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Medientrends 2023 presented by MedienNetzwerk Bayern - Nachklapp

Medientrends 2023 – wie eine ungewisse Zukunft die Branche beeinflusst

Katja Schwengler, 16. Dezember 2022

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir werden überschüttet mit Vorhersagen – nein, nicht in Bezug auf das Wetter oder Horoskop, sondern mit den neuesten Medientrends 2023. Um einen Überblick über den Trend-Dschungel zu erhalten, präsentierte das MedienNetzwerk Bayern zusammen mit namhaften Expert:innen Entwicklungen, die alle Medienschaffenden auf dem Schirm haben sollten. 

Gleich zu Beginn fasste Magnus Gebauer, Trendexperte bei MedienNetzwerk Bayern, eine zentrale Erkenntnis als Meta-Trend zusammen: Die Medienlandschaft befindet sich in einer Trendkonvergenz, viele Strömungen beeinflussen sich gegenseitig. Anstatt des „einen“ Hypes beeinflussen nun wieder langfristige technologische Entwicklungen die Branche.

Content & Storytelling: Gaming als Wachstumstreiber, Medieninhalte in Web3 und Metaverse sowie Live-Strategien für On-Demand-Formate

Relevant bei Content & Storytelling wird 2023 insbesondere alles rund um Gaming Invasion, Dezentralen Content und Go Live sein. Dass Gaming mittlerweile im Mainstream angekommen ist, bestätige Silke Schmidt, Leitern des XR-HUB Bavaria. Neben Medienunternehmen mit zahlreichen Integrationsmöglichkeiten – ob Spotify mit dem interaktiven Musikquiz „Heardle“ oder Hugendubel mit „Weltensammler“, einer AR-App, die junge Kund:innen wieder in Buchhandlungen ziehen soll  – wird die Arbeitswelt beispielsweise in virtuellen, standortunabhängigen Meetings davon künftig profitieren können. Im Bereich Fitness und Bildung können mittels Gamification und neuen XR-Technologien Anreize geschaffen werden, für User sowie für Händler, die hier stetig neue Absatzmärkte entdecken.

„Die Medienlandschaft befindet sich in einer Trendkonvergenz, viele Strömungen beeinflussen sich gegenseitig. Anstatt des „einen“ Hypes beeinflussen nun wieder langfristige technologische Entwicklungen die Branche.“

Magnus Gebauer, Trendexperte MedienNetzwerk Bayern

„Es rollt etwas Großes, Spannendes, voller Kreativität auf uns zu“, glaubt Jacqueline Hoffmann, Expertin für XR, Buch und Learning Media beim MedienNetzwerk Bayern. Am deutlichsten wird das für sie, wenn der Streaming-Gigant Netflix zugibt, mehr Angst vor Fortnite zu haben, als vor anderen Konkurrenten: Dabei zeigt sich, dass es sich bei Fortnite nicht „nur“ um ein Koop-Survival-Shooter-Game handelt, sondern um eine Plattform, die es verstanden hat, ihre Community mittels Konzerten oder Skins für namhafte Brands und durch weitere Angebote an sich zu binden. Die Potenziale sind enorm, auch für die Verlagsbranche, die Informationen spielerisch mit XR-Mitteln aufbereitet oder Belletristik-Welten digital verlängert. Möglichkeiten bieten sich obendrein, indem Gameswelten zu erfolgreichen Bestsellern werden.

„Es rollt etwas Großes, Spannendes, voller Kreativität auf uns zu.“

Jacqueline Hoffmann, Expertin für XR, Buch und Learning Media beim MedienNetzwerk Bayern

Weitere Anwendungsmöglichkeiten für die Verlagsbranche ergeben sich laut Jacqueline Hoffmann durch die Blockchain-Technologie  – etwa  Creatokia von Bookwire. Trotz aktueller Schwierigkeiten wie die teure Hardware und eine unzureichende Grafik, glaubt Silke Schmidt an die Relevanz des Metaverse: „Der Hype ist zwar vorbei, aber jetzt geht es vor allem darum, was man Sinnvolles im Metaverse erschaffen kann“. Der XR-HUB Bavaria hat hierzu einige Use Cases erstellt, beispielsweise für die Arbeitswelt oder Ausstellungen. 

