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Medientrend 2024: Human vs. AI Content

Human vs. AI Content

Eine Erfolgsgeschichte dank Kooperation – statt Konkurrenz 


von Liza Marie Heuring, 22.01.2024

Wohl wenige Entwicklungen werden in der Medienbranche mit so viel Faszination und Skepsis beäugt, wie der Vormarsch von Inhalten, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) geschaffen werden. Zu Beginn noch gleichermaßen bestaunt wie belächelt, ist der KI-generierte Content heute kaum mehr von Human Content, also menschengemachten Texten und Bildern, zu unterscheiden. Medienunternehmen weltweit arbeiten mit Hochdruck daran, dass Audio und Video in derselben hohen Qualität und Quantität folgen. Denn dahinter steckt ein gewaltiges Umsatzpotential. 

 

KI = Von Vorteil


Die Vorteile der Nutzung von KI für die Content-Produktion liegen auf der Hand: Von KI gestützte Software erleichtert die Recherche, insbesondere bei der Sortierung und Auswertung großer Datenmengen oder der Abschrift von Audiodateien. Dasselbe gilt für die Erstellung von Grafiken und Illustrationen. Auch beim Erkennen von Falschnachrichten und Spam im Web oder auf Social Media Plattformen kann KI zum Einsatz kommen. Mediale Inhalte können dank KI zudem immer genauer aufs Publikum zugeschnitten werden (beispielsweise in Form von personalisierten Nachrichten nach geografischen Präferenzen). Sie lassen sich sekundenschnell automatisiert generieren und verbreiten. Insbesondere für News-Ticker, aber auch für Sport- oder Börsenberichte ist diese schnelle, automatisierte Texterstellung und Distribution ein Gewinn im Wettbewerb um die Gunst des Publikums. User:innen fühlen sich dank künstlicher Intelligenz, die immer schneller dazulernt, in ihren Vorlieben gesehen und verstanden. 

Eine Befragung internationaler Newsrooms in 2023 zeigte, dass 49 Prozent von ihnen bereits generative KI-Tools einsetzen – hauptsächlich zur ​​Recherche, Texterstellung, Korrektur von Sprache und Orthographie und allgemeiner Prozessverbesserung. Jedoch nutzen lediglich 15 Prozent der dort arbeitenden Journalist:innen diese Tools wöchentlich oder häufiger. Was hier vielleicht die Offenheit hemmt, sind gewisse Vorbehalte: 82 Prozent gehen von starken Einflüssen der Entwicklungen auf ihren Job aus und mehr als 85 Prozent der Befragten geben an, dass sie Bedenken bezüglich der Qualität der Arbeitsergebnisse unter KI-Einfluss haben.

Human vs. AI: Anwendung in Newsrooms
KI und Content: In der Praxis journalistischer Newsrooms gibt es noch viel Luft nach oben | Quelle: Schickler (2023)

Relevanz von Human Content trotz KI-Tsunami


Mit all diesen Möglichkeiten ist KI-generierter Content also ein Effizienz-Gewinn, der aber gleichzeitig in direkter Konkurrenz zu den klassischen Medienschaffenden steht. Welche Jobs fallen künftig weg, wenn KI nicht nur Wetter- und Verkehrsberichte schneller und besser erstellt, sondern auch unvoreingenommener und multiperspektivischer berichtet? Für die Kommunikationsbranche ist dies eine Herausforderung von existentieller Bedeutung. Die Sorgen und Vorbehalte in diesem Mensch-KI-Verhältnis bestätigen sich, wenn man zum Beispiel einen Schritt im Springer-Konzern anschaut: Im Dezember 2023 verkündet Axel Springer, die Nachrichten-App „upday“ nur noch als KI-basierte Nachrichtenplattform zu betreiben. Nachdem im Sommer schon 50 Mitarbeitende gehen mussten, was mit den zurückgehenden Werbeeinnahmen begründet wurde, wurden die verbleibenden 70 nun auch entlassen. Eine Kernfrage lautet daher: Wie können menschliche Inhalte trotz KI-Tsunami dauerhaft relevant bleiben? Reicht es, sich auf den Mehrwert von persönlichen Anekdoten, der Einordnung durch einen kritischen Geist und nicht zuletzt der Authentizität von Autor:innen zu berufen?

