oder lineare Zukunft?

Von Lisa Pandtle

Special Interest Radio hat in den letzten Monaten verstärkt an Relevanz gewonnen und bietet vielversprechende Möglichkeiten für klassische Radiosender: Antenne Deutschland identifiziert mit „Absolut“ neue Zielgruppen, während Klassik Radio mit dem Programm Klassik Radio Movie auf organisches Wachstum setzt. Im Zentrum unseres Events „Media Insights Audio – Special Interest Radio“ stand die Frage: Ist Special Interest Radio eine sinnvolle Ergänzung zur Kernmarke oder sogar die Zukunft von linearem Radio?

Podcasts schießen wie Pilze aus dem Boden, Streaming findet großen Anklang und auch Hypes wie die Clubhouse-App zeigen: Der Audioboom ist in vollem Gange. Durch die zunehmende Fragmentierung von Zielgruppen gestaltet sich die Ansprache über Audio-Angebote jedoch immer schwieriger. Wie kann also das lineare Radio in unserer digitalen Lebenswelt mithalten?

Radio gehört zu unserem Alltag

Für Claudia Dinges, Programmdirektorin von Antenne Deutschland, ist Special Interest Radio ein Weg in die Zukunft: „Radio gibt es schon seit über 100 Jahren. Trotz der Digitalisierung und verschiedenster medialer Entwicklungen hat es immer durchgehalten. Es gehört zu unserem Alltag.“

Claudia Dinges

Die heutige Fülle an On-Demand-Angeboten stelle für viele eine große Überforderung dar. Nicht zuletzt während der Pandemie freue es die Menschen, wenn man ihnen die Entscheidung der Content-Auswahl abnimmt – oder sie ihnen mit zielgruppenspezifischen Inhalten zumindest leichter macht.

Für uns stellt Special Interest Radio – die Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen – die Zukunft dar.

Claudia Dinges, Programmdirektorin Antenne Deutschland

Gerade jungen Menschen steht die größte Vielfalt auf allen Ebenen bereit. Antenne Deutschland versucht, sie mit dem Sender Absolut HOT gezielt anzusprechen. Mit der Verlängerung der Radio-Inhalte über Instagram, Influencer:innen oder TikTok will Absolut die jungen Hörer:innen dort treffen, wo sie sich tummeln. Dazu gehören passgenaue Formate auf jeder Plattform: In einer 60-sekündigen TikTok-Morningshow beispielsweise setzt Absolut HOT auf Interaktion und bietet die Option, Themen mitzudiskutieren.

„Wir können nicht einfach nur sagen, Absolut HOT ist ein cooler, junger Radiosender. Wir müssen den Sender jünger machen und beweisen, dass sie ihn hören sollten“, so Dinges. Deshalb sind auch die Moderator:innen und Macher:innen im selben Alter wie die junge Zielgruppe und wissen, was sie gerade umtreibt.

Absolut Radio investierte zu Beginn in eine umfangreiche Zielgruppenanalyse und untersuchte, welche Nische sich für welche Zielgruppe eignet. Auf der Basis von Personas wurde das Programm entwickelt und die passenden Social-Kanäle für den jeweiligen Content angegliedert.

Erste Erkenntnisse für Claudia Dinges: Absolut Top als Infotainment-Sender sei der Türöffner in die Absolut-Welt, weil die Menschen dieses Format am ehesten gewohnt seien. „So treten die Hörer:innen in unsere Welt ein. Anschließend arbeiten wir viel mit Stimmungen und Emotionen, um sie mit einem ganzheitlichen Ansatz abzuholen: Für deine momentane Lebenswelt findest du alles bei Absolut Radio.“ Absolut Oldie Classics zum Beispiel vermittelt die Nostalgie der 1980er-Jahre, Absolut relax dagegen sorgt für Entspannung in stressigen Momenten.

Special Interest: Ein Trend mit vielfältigen Potenzialen

Chancen in der Radio-Vermarktung sieht Dinges vor allem in einem holistischen Ansatz: Durch das Schalten deutschlandweiter Werbung und ein Joint Venture mit Ströer. Im Gegensatz zum klassischen Radiowerbeverkauf laufen die werblichen Inhalte nicht nur im Radio, sondern beispielsweise auch über Podcasts und Außenwerbung.

Bei Klassik Radio sieht das anders aus: Hörer:innen können Werbung aufgrund diverser Paid-Angebote sogar radikal ausschalten. Davon unabhängig hält Richard Goerlich, gelernter Musikredakteur und heutiger Geschäftsführer und Chief Content Officer bei Klassik Radio, Special Interest Radio für ein Thema mit viel Potenzial: „Es verbindet das Beste aus beiden Welten: Linear und Special Interest.“

Im Gegensatz zu Absolut stehen bei Klassik Radio nicht Studien und Zielgruppenstrategien im Fokus, sondern die eigene Überzeugung und die Leidenschaft der Hörer:innen für klassische Musik. Da neben der klassischen Musik auch Filmmusik starke Emotionen vermittelt, gefällt sie den Menschen, so Goerlich. „Wieso also nicht einen Sender ins Leben rufen, der nur diese Musik spielt? So haben wir die Kombination Filmmusik und Klassik zumindest miterfunden – für Deutschland sogar erfunden.“

Der Sender Klassik Radio Movie ging im Februar 2021 als Ableger von Klassik Radio an den Start – ein neues Nischenangebot in der Radiowelt. Und hinter jeder Nische stehe der Plan, sie zum Mainstream zu machen, so Goerlich.

Klassische Marktforschung oder die Cross-Promotion von Klassik Radio aus spielt für den Sender momentan keine Rolle. Die Kernmarke solle nicht kannibalisiert werden. Mit Klassik Radio Movie wolle er viel eher ein ergänzendes Programm für eine breitere und diversere Zielgruppe schaffen, so Goerlich. Durch die Integration von Seriensongs fände Klassik Radio Movie auch bei jüngeren Zielgruppen Anklang. Der Experte setzt auf eine organische Entwicklung der Zuhörerschaft.

Bei Podcasts hat sich das ja auch eher langfristig entwickelt – da hat anfangs niemand groß auf die Werbepauke gehauen.

Richard Goerlich, Geschäftsführer und Chief Content Officer Klassik Radio

Lukas Schöne, Claudia Dinges, Robert Goerlich

Goerlich glaubt an die Zukunft des Radios – „und zwar an das lineare Mainstream-Radio, das von Menschen kuratierte Inhalte spielt.“ Das werde immer erfolgreicher sein als jeder Algorithmus. Denn am Ende entscheide der Punkt: Wer sendet ab und mit welchem inhaltlichen, emotionalen Anspruch?

In einem sind sich Dinges, Goerlich und Vernetzer Lukas Schöne einig: Die Live-Moderation im Radio wird niemals aussterben.

„Denn was ist schöner als ein Moderator, der sich verspricht?“ (Zitat Goerlich)

Media Insights als Video

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Über Media Insights

Media Insights ist unsere „digital only“-Reihe. Regelmäßig sprechen Vertreter:innen jeweils einer Branche über eine konkrete gemeinsame Herausforderung. Expert:innen geben einen Überblick über die aktuellsten Entwicklungen und Medienmacher:innen können sich mit anderen Vertreter:innen ihrer Branche zu einem bestimmten Thema schnell und einfach vernetzen.

Abonniere jetzt unseren Newsletter
Bleibe auf dem Laufenden zu den Events und Projekten des MedienNetzwerk Bayern!