Mit dem Go-Live-Trend, also dem verstärkten Anbieten von Live-Events, kannibalisiert sich die Digitalisierung und Virtualisierung nicht. Es gehe nicht um Entweder-oder, stellt Silke Schmidt fest, sondern um ein Nebeneinander und geeignetes Integrieren beider Welten. 

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„Der Hype ist zwar vorbei, aber jetzt geht es vor allem darum, was man Sinnvolles im Metaverse erschaffen kann.“

Silke Schmidt, Leitern des XR-HUB Bavaria

Technologie & Innovation: Zunahme von Deepfakes, alternative Social-Media-Player und neue Touch-Points in E-Autos

Den zweiten Teil des Events Medientrends 2023 leitete die schwierige Frage ein: „Steht Twitter kurz vor dem Aus?“ Diese Frage steht laut  Prof. Dr. Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm, stellvertretend für die Zukunft der sozialen Netzwerke. Das Ignorieren von Hausregeln und der Rauswurf von Developern können zu einer Art ungezügelter „Wildwest-Mentalität“ auf der Plattform und dem sogenannten „Braindrain“ im Unternehmen führen – jedoch auch neuen Playern auf dem Markt Chancen eröffnen. Ein interessanter Case ist BlueSky Social, die dezentrale Social-Media-App des Ex-Twitter-Chefs Jack Dorsey. Immer mehr Bedeutung bekommen Features, die dem Machtmonopol von Big Tech gegensteuern sollen, ohne sinnlos Zeit im digitalen Raum zu verschwenden oder Desinformationen zu streuen. Denkbar sind für Christian Montag Abo-Modelle, jedoch nur für eine veränderte, neue Plattform mit veritablen Inhalten, um auf die aktuellen Bestrebungen des Twitter-Chefs Elon Musk anzuspielen.

Experten diskutieren bereits seit längerem, ob soziale Medien nicht eher einem öffentlichen Gut entsprechen und somit unter einem „öffentlich-rechtlichen“-Aspekt zu behandeln seien. Montag sieht die Zeit, in der soziale Medien „umsonst“ erworben werden können, als bald beendet an: Serverfarmen, steigende Energiekosten und Personal für Content Moderation sind kostenintensiv. Trotzdem müssen sich neue Player behaupten: „Die Skalierbarkeit neuer Anbieter von sozialen Medien ist Voraussetzung. Denn was nützen Plattformen, auf denen sich einige wenige tummeln und ich mich nicht austauschen kann?“ Hier sieht Christian Montag den Gesetzgeber in der Pflicht, durch Regulierung kleinere Unternehmen zu fördern.

„Die Skalierbarkeit neuer Anbieter von sozialen Medien ist Voraussetzung. Denn was nützen Plattformen, auf denen sich einige wenige tummeln und ich mich nicht austauschen kann?“

Prof. Dr. Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm

Besonders Deepfakes in Verbindung mit sozialen Netzwerken bergen für Christian Montag Gefahren. Das lässt sich etwa  bei Wahlen oder im Zusammenhang mit Kriegen beobachten. Gefälschte Informationen können  in großen Bevölkerungsschichten Meinungsmache betreiben. Um dem entgegenzuwirken, spielt vor allem eine zunehmend besser werdende Entschlüsselungssoftware eine große Rolle. Laut Jim Sengl, Experte für Cross Industries beim MedienNetzwerk Bayern, gibt es jedoch  auch  positive Beispiele für Deepfakes, vor allem im Bereich Unterhaltung – etwa mit singenden Politiker:innen. Für Medienproduzent:innen, insbesondere Content Produzent:innen, bietet das kreative Chancen, um mittels KI Umgebungen oder Erscheinungen der User spielerisch zu verändern. 