Zumindest für viele Nutzer:innen scheinen diese menschlichen Faktoren weiterhin Relevanz zu besitzen: Einer im Januar 2024 veröffentlichten Studie des Hamburger Brand Science Institute zufolge, sinkt mit dem redaktionellen Einsatz von künstlicher Intelligenz die Zahlungsbereitschaft der Leserschaft von Online-Nachrichten um ganze 30 Prozent von 10,24 Euro (für einen Artikel ohne KI) auf 6,68 Euro (reiner KI-Artikel). Diese Differenzierung ist jedoch nicht zwangsläufig negativ zu bewerten, denn sie könnte wiederum den Markt für Human Content stärken. Während die mithilfe von KI erstellten Inhalte ein günstigeres Angebot für die Masse bieten, können rein menschengemachte Inhalte explizit gezeichnet und teurer angeboten werden. 

Medientrends 2024: Auswirkungen des Einsatzes von KI auf die Zahlungsbereitschaft deutscher Online-Nachrichtenmedien
Auswirkungen des Einsatzes von KI auf die Zahlungsbereitschaft deutscher Online-Nachrichtenmedien | Quelle: Brand Science Institut - AI


 

AI-Content in der bayerischen Medienbranche


Wie künstliche Intelligenz den Journalismus bereichert und welche Technologien dabei an welcher Stelle am sinnvollsten eingesetzt werden, zeigt das „AI + Automation Lab“ des Bayerischen Rundfunks – ein Team aus Datenjournalist:innen, Designer:innen, Produktentwickler:innen und Expert:innen für maschinelles Lernen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit entstanden etwa zur bayerischen Landtagswahl 2023 automatisierte Wahlberichte samt Grafiken für die jeweils 91 Stimmkreise. Dank der Automatisierung konnte die große Datenmenge der Stimmabgaben nicht nur schneller, sondern auch weniger fehleranfällig publiziert werden als manuell getippte Texte. Diese geringe Fehlerquote bei KI-Content ist allerdings bisher keineswegs die Regel, wie diverse Experimente des Labs belegen. 

Auch die Süddeutsche Zeitung nutzt künstliche Intelligenz, um automatisierte Kurztexte zur Wahlanalyse zu erstellen. Sie holte sich beispielsweise die Unterstützung von KI-Software, um die enormen Datenmengen der Panama Papers sowie der Paradise Papers zu bewältigen. Übernimmt die KI die Fleißarbeit, bleibt den Journalist:innen mehr Zeit für die Kontextualisierung des Materials und den kritischen Blick als finales Korrektiv. Bei aller Aufgeschlossenheit der Technologie gegenüber, dürfe aber der persönliche Stil, Witz und das Sprachgefühl der SZ-Autor:innen nicht fehlen, betont das Medienhaus. 

Fazit: Wie sich der Stellenwert von Human Content in der von generativen KI geprägten Medienwelt entwickeln wird, muss sich noch zeigen. Was Human Content aber so einzigartig macht, brachten einige Speaker bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2023 auf den Punkt. Bei den beschriebenen Themen sind sie mit KI nicht weitergekommen. Was ihr vor allem spürbar fehlt: Die menschliche Perspektive!

  • Dunja Ramadan, SZ: „Welche Leute zu Wort kommen, die richtigen auszusuchen, um verschiedene Perspektiven zu einem Thema aufzuzeigen, ist ein Kriterium für Qualitätsjournalismus, das die KI nicht leisten kann.“

  • Julia Ruhnau, Nürnberger Nachrichten: „Mit den Sachen, über die man berichtet, in Kontakt kommen.“ … „Wie ist das für die Menschen? Diese Frage stellt die KI nicht.“

  • Dr. Jan-Georg Plavec, Stuttgarter Zeitung: „Die KI beschleunigt die Analyse großer Datensätze, z. B. zum Klimawandel. Aber den Spürsinn für die Geschichten dahinter, die mit den Menschen vor Ort zu tun haben, den hat sie nicht.“



Quellen & nützliche Links:


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