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Ceretai – mit Daten zu mehr Diversity

Von Jim Sengl

Besonders jüngeren Medienkonsument:innen stößt ein Aspekt zunehmend auf: Medien bilden die gesellschaftliche Wirklichkeit in ihrer Diversität nur selten ab. Um Medieninhalte diverser zu gestalten, sind verlässliche Datengrundlagen von großer Bedeutung. Mit ihrem Startup Ceretai unterstützt Meike Arendt Medienhäuser dabei, durch die automatisierte Auswertung von Daten mehr Vielfalt in ihr Unternehmen zu bringen.

Frau Arendt, was genau kann man sich unter dem Angebot von Ceretai vorstellen?

Meike Arendt: Wir haben eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software gebaut, mittels der wir Videoinhalte –  Kinofilme, TV-Shows oder News-Sendungen – auf verschiedene Diversity Measurements hin analysieren können. Mithilfe der Daten können wir zeigen wie divers Inhalte sind, etwa der Sprachanteil von Frauen gegenüber Männern, oder die Altersgruppen, die gezeigt werden.

Wie wird das Thema Diversity in der deutschen Medienlandschaft schon angenommen?

Meike Arendt: Ceretai ist seit einem Jahr in Deutschland und seit zwei Jahren in Schweden aktiv. Was das Thema Diversity angeht, ist Schweden einen großen Schritt weiter. Wir haben schon verschiedene Projekte mit schwedischen Firmen gemacht, aber auch mit öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland.

Mit der Tagesschau haben wir zum Beispiel einmal eine Geschlechteranalyse gemacht und im Sommer 2020 hatten wir ein großes Projekt mit dem Norddeutschen Rundfunk. Da haben wir untersucht, wie und vor allem wie stark Männer und Frauen im Programm dargestellt werden.

Was ist die Grundmotivation der Auftraggeber?

Meike Arendt: Den meisten Kunden ist mittlerweile klar, dass die Welt, die sie zeigen, nicht die Welt ist, wie sie ist. Vorurteile, zum Teil auch versteckte, hat jeder von uns. Die Kunden wissen aber auch, dass die Öffentlichkeit fordert, nicht nur Firmen diverser zu gestalten, sondern auch die Inhalte. Aktuell werden wir nach sehr viel mehr Diversitätsmerkmalen gefragt, als wir aktuell anbieten können.

Welche Diversitätsmerkmale untersuchen Sie?

Meike Arendt: Gestartet sind wir damit, Männer- und Frauenanteile zu analysieren. Bei den meisten Analysen war zu sehen, dass es einen viel höheren Sprachanteil von männlichen als von weiblichen Stimmen gibt. Wir haben außerdem gesehen, in welchem Alter, mit welchen Gefühlen oder in welchen Rollen Personen gerade in Kinofilmen dargestellt werden. Was aktuell auch ein sehr nachgefragtes Measurement ist – da sind wir gerade noch in der Entwicklung –, ist das Thema Ethnizitäten, also kulturelle und Migrationshintergründe.

Gehen die Daten an die Geschäftsleitung, an die Redaktionen oder die Chefredakteur:innen?

Meike Arendt: Das lässt sich generell nicht sagen. Viele Unternehmen haben mittlerweile Diversity-Beauftragte. Die wirken aber meist nicht auf das Programm ein. Das heißt, wir haben in unseren Terminen oftmals Personen von unterschiedlichen Abteilungen sitzen: Menschen, die sich mit dem Thema Diversity beschäftigen, aber auch Personen aus Redaktionen, die die Inhalte gestalten.

Haben Sie auch eine Möglichkeit, die Planung von Inhalten zu begleiten?

Meike Arendt: Momentan können wir leider nicht ansetzen, bevor etwas produziert worden ist. Unsere Software basiert darauf, dass sie entweder Tonspur- oder Video-Inhalte analysiert. Aber wir vereinbaren einen regelmäßigen Zeitraum, um die Analysen begleitend einzusetzen. So kann die Veränderung gemessen werden.

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Hatten Sie auch schon Kunden, die nicht nur ihre Inhalte, sondern die eigenen Firmenstrukturen nach solchen Parametern durchleuchten wollten?

Meike Arendt: Das ist ein relativ neues Thema für uns. Wir haben gemerkt, dass die Analyse total spannend für die Kunden ist. Sie müssen beispielsweise aufpassen, wenn ihre Belegschaft nicht divers ist. In Redaktionen arbeitet zwar ein sehr hoher Anteil von studierten Menschen, aber es gibt häufig unbewusste Vorurteile. Außerdem heißt es in vielen Medienhäusern noch immer: Was ist überhaupt Diversity?

Deswegen machen wir mit Ceretai neuerdings nicht mehr nur reine Analysen, sondern beraten darüber hinaus und zeigen, was man in den Strukturen ändern kann, worauf man besonders achten sollte und welche Softfacts dazu gehören.

Ist die Medienbranche schon so weit, Strukturen und Inhalte aufgrund von Daten zu verändern?

Meike Arendt: Das ist regional relativ unterschiedlich. Schweden ist zum Beispiel schon mittendrin. Dort haben wir eher das Thema der Unconscious Bias, da oftmals die Meinung vorherrscht, schon alles für Diversity zu machen. Anhand der Zahlen zeigt sich aber: Es gibt noch Verbesserungspotenzial.

Bei den anderen europäischen Märkten sind die öffentlich-rechtlichen Sender schneller als kommerziell-privat ausgerichtete Firmen. Sie wissen, dass sie einen Bildungsauftrag haben, das heißt, sie müssen auch bezüglich Diversity etwas tun.

Ich würde mir wünschen, dass wir noch einen Schritt weiter wären. Aber ich bin sehr überzeugt, dass es keinen Schritt mehr zurück geben wird, sondern dass sich auf alle Fälle mehr in die Richtung tun wird.

Fiktionale Inhalte sollen vor allem unterhalten und müssen nicht zwingend die Gesellschaft widerspiegeln, wenn die Zahlen stimmen. Was würden Sie jemandem entgegnen, der so argumentiert?

Meike Arendt: Zum einen zeigen viele Studien, dass gerade die heranwachsenden Generationen Diversität fordern. Themen wie Sustainability und Diversity treiben junge Leute sehr stark um. Sie sind jetzt schon kaufkräftig, aber werden noch kaufkräftiger.

Und: Natürlich gibt es Regularien seitens der Regierung – mittlerweile sogar mehr oder weniger flächendeckend in Europa. Die müssen eingehalten werden. Wir diskutieren über Frauenquote in Vorständen und Gleichstellungsgesetze. Das wird nicht weniger.

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