Ein weiterer Gamechanger wird die Mediennutzung im vernetzten Auto sein: mit In-Car-Entertainment-Apps, die während der autonomen Fahrt (bei gesetzlicher Regelgeschwindigkeit) oder bei Ladezeiten Zugang zu Streaming Services sowie zu Videos, Gaming und Transaktionen bieten. „Die Entwicklung ist ganz klar, es geht in Richtung E-Auto“, fasst Jim Sengl den Trend für 2023 zusammen.

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Mensch & Gesellschaft: Vertrauensverlust und Nachrichtenmüdigkeit, Spannungsfeld zwischen Desinformation und Meinungsfreiheit, Dauerkrise und privater Rückzug

Kriegsberichte, Energiekrisen oder Klimakatastrophen: Die tägliche Anzahl an negativ konnotierten News ist derzeit hoch, dass so manche:r sich diesem Strom nicht mehr aussetzen möchte und Expert:innen von Nachrichtenmüdigkeit sprechen. Gleichzeitig lässt sich in Teilen der Bevölkerung ein zunehmender Vertrauensverlust in „die Medien“ als Ganzes beobachten. Prof. Dr. Carsten Reinemann vom Institut Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München kann diese Tendenz bestätigen. Doch wie holt man diese Menschen wieder näher heran an Medien? Welche Möglichkeiten und Formate gibt es? Hier sieht sich die Medienbranche besonders mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Mit dem gelingenden Austausch zwischen Medien und Gesellschaft und der Wahl des Mediums an sich sowie mit einer notwendigen Diversität innerhalb von Medien. 

Als gelungenen Best Case präsentiert Lukas Schöne, Experte für Audio-Innovationen beim MedienNetzwerk Bayern, das rote Telefon der Wochenzeitung DIE ZEIT: An ausgewählten Tagen können Leser:innen Redakteur:innen per Anruf erzählen, was sie umtreibt. Die Redakteurin Luisa Thomé machte die Beobachtung, dass die Anrufer:innen nicht nur über Krisen, sondern auch  über alltägliche(re) Themen sprachen und an einem tatsächlichen Austausch interessiert waren. Weitere vertrauensbildende Maßnahmen können laut Carsten Reinemann, vor allem im politischen Bereich, Regulierungen sein. Zudem müssten allen voran jüngere Zielgruppen abgeholt werden: Sie sollten lernen, dass kuratierte, journalistische Inhalte authentisch und von „Fake News“ zu unterscheiden sind.

„Wo hört Meinungsfreiheit auf und wo fängt Hate Speech an? Der Clash von ‚Hate Speech‘ und ‚Free Speach‘ nimmt zu.“

Lukas Schöne, Experte Audio-Innovationen beim MedienNetzwerk Bayern

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Die Art des Medienkonsums ist ein wichtiger Schlüssel, um die Menschen zu erreichen. Wie kommen sie an ihre Informationen? Wie intensiv ist diese Informationsaufnahme? Darauf werden Medienschaffende 2023 valide Antworten finden müssen.

Neben einer Nachrichten-Erschöpfung beobachten Expert:innen die zunehmende Radikalisierung beim Thema „Meinungsfreiheit“. Was wird „man“ noch sagen dürfen? Wo hört Meinungsfreiheit auf und wo fängt Hate Speech an? Der Clash von „Hate Speech“ und „Free Speach“ nimmt zu. Als Lösung schlägt Lukas Schöne vor: reden. Der Gesprächsfaden darf nicht verloren gehen, es müssen klare Grenzen zwischen Meinungsäußerung und Hass definiert werden. Wichtig sei für Medienunternehmen außerdem, die neuen Technologien zu nutzen und auf allen Plattformen präsent zu sein, wo die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft vertreten sind. 

Prozesse & Entwicklungen: sinkende Werbespendings, Social, Messaging & Streaming Commerce, AVoD & FAST

Die aktuellen Krisen sorgen auch bei Werbern für Unsicherheiten. Katharina Baumann, Geschäftsführerin der Agenturgruppe pilot in München, sieht bei sinkenden Spending-Budgets über alle Kanäle hinweg dennoch Chancen: Flexibilität gewinnt weiter an Bedeutung, die Tendenz geht weg von Jahresstrategien hin zu mehr floating budgets. 2023 zählt die Performance, also die Wirkung einer Maßnahmen. Wer jetzt denkt, dass es auf Kundenseite nur um Abverkauf geht und das Buzzword der letzten Jahre „Purpose“ in den Hintergrund rückt, irrt jedoch. Haltung in Form einer unternehmerischen Komponente wird wichtiger denn je. „Welche USPs bringen Unternehmen mit und wie setzen sie sich vom bloßen Greenwashing ab? „Nice to have“ wird 2023 nicht mehr ausreichen, hier wird 2023 die Spreu vom Weizen getrennt“, fasst Katharina Baumann zusammen.

„Welche USPs bringen Unternehmen mit und wie setzen sie sich vom bloßen Greenwashing ab? ‚Nice to have‘ wird nicht mehr ausreichen, hier wird 2023 die Spreu vom Weizen getrennt.“

Katharina Baumann, Geschäftsführerin der Agenturgruppe pilot, Standort München

Trotz sinkender Mediaspendings wird der Trend des Ubiquitären Shoppens im nächsten Jahr noch zunehmen und noch mehr in der Realität ankommen, ist sich Petra Schwegler, Expertin im Bereich Digital Publishing beim MedieNetzwerk Bayern, sicher. Shopping-Situationen, in denen der User die Plattformen nicht wechseln muss sondern mithilfe von Affiliate-Marketings direkt zum Produkt gelotst wird, werden zunehmen. Für den krisengebeutelten Einzelhandel bedeutet diese Entwicklung, noch mehr auf Einzigartigkeit, Erlebnis und Mehrwert zu setzen, um Kundschaft für sich zu gewinnen. 

Ob 2023 im Bereich CTV (Connected TV) und FAST (Free-Ad-Supported Streaming) größere Mediabudgets zu erwarten sind, da ist Katharina Baumann mit ihrer Prognose noch zurückhaltend. Momentan sieht sie CTV eher als Ergänzung im Bewegtbildbereich; hierbei handelt es sich vor allem um Verschiebungen der Mediabudgets. Interessant jedoch sind die neuen Werbebestrebungen von Streaming-Anbietern wie Amazon, Netflix oder Disney – unter dem Begriff AVoD (Advertising Video on Demand) bekannt: Welche Konzepte wird es hier geben, inhaltlich wie preispolitisch? Wie wird das Data-Mining aussehen, sprich, welche Zielgruppen entscheiden sich für welche Angebote – und werden die Reichweiten eine relevante Größe haben? Davon wird am Ende des Tages abhängen, wo und wofür hohe Mediabudgets eingesetzt werden.

„Der Trend des Ubiquitären Shoppens wird im nächsten Jahr noch zunehmen und noch mehr in der Realität ankommen.“

Petra Schwegler, Expertin Digital Publishing, MedienNetzwerk Bayern

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Abschließend brachte Moderatorin Susanne Schlüter den Tenor des Panels auf den Punkt: Die Grundsteine für 2023 sind gelegt, auch wenn sich die aktuellen Unsicherheiten noch länger hinziehen werden. Dennoch „verstecken“ sich die neuen Trends nicht dahinter und Medienschaffende müssen ihre Finger und Ohren am Puls der Zeit haben, um weiterhin erfolgreich auf dem Markt zu bestehen. 


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